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Kommentar zum spaltenden CDU-ChefHaben wir wirklich keine anderen Sorgen, Herr Merz?

CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz spricht im Bundestag.

CDU-Chef Friedrich Merz redet am 7. September 2022 im Deutschen Bundestag

CDU-Chef Friedrich Merz betätigt sich weiter als Spalter, macht Stimmung gegen Ausländer im Land. Es sind Rezepte aus den späten 90ern, mit denen er punkten will. Dabei hätten wir reichlich andere Sorgen, findet unser Autor in seinem Kommentar.

von Alexander Haubrichs  (ach)

Friedrich Merz ist derzeit auf allen Kanälen. Der Chef warnt vor eine Einwanderung in die Sozialsysteme, findet, die deutsche Staatsbürgerschaft werde verramscht. Der Oppositionsführer bedient sich niederster Ressentiments, wirft bei seinen öffentlichen Auftritten Themen wild durcheinander. Schon vor Wochen fiel er auf russische Propaganda rein, als er ohne Fakten gegen ukrainische Sozialtouristen hetzte.

Merz trennt nicht zwischen dem Recht auf Asyl und nötiger Arbeitsimmigration, er rechnet die Arbeitslosenzahlen gegen die der Hartz4-Empfänger auf, stempelt Geflüchtete als für den Arbeitsmarkt unbrauchbar ab.

Friedrich Merz mit CDU-Rezepten aus den 90ern

Was sich bei der Debatte um das Bürgergeld abzeichnete und sich bei der Diffamierung von Klimaaktivisten fortsetzte, wird jetzt bei der Diskussion um ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht noch einmal überdeutlich: Der Chef der CDU beabsichtigt Wahlen zu gewinnen, in denen er vor allem die armen gesellschaftlichen Gruppen gegeneinander ausspielt.

Geringverdiener gegen Empfänger staatlicher Hilfen zum Beispiel. Oder halt die Deutschen gegen die Ausländerinnen und Ausländer.

Merz übernimmt hier Rezepte aus den späten 90ern, als der Hesse Roland Koch an CDU-Ständen gegen Ausländer unterschreiben ließ und Merz selbst als einer der Hoffnungsträger der Union galt. Koch ist zu Recht in der politischen Versenkung verschwunden, die Kampagne aber vergiftete den gesellschaftlichen Diskurs für Jahre.

Nun packt die Union sie wieder aus. Dabei wäre es nicht nur sinnvoll, gerecht und mehr als zeitgemäß, Menschen, die teilweise hier seit Jahrzehnten arbeiten und Steuern bezahlen, das Recht zu geben, am politischen Entscheidungsprozess teilzuhaben.

Es gibt aber vor allen Dingen noch einen weiteren Punkt: Haben wir wirklich keine anderen Sorgen, Herr Merz? Brauchen wir wirklich noch mehr Spaltung, noch mehr Gegeneinander? Berechtigt die verzweifelte Suche nach einem Gewinnerthema für die Union wirklich jeden Tabubruch? Wieviel AfD will die Union noch wagen?

Es gäbe soviel zu tun – auch, um Deutschlands Zukunft zu sichern und die Ursachen für weitere Millionen Geflüchtete zu bekämpfen. In der Ukraine verteidigt sich nicht nur gerade ein Land gegen einen menschenverachtenden Aggressor – wenn Russland dort nicht zurückgedrängt wird, könnten schon bald Nato-Partner die nächsten sein.

Geht der russische Terror in der Ukraine weiter, verschlimmert sich die Not der Menschen, es kommt zu Flucht und Vertreibung. Merz könnte sich darum kümmern, wie man das mit mehr Hilfe verhindert, zum Beispiel.

Oder der Kampf gegen die Klimakatastrophe: Statt sich an den Aktivisten der Letzten Generation abzuarbeiten, könnte man sich die Frage stellen, wie man den Umbau des deutschen Stromnetzes hin zu erneuerbaren Energien bewältigt und sich so von fossilen Abhängigkeiten löst. Wie man international Allianzen für den Erhalt des Klimas schmiedet.

Ganz nebenbei würde eine Einhaltung der Klimaziele nämlich auch bewirken, dass sich nicht bis 2070 geschätzt drei Milliarden Menschen auf die Suche nach einer neuen Heimat auf die Flucht begeben müssten.

Da ist auch immer noch eine Pandemie, auch wenn darüber keiner mehr reden will. In England gibt es inzwischen fast so viele Long-Covid-Fälle wie Arbeitslose, auch hier steigen die Zahlen mit jeder Welle. Wenn Merz so ein Fachmann ist, sollte er begreifen, welche Bedrohung da auf unsere Wirtschaft und unsere Sozialsysteme zukommt, sollten wir Corona nicht wieder wirksam bekämpfen.

Und auch hier kommen die Ausländer ins Spiel: Wir werden Arbeitskräfte brauchen, die kranke Menschen ersetzen. Die gibt es aber in Deutschland nicht. Rund 40.0000 Fachkräfte werden wir pro Jahr ohnehin benötigen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Union verweigert sich im Kampf gegen Rechts

Deshalb ist der Kampf gegen Rechts so wichtig, gegen Alltagsrassismus genauso wie gegen gewaltbereiten Rechtsextremismus. Eine Gefahr für unsere Demokratie geht doch nicht von ein paar Klimaaktivisten aus, die sich auf die Straße kleben oder Glasscheiben vor Kunstwerken beschmutzen.

Nicht erst seit dem Mord an seinem Parteikollegen Walter Lübcke dürfte Merz wissen, wie bedrohlich Rechtsterrorismus ist. Doch kommt es zu Ausschreitungen, ist das Schweigen der Union meist ohrenbetäubend.

Friedrich Merz auf allen Kanälen. Substanzielles gibt es selten. Stattdessen wird gegen Benachteiligte getreten, Gruppen gegeneinander ausgespielt und mit dem Schüren von Vorurteilen gibt man Wasser auf die Mühlen der AfD. Als hätten wir noch nicht genug andere Sorgen.