Die NATO sollte sich jetzt auf russische Raketenangriffe in Europa vorbereiten, warnt ein Generalleutnant des Heeres und NATO-Kommandeur in Süddeutschland. Auch die Bundesrepublik könnte zum Ziel werden.
Deutscher Top-NATO-General warnt vor Putin-Szenario„Uns könnten nur noch drei Jahre bleiben“
Die NATO muss sich auf russische Angriffe auf Ziele in ganz Europa vorbereiten, falls der Kreml einen Krieg gegen das Bündnis lostritt, warnen ranghohe NATO-Generäle. Auch in Deutschland könnte zu einem Ziel werden.
In einem Interview mit der britischen „Times“ forderte Generalleutnant Alexander Sollfrank, NATO-Kommandeur in Ulm, die Verbündeten auf, die „bürokratischen Hürden“ zu überwinden und die Verlegung von Truppen und Ausrüstung in andere Länder zu erleichtern. Denn: Grenzüberschreitende Übungen seien häufig mit einer Menge an Papierkram verbunden, der in einer Krise entscheidende Zeit kosten würde.
Putins Krieg in der Ukraine: Was plant er als Nächstes?
Noch sind Putins militärischen Ressourcen vor allen Dingen in der Ukraine gebunden, dennoch herrscht innerhalb der NATO längst tiefe Besorgnis darüber, was er als Nächstes planen könnte.
Mehrere NATO-Führungskräfte haben dem Bericht nach angedeutet, dass dem Bündnis ein Zeitfenster von nur drei Jahren zur Verfügung steht, um die Verteidigung gegen eine mögliche russische Offensive zu sichern. Auch Sollfrank und andere Generäle aus Deutschland, den Vereinigten Staaten und den Niederlanden befürchten, dass Russland in einem Szenario tief hinter den Frontlinien zuschlagen würde, um zivile und militärische Infrastruktur zu zerstören.
Deutschland als Drehscheibe für die NATO-Versorgung
Deutschland würde demnach als zentrale „Drehscheibe“ für die NATO-Verstärkung und für den Nachschub in Europa auserkoren werden. Das reiche von Munitionsfabriken und Kommandozentralen bis hin zu Kraftwerken, Brücken, Eisenbahnen. Diese könnten zu wichtigen Zielen für Russland werden.
Man habe bereits während Putins Krieg gegen die Ukraine gesehen, wie Russland schwere Luft- und Raketenangriffe weit entfernt von den Kampflinien geflogen hat – und auch Munitionslager, Kommandoposten oder Treibstoffdepots zerstört wurden, mehrere Hunderte Kilometer von der Front entfernt.
„Wenn wir den Krieg und die Operationen vor zehn oder fünf Jahren vergleichen, dann müssen wir feststellen, dass auch die rückwärtigen Gebiete stark umkämpft sein werden“, sagte Sollfrank im Hauptquartier des Joint Support and Enablement Command (JSEC) der NATO in Ulm gegenüber der „Times“.
„Müssen davon ausgehen, dass ein Aggressor das gesamte Spektrum der Gewalt einsetzen wird“
„Wir müssen davon ausgehen, dass ein Aggressor das gesamte Spektrum der Gewalt einsetzen wird, um Kommunikationslinien auch im rückwärtigen Bereich zu zerstören“, so Sollfrank. Das reiche von Sabotageakten über Cyberangriffe bis hin zu Raketen und Drohnen. Darauf müsse man sich vermehrt vorbereiten.
Heutzutage sei die militärische Abschreckung einer Invasion nicht nur eine Frage der Stärke, sondern auch der Fähigkeit, Ausrüstung innerhalb von Tagen dort einzusetzen, wo sie benötigt wird, und das über Monate oder sogar Jahre hinweg.
Bundeswehr bereitet sich auf Putin-Angriff vor
Bereits vor einigen Wochen berichtete die „Bild“, dass sich die Bundeswehr auf solch ein dramatisches Szenario vorbereitet – auf einen hybriden russischen Großangriff auf die Ostflanke der NATO.
Sollfrank erklärt gegenüber der „Times“, dass in Deutschland nach dem Kalten Krieg eine Menge an Panzern und Munition zerstört wurde, auch Depots und Lager seien in Friedenszeiten verschwunden. „Jetzt arbeiten wir sehr intensiv daran, dieses robuste, widerstandsfähige Verstärkungs- und Versorgungsnetz wiederaufzubauen, um volle Unterstützung zu haben. Wir brauchen eine belastbare Infrastruktur“, so Sollfrank.
Auch Generalleutnant Jan-Willem Maas, Chef des Verteidigungsunterstützungskommandos der niederländischen Streitkräfte, erklärte, dass die Vorbereitungen noch nicht ausgereift sind. „Wir sind nicht da, wo wir sein sollten. Das ist klar“, sagte er. „Aber die Frage ist: Was werden wir dagegen tun?“
Maas gibt sich trotz aller Warnungen optimistisch: „Wenn man sich anschaut, wie geeint Europa nach Putins Einmarsch in die Ukraine war, bin ich nicht so pessimistisch.“ Es sei wichtig, dass die militärische Abschreckung der NATO verbessert wird, „damit sie auch morgen noch funktioniert. Und übermorgen.“