Über einen Monat lang tobt der Krieg in der Ukraine bereits und die Kämpfe dauern unvermittelt an. Am Dienstag (29. März) treffen sich russische und ukrainische Delegationen abermals, um in Istanbul zu verhandeln. Laut einem Medienbericht soll Russland erstmals wichtige Forderungen zurückgezogen haben.
Ist endlich eine Wende in Sicht?Durchgesickert: Russland zieht erstmals wichtige Forderungen zurück
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versucht sich erneut als Vermittler in diesem Krieg. Das Präsidialamt in Istanbul hat 9.30 Uhr als die Zeit für den Gesprächsbeginn am Dienstag herausgegeben. Vorher wolle Erdoğan noch einmal mit den jeweiligen Vertretern aus Moskau und Kyjiw allein sprechen, heißt es. Es ist der zweite Versuch der Türkei, einen baldigen Waffenstillstand zu erreichen.
Wird Erdoğan es schaffen, Putin davon zu überzeugen, die Waffen niederzulegen? Er selbst habe den Eindruck, es gehe in eine „positive Richtung“, sagte der Staatschef, der zu beiden Präsidenten – Selenskyj und Putin – Kontakt halte. Ein Medienbericht lässt nun ebenfalls ein wenig Hoffnung aufkeimen: Russland sei erstmals von wichtigen Forderungen abgerückt, heißt es.
Die „Financial Times“ beruft sich dabei auf mehrere Personen, die über den Verhandlungsstand informiert wurden, heißt es. Russland sei ausgerechnet von jenen Zielen abgerückt, die seit Beginn des Krieges Teil von Putins Propaganda war. Sollten diese Berichte stimmen, könnte ein Waffenstillstand womöglich schneller erreicht werden, als Beobachter das bisher angenommen haben.
Ukraine: Russland zieht erste Forderungen in Verhandlungen zurück
Vier Personen lassen in dem Medienbericht durchsickern, dass es einen ersten Entwurf eines Waffenstillstandsdokuments, in dem aber einige der bislang für Russland so wichtigen Forderungen fehlten. Russland solle in dem Dokument nicht länger daran festhalten, die Ukraine zu „entnazifizieren“ und zu „entmilitarisieren“. Auch vom Schutz der russischen Sprache in der Ukraine soll nun nicht länger die Rede sein.
Das wäre tatsächlich eine überraschende Wende im Krieg, denn Putin hat diese Forderungen immer wieder in seinen Rechtfertigungen vorgebracht. Der Vorwand, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen, ist fest verbunden mit der Behauptung, in der ukrainischen Regierung würden Nazis sitzen. Die Ukraine hat eine demokratisch gewählte Regierung, angeführt von Selenskyj. Und der ist in einer jüdischen Familie aufgewachsen. Experten werten Putins Forderung nach „Entnazifizierung“ als Vorwand, die Regierung zu stürzen und eine Marionette zu installieren.
Heißt: Wenn Russland von dieser Forderung abrückt, könnte Selenskyj im Amt bleiben. Das wäre ein Durchbruch in den Verhandlungen.
Ukraine: Skepsis gegenüber Putin – wie ernst meint er es mit Verhandlungen?
Ob sich die Informationen bewahrheiten, bleibt abzuwarten. Einige Politikerinnen und Politiker, darunter auch die britische Außenministerin Liz Truss, warnten davor, Putin wolle nur zum Schein verhandeln. Die Gespräche nutze er vielmehr, um seine Truppen in der Ukraine neu zu formieren und das Militär neu zu ordnen.
Auf der anderen Seite sind die Verluste auch auf russischer Seite sehr hoch, der Widerstand der ukrainischen Bevölkerung und der Truppen ist gewaltig. Die Frontlinien stocken, es geht kaum voran für den Kreml. Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj hatte bereits angekündigt, dass sich die russische Armee künftig auf die Donbass-Region in der Ostukraine konzentrieren werde. Dabei war das erklärte Kriegsziel Russlands bislang, die gesamte Ukraine zu „entnazifizieren“. Das würde für einen Strategiewechsel sprechen und eine mögliche Annäherung bei den Verhandlungen.
Ukraine: Verhandlungen gestalteten sich bislang als äußerst schwierig
Ob die neuen Verhandlungen wirklich Ergebnisse hervorbringen werden, bleibt abzuwarten. Denn bislang gestalteten sie sich als äußerst schwierig. Kyjiw fordert einen Abzug der russischen Truppen, territoriale Integrität und Sicherheitsgarantien. Moskau will einen Nato-Verzicht der Ukraine erreichen und eine Anerkennung der abtrünnigen Separatistengebiete im Osten als eigene Staaten. Der Kreml fordert zudem die Anerkennung der 2014 annektierten Halbinsel Krym als Teil Russlands.
Selenskyj wiederum gab bei einigen seiner Position nach. So beharrt er nicht länger auf einem Nato-Beitritt und erklärte er bereits, die Ukraine könne neutral sein. Im Rahmen eines Friedensabkommens könne man zudem einen Kompromiss über den Status der östlichen Donbass-Region eingehen.