„Eldorado KaDeWe“Wie geht das denn? Irritierende Szenen in neuer ARD-Serie

Hedi (Valerie Stoll, r) und Fritzi (Lia von Blarer) genießen den Augenblick in einer Szene der Folge 3 der Serie „Eldorado KaDeWe“. Die Folge läuft am 27.12.2021 um 21.45 Uhr in der ARD.

Hedi (Valerie Stoll, r) und Fritzi (Lia von Blarer) genießen den Augenblick in einer Szene der Folge 3 der Serie „Eldorado KaDeWe“. Die Folge läuft am 27. Dezember 2021 um 21.45 Uhr in der ARD.

Wer die neue, opulent und provokant gemachte ARD-Serie „Eldorado KaDeWe“ schaut, kommt aus dem Staunen nicht raus: Da werden Kulissen, Kostüme und Frisuren bis in die letzten Haarspitzen auf die 1920er Jahre gestylt - und dann sind im Hintergrund aktuelle Taxis, Busse, Werbetafeln und Häuser zu sehen.

von Philipp Meckert  (pm)

Die neue Serie über den legendären Luxus-Tempel „Kaufhaus des Westens“ (KaDeWe) spielt zwischen den Alpträumen der Weltkriegsveteranen, dem Glamour der Goldenen 20er, den Exzessen im brodelnden Berliner Nachtleben und natürlich in der revolutionären neuen Einkaufswelt nach amerikanischem Vorbild.

Alles aus der Sicht einer hübschen Verkäuferin, die beruflich nach und nach den KaDeWe-Kosmos erobert, sich privat für ein paar Zigaretten, Pralinen und Reichsmark prostituiert, aber dann mit der Tochter des Kaufhaus-Direktors eine knisternde Affäre anfängt.

„Eldorado KaDeWe“: Neue ARD-Serie irritiert mit modernen Szenen

„Stadt der Frauen“ heißt auch die erste Folge, in der es um lesbische Liebe und die Welt homosexueller Mädels geht. Ein etwas ungewöhnliches Thema für eine ARD-Primetime-Serie, die ab 27. Dezember um 20.15 Uhr startet. Ebenso ungewöhnlich, dass das Erste alle sechs Folgen hintereinander bringt - bis nach 1 Uhr nachts.

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Wirklich exotisch und neuartig für eine historische Serie ist jedoch das, was im Hintergrund passiert: Hauptdarstellerin Hedi (Valerie Stoll) verlässt auf dem Weg zur Arbeit ihre schmuddelige Hinterhofwohnung und läuft neben einem klapprigen Pferdegespann an Autos vorbei, die es eigentlich erst 100 Jahre später gibt.

„Eldorado KaDeWe“: Regisseurin äußert sich zu modernen Szenen

Filmfehler? Nein, beim Gang aus dem U-Bahnhof Wittenbergplatz baut sich vor ihr das imposante Kaufhaus auf - und im Hintergrund ist vor der (1943 durch einen Luftangriff schwer beschädigten) Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Waldorf Astoria-Hotelhochhaus zu sehen - 2013 eröffnet. Beim Gang ins Kaufhaus läuft Hedi dann an Touristen vorbei, die staunend an der Currywurstbude stehen.

Fehlte das Geld für echte oder digitale Kulissen? Oder will die Serie hier mit einen Kunstgriff zum Nachdenken anregen?

Regisseurin und Drehbuchautorin Julia von Heinz sagt dazu: „Ich hatte in diesem Fall kein Interesse daran, möglichst genau die 1920er Jahre zu reproduzieren. Stattdessen habe ich mich gefragt, warum ich, bei aller Krisenhaftigkeit unserer Gegenwart, überhaupt in die Vergangenheit schaue und dort nach einem Stoff suche.“

ARD: „Eldorado KaDeWe“ greift moderne Themen auf

Julia von Heinz habe interessiert, was die 1920er Jahre mit den 2020er Jahren gemeinsam hätten: Etwa die Themen Antisemitismus, LGBTQIA- und Frauenrechte, Obdachlosigkeit und eine fragile Demokratie.

„Dies wollte ich visuell zum Ausdruck bringen, indem ich die Zeitebenen verschwimmen lasse, historische Handlung in ein Berlin von heute lege, Außenmotive gegenwärtig erzähle und mit Transitzonen in Innenhöfen und Unterführungen fast unmerklich von einer Zeitzone in die nächste übergehe.“

Auch Produzentin Alicia Remirez ist überzeugt: „Das Gegenwartskonzept ist aufregend zu sehen und eine Erfrischung für unseren Geist.“ Klar ist: Preiswerter als umfangreiche Absperrungen und Umbauten ist dieser Kunstgriff allemal.