Das Bundesjustizministerium will das Familienrecht reformieren. Kritik zu manchen Plänen gibt es etwa vom Bürgerrechtsverband LSVD. Dieser fordert unter anderem: Samenspender dürfen nicht mit leiblichen Vätern gleichgestellt werden.
FamilienrechtWichtige Änderung für lesbische Paare – queerer Verband spricht aber auch Warnung aus
Längst gibt es in Deutschland nicht mehr nur die traditionelle Vater-Mutter-Kind-Familie. Die Gesellschaft ist vielfältiger geworden. Ob zwei Väter, zwei Mütter oder auch transgeschlechtliche, nicht-binäre oder intergeschlechtliche Elternteile.
Auch Regenbogenfamilien sollen rechtlich abgesichert sein. Mit der angekündigten Reform des Familienrechts soll sich nun einiges zugunsten dieser Familien ändern. Es gibt aber auch schon Kritik an der Reform, etwa vom LSVD, dem Verband Queere Vielfalt.
LSVD: „Reform des Abstammungsrechts dringend geboten“
„Am ersten Oktoberwochenende hat das Bundesministerium der Justiz Gesetzesentwürfe für eine umfassende Reform des Familienrechts an die Länder weitergeleitet.
Die Reform des Abstammungsrechts ist dringend geboten. Zugleich dürfen die Rechte queerer Familien und ihrer Kinder nicht zum Pfand für neuerliche Diskriminierungen werden“, betont der Bürgerrechtsverband, der die Interessen und Belange von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen sowie weiteren queeren Menschen in Deutschland vertritt.
Kind hat Recht auf Auskunft über seine Abstammung
Doch inwiefern soll das Familienrecht reformiert werden? Der Bundesjustizminister will unter anderem mehr Mitsprache in Sorgerechtsfragen für Jugendliche.
Beispielsweise soll ein Kind getrennter Eltern ab dem 14. Lebensjahr eine neue Entscheidung über eine bereits getroffene Sorgerechtsentscheidung beantragen können. Außerdem betont der Referentenentwurf den Anspruch des Kindes, Auskunft über seine Abstammung zu erhalten. Kinder sollen nicht nur ein Recht auf Umgang mit den Eltern haben, sondern auch auf Umgang mit Geschwistern und Großeltern.
Mehr Rechte für Väter
Auchs soll es für nicht mit der Mutter verheiratete Väter einfacher werden, beim Sorgerecht berücksichtigt zu werden. Das sieht ein Entwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für ein verändertes Kindschaftsrecht vor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Danach soll ein Mann bereits als Folge einer Vaterschaftsanerkennung automatisch mit sorgeberechtigt sein, wenn nicht ein Elternteil der gemeinsamen Sorge innerhalb eines Monats – ohne Angaben von Gründen – widerspricht.
Nicht mehr als zwei rechtliche Eltern
Wichtig ist Buschmann bei den geplanten Änderungen, dass diese zwar neuen Familienmodellen Rechnung tragen sollen, an einigen Grundsätzen aber nicht gerüttelt wird.
Dazu zählt: „Ein Kind hat auch künftig nur zwei rechtliche Eltern.“ Und: „Die Frau, die das Kind gebiert, ist auch künftig stets Mutter des Kindes, ohne dass ihre Rechtsstellung anfechtbar oder einer Vereinbarung zugänglich ist.“
Adoption künftig auch für Unverheiratete möglich
Beim Thema Adoption ist eine Liberalisierung geplant. Denn: Auch unverheiratete Paare sollen künftig gemeinsam ein Kind adoptieren dürfen. Eine Adoption durch nur einen Erwachsenen soll laut Entwurf sowohl für Verheiratete als auch für Unverheiratete möglich sein.
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Nicht mehr notwendig sein soll eine Adoption in Zukunft, wenn sich ein lesbisches Paar gemeinsam für ein durch Samenspende gezeugtes Kind entscheidet. In dem Entwurf, den das Ministerium den Ländern zur Stellungnahme präsentiert hat, heißt es: „Eingeführt wird auch die Mutterschaft einer weiteren Frau neben der Geburtsmutter, so dass ein Kind zwei Mütter schon kraft Abstammungsrecht haben kann.“
Zudem werde das Abstammungsrecht auch für Menschen mit geändertem Geschlechtseintrag, ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ geöffnet.
LSVD: „Längst überfällige Verbesserung für Kinder queerer Eltern”
Der LSVD lobt einige Aspekte der vorgestellten Pläne: „Der Entwurf sieht eine längst überfällige Verbesserung der rechtlichen Situation von Kindern queerer Eltern vor. Insbesondere die bisherige geschlechtsbezogene Diskriminierung bei der Zuordnung eines zweiten Elternteils soll beseitigt werden. Das begrüßen wir ausdrücklich.”
Warnt aber auch: „Der genetische Beitrag leiblicher Väter darf gegenüber der sozial-familiären Elternschaft nicht unverhältnismäßig aufgewertet werden. Dass in dem Gesetzesentwurf Samenspender mit leiblichen Vätern gleichgestellt werden, entspricht nicht der Bedeutung ihres Beitrags an der Entstehung des Kindes.“
Der Entwurf des Justizministeriums, so der LSVD, führe erstmals die Kategorie „biologisches Geschlecht“ im Abstammungsrecht ein.
Der Verband kritisiert: „Eltern, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, sollen mit dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht in das Geburtenregister eingetragen werden. Ein Bezug auf ein ,biologisches' Geschlecht widerspricht dem Geschlechtsverständnis des Bundesverfassungsgerichts, das festgestellt hat, dass das Geschlecht einer Person ganz wesentlich von dem von ihr selbst empfundenen Geschlecht abhängt. Auch das jüngst verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz hat Selbst- statt Fremdbestimmung versprochen.”
Reform im Familienrecht: Besprechung für 25. Oktober geplant
In der Reform sind zudem Neuerungen beim Kindesunterhalt geplant. In Buschmanns Entwurf zum Kindschaftsrecht heißt es außerdem, dass festgestellte häusliche Gewalt in einem Umgangsverfahren zwingend berücksichtigt und der Kinderschutz gestärkt werden solle. Eine weitere geplante Neuerung betrifft unbegleitete minderjährige Ausländer. Hier soll das „Ruhen der elterlichen Sorge“ in der Regel angenommen werden. Dadurch kann für diese Kinder rascher ein Vormund bestimmt werden.
Hier lesen: Was steckt hinter dem Selbstbestimmungsgesetz? Alle wichtigen Fragen und Antworten
Buschmann wollte seine drei Entwürfe für die Reform zu Kindschaftsrecht, Abstammungsrecht und Unterhalt eigentlich schon in diesem Herbst ins Kabinett bringen. Doch innerhalb der Ampel sehen einige noch Abstimmungsbedarf.
Wohl um etwas Dynamik in den Prozess zu bringen, hat das Justizministerium jetzt Vertreter der Landesjustizverwaltungen für den 25. Oktober zu einer Besprechung eingeladen. Zusammen mit der von Staatssekretärin Angelika Schlunck verschickten Einladung wurden auch die Entwürfe versandt. (jba, mit dpa)