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Interview

Beliebte Moderatorin„Ich bin schon etwas Helikopter-Mutter“ – das hat dramatischen Grund

Anne Gesthuysen im Oktober 2024

Moderatorin Anne Gesthuysen hatte im großen Sonntags-Gespräch viel zu erzählen: über Hunde, Familie und das Leben an sich. Das Foto zeigt sie im Oktober 2024.

Moderatorin Anne Gesthuysen hat mit uns über ihr neues Buch, das Reizthema „Gendern“ und darüber, warum sie die Ängste um ihren 13-jährigen Sohn nie ganz wegschieben kann, gesprochen.

von Horst Stellmacher  (sm)

Es war ein schlimmer Moment in ihrem Leben als Mutter und daraus hat sie einen großen, bewegenden Roman entwickelt: „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ heißt das neue Buch von WDR-Moderatorin Anne Gesthuysen (55). Es ist aber auch wieder eine heitere Geschichte vom Leben am Niederrhein, „typisch Gesthuysen“.

Im Interview mit EXPRESS.de gibt sie Auskunft nicht nur über den Roman, sondern auch über ihr privates Leben mit Ehemann (dem ehemaligen „hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg, 67), Sohn und Hund „Freddy“.

Anne Gesthuysen über eine Kindheit am Niederrhein – und ein Leben in Köln

Sie schreiben über das Leben am Niederrhein, leben aber längst in Köln. Kein Problem mit den dörflichen Gegebenheiten und Lebensweisen?

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Anne Gesthuysen: Nee. Der Niederrhein ist immer noch in mir. Ich bin zwar mit 18 weggezogen, aber die ersten 18 Jahre eines Lebens sind prägend. Und außerdem lebt meine Familie immer noch da.

Nicht mal Lust auf einen Köln-Roman – Sie haben das kölsche Leben doch sicher längst intus?

Anne Gesthuysen: Das versuche ich zu verhindern. Mit einem gerade abgeschlossenen Buch auf Lesetour und währenddessen schon am anderen schreiben, geht bei mir nicht. Ich habe es mal versucht, dann war das alte Buch bei meinen Lesungen im Kopf plötzlich total gelöscht. Ich hatte sogar die Namen eines Protagonisten vergessen und musste das Publikum fragen: „Wie hieß der Typ noch gleich, über den ich geschrieben habe?“

Anne Gesthuysen imTalk mit Horst Stellmacher.

„Gassi-Talk“: Anne Gesthuysen und EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher mit seiner vierbeinigen Begleiterin „Lotti“ am 28. Oktober 2024 in Köln.

Im Buch kämpft eine Mutter unermüdlich um das Leben ihrer Tochter. Die Mutter hat die Kleine im Baumarkt im Einkaufswagen vor sich hergeschoben – dann kippt der Wagen plötzlich, und das Kind verletzt sich schwer. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

Anne Gesthuysen: So etwas ist mir und meinem Sohn, als er klein war, beinahe auch passiert. Ich wollte, dass er sofort einen Sandkasten bekommt, und weil mein Mann für „hart aber fair“ in Berlin war, sind wir ohne ihn in den Baumarkt gefahren. Ich habe meinen Sohn in den Einkaufswagen gesetzt, dahinter die gekaufte Sandmuschel gezwängt und vier Sandsäcke à 25 Kilo reingedrückt. Als ich das alles auf den Parkplatz geschoben habe, kam der Wagen plötzlich ins Kippen, und ich konnte ihn nicht mehr halten ...

Ein Albtraum …

Anne Gesthuysen: Ja. Ich habe wie in Zeitlupe gesehen, wie mein Kind mit der Wucht von 100 Kilo auf den Asphalt fiel und kann mich dran erinnern, dass er geschrien hat und ich das gut fand – denn das bedeutete, dass er lebte. Ich bin sofort mit ihm zur Kinderklinik in der Amsterdamer Straße gerast. Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Doch seitdem ist mir klar, dass mein Leben in einer Sekunde ein anderes werden kann. Und diese Sekunde kündigt sich nicht an. Das ist zum zentralen Thema des Buches geworden: Wie trägt man diese Schuld, wie lebt man mit ihr?

Ihr Sohn ist jetzt 13, seine Kindheit abgeschlossen. Wenn Sie zurückblicken, wäre es schöner, wenn er, wie Sie, seine ersten Jahre auf dem Land am Niederrhein erlebt hätte?

Anne Gesthuysen: Ich kann diese Kindheiten nicht vergleichen. Bei ihm wäre es nicht mehr so gewesen wie damals bei mir. Ich hatte unglaublich viel Freiheit, meine Mutter hat viel zugelassen, obwohl sie selbst eine sehr dramatische Jugend hatte. Als sie 16 war, sind ihre beiden jüngeren Brüder bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Schon deswegen hatte sie immer eine wahnsinnige Angst um mich. Und sie hat mir trotzdem meine Freiheit gelassen.

Zum Beispiel?

Anne Gesthuysen: Ich war acht oder neun Jahre alt, als ich mir mit meinen Freundinnen die Ponys aus dem Stall genommen habe, auf denen wir wild über die Stoppelfelder geritten sind – so etwas hätte ich meinem Sohn nie erlaubt. Da hätte ich viel zu viel Angst gehabt. Die Angst, die meine Mutter unterdrückt hat, schlägt bei mir wieder voll durch. Ich bin doch schon etwas Helikopter-Mutter.

So denkt Anne Gesthuysen übers Gendern

Im Roman streitet man sich auch um neue Sprachregelungen und um Worte, die nicht mehr gesagt werden dürfen. Als Autorin und Moderatorin müssen Sie genau auf Worte achten. Wie sehen Sie das?

