Welche Herausforderungen kommen auf Deutschland in den nächsten Jahren zu? Darüber unterhalten sich am Dienstagabend zwei Militärexperten bei Sandra Maischberger im Ersten.
Militärexperten bei „maischberger“DHL-Absturz könnte ein „Test“ von Russland sein
Beim Absturz einer DHL-Maschine in der litauischen Hauptstadt Vilnius könnte Sabotage durch Russland im Spiel sein. Das sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, am Dienstagabend bei Sandra Maischberger im Ersten. Der russische Präsident habe einen hybriden Zustand erzeugt, der nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht Krieg sei. „Dabei gehört dazu, dass man austestet, wie weit man gehen kann“, so Breuer.
Breuer und die Militärexpertin Claudia Major haben sich am Dienstagabend bei Maischberger ein spannendes Thema vorgenommen. Es geht darum, wie Deutschland sich in den nächsten Jahren militärisch aufstellen muss. Denn in der Ukraine ist die Armee in einer schwierigen Lage, erklärt Claudia Major. Die russische Armee verzeichne enorme Geländegewinne. Russland versuche gerade, sich in die bestmögliche Position zu bringen, falls es im Januar zu Verhandlungen kommen werde, sagt die Expertin.
Die Wahrscheinlichkeit dafür ist tatsächlich groß, denn am 20. Januar wird in den Vereinigten Staaten der gewählte Präsident Donald Trump in sein Amt eingeführt. Zwar gelänge es der Ukraine immer wieder, mit westlichen Waffen russische Gefechtsstände oder Logistikknotenpunkte zu zerstören. An der Gesamtlage ändere das jedoch nichts. Die Ukraine habe im Moment die Wahl zwischen Abnutzung und Niederlage. „Es läuft gerade extrem schlecht für sie“, so das Fazit von Claudia Major.
Nach der Amtsübernahme des gewählten US-Präsidenten Donald Trump kommen auf Deutschland und Europa neue militärische Aufgaben zu. Dessen sind sich beide Militärexperten sicher. Unter Donald Trump werde die USA nicht aus der Nato austreten, glaubt Claudia Major. Aber: „Wir sehen, dass Donald Trump, ähnlich wie das auch seine Vorgänger schon gemacht haben, sehr stark darauf achtet, dass die Europäer selbst sich um ihre Verteidigung kümmern“, so Breuer.
„Was Russlands Präsident Putin dort gemacht hat, ist eine nächste Stufe auf der Eskalationsleiter“
„Wir glauben immer noch so ein bisschen, dass das ein Krieg in der Ukraine ist. Aber es ist ein Krieg, der gegen uns geht“, analysiert Claudia Major die aktuelle Lage in Europa. So hatte die russische Armee vor wenigen Tagen zum ersten Mal eine Interkontinentalrakete auf die Ukraine abgefeuert. Breuer: „Was Russlands Präsident Putin dort gemacht hat, ist eine nächste Stufe auf der Eskalationsleiter, die er erklommen hat.“ Der russische Präsident habe klarmachen wollen, dass er eine solche Rakete auch atomar bestücken könne und damit Ziele in ganz Europa erreichen wolle. „Er hat es als Möglichkeit mitklingen lassen bei diesem Einsatz“, so Breuer. „Das ist schon sehr, sehr zynisch, was er dort mit diesem Einsatz der Waffe gemacht hat.“
Russland sehe sich in einem Krieg mit dem Westen, ergänzt Claudia Major. Putin sende immer wieder das Signal aus, dass sich der Westen aus dem Ukrainekrieg heraushalten solle. „Die Frage ist: Wie gut funktioniert das, und wie sehr lassen wir uns von Russland dadurch einschüchtern?“
„Wir haben eine Deadline für unsere Verteidigungsfähigkeit“
Glaubt man Claudia Major, muss sich Deutschland jetzt beeilen. Sie verweist auf Studien, nach denen die russische Armee in fünf bis acht Jahren wieder komplett einsatzfähig sei. „Wir haben eine Deadline für unsere Verteidigungsfähigkeit: Bis 2029 müssen wir in der Lage sein, einen russischen Angriff abschrecken zu können, also Russland zu signalisieren, es lohnt sich nicht, weil die Kosten höher wären als der Gewinn. Und wenn Abschreckung nicht funktioniert, müssen wir verteidigungsfähig sein.“ Es gebe eine klare Bedrohung: Russland rüste auf, sagt Major. „Und der Krieg ist schon da. Er ist in einem Graubereich, aber hybrid ist er da.“ „Wir müssen kriegstüchtig sein“, ist das Fazit, das Carsten Breuer aus dieser Entwicklung zieht.
Für beide Wehrexperten bedeutet das: mehr Geld in die Verteidigung. Zudem weist Claudia Major darauf hin, dass sich immer weniger Menschen in Deutschland mit dem Staat identifizieren. Um das zu ändern, sei eine Dienstpflicht der richtige Weg. „Und aus militärischer Sicht würde ich ergänzen: Wir brauchen eine Aufwuchspflicht“, sagt Breuer. In den nächsten Jahren werde die Bundeswehr personell mit den Aufgaben nicht klarkommen, die auf sie zukämen. „Zusätzlich brauchen wir 100.000 Reservisten“, so Breuer. (tsch)