Anne Gesthuysen: Ich finde es richtig, dass man manche Worte nicht mehr benutzt. Aber es ist nicht zielfördernd, wenn man sie aus alten Büchern tilgt, als hätte es sie und den damit verbundenen Rassismus nie gegeben. Dadurch wird die Schuld, die wir gegenüber anderen Menschen auf uns geladen haben, nicht geringer. Ich halte aber den Furor, mit dem einige junge Leute auf Menschen losgehen, die falsche Worte benutzen, für kontraproduktiv. Das spaltet die Gesellschaft. Wenn man will, dass sich was verändert, muss man alle mitnehmen. Im Roman sagt Tante Ottilie: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht.“ Im Gegenteil, man reißt es aus.

Aktuell geht es gerade um den „Ober-Indianer“ von Udo Lindenberg oder das „Indianer“-Lied von Brings. Wie sehen Sie das?

Anne Gesthuysen: Wenn Künstler wie Brings ihren eigenen Song nicht mehr präsentieren wollen, ist das ihre Entscheidung. Wenn Musiker den Text eines anderen Künstlers – hier Udo Lindenberg – öffentlichkeitswirksam ändern, finde ich das völlig drüber. Es gibt andere Songs, wenn Sonderzug nach Pankow nicht passt. Zumal es etwas lächerlich wirkt, aus Ober-Indianer ein „Ober-Iiiiiiii“ zu machen. Man stößt sich an einem Fantasiewort in einem Text, der sehr satirisch ist. Jetzt regen sich alle nur über Cancel-Culture auf, statt über sinnvolle Sprachentwicklungen nachzudenken.

Diskutiert wird im Buch auch über das Gendern. Gibt es da als Moderatorin besondere Vorschriften?

Anne Gesthuysen: Ja, wir sollen in der Moderation nicht gendern. Das finde ich richtig, weil wir ja ein sehr breites Publikum ansprechen, und die Gender-Sprache ist in diesem breiten Publikum kaum vorhanden. Es wäre absurd, eine Sprache zu benutzen, die die Menschen nicht verstehen.

Gendern Sie privat?

Anne Gesthuysen: Noch nicht. Betonung auf noch. Ich finde es eigentlich nicht falsch. Aber als das Wort „cool“ irgendwann cool wurde, habe ich es lange nicht benutzt, weil ich mir damit anbiedernd und peinlich vorkam. So geht es mir mit dem Gendern. Ich habe nichts dagegen und ich bin sicher, in zehn Jahren hat sich irgendeine Form des Genderns durchgesetzt, dann mache ich es auch.

ARD QUIZDUELL-OLYMP mit Anne Gesthuysen und Frank Plasberg

Das Ehepaar Anne Gesthuysen und Frank Plasberg am 15. November 2024 in der ARD-Sendung „Quizduell-Olymp“.

Ihr Mann ist seit fast zwei Jahren Privatier. Hatten Sie Angst, dass er Sie nervt, wenn er immer zu Hause ist – so wie wir es aus dem Loriot-Film „Pappa ante portas“ kennen?

Anne Gesthuysen: Nein, er hat ja immer viel zu Hause gearbeitet, das war keine große Umstellung. Er wollte erst mal nur seinen Hobbys frönen, heißt, sich um sein Boot kümmern. Er meinte, er hätte genug gearbeitet und wollte seine Ruhe haben. Ich habe ihm aber nicht erlaubt, Ruhe zu haben.

Warum so hart?

Anne Gesthuysen: Ich finde ihn als Journalisten herausragend, wir brauchen gerade in heutigen Zeiten gute Journalisten, wenn wir die Demokratie am Laufen halten wollen. Es wäre ein Frevel, wenn er seine Qualitäten brach liegen ließe. Glücklicherweise moderiert er wenigstens Podiumsdiskussionen, hält Reden. Ach, und er schmeißt den Haushalt, wenn ich auf Lesereise bin – wenn ich es mir recht überlege, so brach liegen seine Qualitäten ja gar nicht! (lacht)

Auffallend im Buch: Ihr Familienhund „Freddy“ ist wieder dabei …

Anne Gesthuysen: Ich liebe Freddy! Er war schon im letzten Buch dabei, wird jetzt immer wieder vorkommen. Er ist ein wunderbares Wesen, das unser Leben bereichert. Ich bin mit Hunden groß geworden, ich habe lange mit meinem Mann gerungen, der keine Affinität zu Hunden hatte. Hat sich sehr geändert – er ist jetzt zweitgrößter Fan. Allerdings regt er sich immer noch drüber auf, dass ich mit Freddy in ganzen Sätzen spreche und auch Antworten erwarte.

Anne Gesthuysen: Vielseitig ist sie schon lange unterwegs

Anne Gesthuysen wurde am 2. Oktober 1969 in Geldern geboren und wuchs in Alpen am Niederrhein auf. Abitur in Xanten, Journalistik- und Romanistik-Studium folgte. 1986: erste journalistischen Erfahrungen als WDR-Hörfunkreporterin. Danach Reporterin für WDR, ZDF und VOX. 2001 bis 2004 moderierte sie die WDR-„Aktuelle Stunde“, von 2002 bis 2014 das „ARD-Morgenmagazin“. Derzeit moderiert sie im WDR wieder die „Aktuelle Stunde“.

2012 erschien ihr Roman „Wir sind doch Schwestern“, es folgten „Sei mir ein Vater“ (2015), „Mädelsabend“ (2018) und „Wir sind schließlich wer“ (2021). Das neue Buch heißt „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ (Kiepenheuer & Witsch, 24 Euro). Sie ist seit 2007 mit TV-Moderator Frank Plasberg (64) zusammen, die beiden sind seit 2012 verheiratet und haben einen Sohn (13). Die Familie lebt in Köln.