Live zugeschaltet vom Parteitag der Grünen hat Kanzlerkandidat Robert Habeck die Unions-Anträge zur Asylrechtsverschärfung als „Wahlkampf auf dem Rücken der Verfassung“ bezeichnet. Mit „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni geriet Habeck kurz aneinander.
ARD-„Tagesthemen“Habeck streitet mit Zamperoni – dann wird er drastisch: „das ist Erpressung mit der AfD“
Im Interview mit den ARD-“Tagesthemen“ hat Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck die Union eindringlich gewarnt, ihre geplanten Anträge zur Verschärfung der Asylregeln in den Bundestag einzubringen. „Die Anträge sind in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig.“ Man könne nicht „sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern. Das wäre das Ende des Rechtsstaats“, begründete Habeck die Haltung der Grünen, gegen die Anträge zu stimmen.
Nach der Messerattacke eines Geflüchteten in Aschaffenburg hatte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz verschiedene migrationspolitische Maßnahmen gefordert, darunter dauerhafte Grenzkontrollen, die Abweisung von Asylsuchenden und die Inhaftierung von Ausreisepflichtigen.
Merz „muss sich an das erinnern, was er gesagt hat, und nicht das gegebene Wort brechen“
Um eine Mehrheit für die Anträge im Bundestag zu bekommen, will Merz auch Stimmen der AfD akzeptieren. Im ZDF sagte der CDU-Chef: „Wir machen in der Unionsfraktion das, was wir in der Sache für richtig halten. Und wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu.“
Für Robert Habeck wäre ein solcher Vorgang ein „demokratischer Tabubruch“, wie er in der ARD-Schalte gegenüber Moderotor Ingo Zamperoni ausführe. Den Anti-AfD-Passus des Antrags bezeichnete der Vizekanzler als „rhetorischen Vorspann, der taktisch reingeschrieben wurde, wahrscheinlich weil die Union merkt, was für ein gefährliches Spiel sie da angefangen hat“.
Habeck erinnerte daran, dass Friedrich Merz selbst nach dem Bruch der Ampel-Koalition vorgeschlagen habe, bis zur Neuwahl keine Anträge einzubringen, deren Mehrheitsfähigkeit von der AfD abhängig wäre. „Er muss sich an das erinnern, was er gesagt hat, und nicht das gegebene Wort brechen“, forderte der Grünen-Politiker. „Das wäre historisch falsch.“
Den Messerangriff von Aschaffenburg bezeichnet Habeck als „perverses Verbrechen“, man müsse solche Gewalttaten, härter und schärfer bekämpfen. Etwa über das Erstellen von Täterprofilen, Datenabgleiche und verbesserte Zusammenarbeit der Behörden. Das allerdings beantrage die Union nicht.
Habeck wirft Union „Wahlkampf auf dem Rücken der Verfassung“ vor
„Tagesthemen“-Anchor Zamperoni wandte ein, das Thema Migration brenne den Menschen auf den Nägeln. „Wenn Sie sagen, es gibt rechtliche Bedenken: Ist das Signal nicht auch das Entscheidende?“, wollte der Moderator wissen. „Entschuldigung, Herr Zamperoni, wenn wir sagen, es ist egal, was in der Verfassung steht ...“, reagierte Robert Habeck auf den Einwand verständnislos. „Sie wollen es doch auch verschärfen. Wenn das das ist, was die Wählerinnen und Wähler und wollen ...“, versuchte es Zamperoni erneut.
Habeck bekräftigte: „Wir müssen den Vollzug besser hinbekommen“ und „schneller im Verfahren werden“. Natürlich wolle er die Sicherheit in Deutschland erhöhen, und zwar durch konkrete Sofortmaßnahmen. Denn: „Das ist ja nicht akzeptabel, was hier passiert.“ Was allerdings die Union betreibe, sei „Wahlkampf auf dem Rücken der Verfassung“.
Habeck appelliert an Merz: „Er sollte es nicht tun, wirklich“
Ingo Zamperoni erinnerte den vom Grünen-Parteitag zugeschalteten Gast an viele ähnlich klingende Forderungen aus der Vergangenheit: „Nach all den Anschlägen, Herr Habeck, nach Aschaffenburg, nach Solingen, hört man immer: 'Wir müssen schneller abschieben, wir müssen härter durchgreifen.' Warum klappt das dann nicht?“
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Habeck erwiderte: „Es klappt ja, es passiert ja. Es kommen weniger Menschen nach Deutschland, es gab eine Reihe von rechtlichen Verschärfungen. Es hätte noch mehr geben können, wenn die Union mitgemacht hätte.“ Eine Vereinfachung des digitalen Abgleichs biometrischer Daten zwischen den Behörden hätte die Union im Bundesrat scheitern lassen.
An Friedrich Merz gerichtet sagte Habeck zuletzt: „Er sollte es nicht tun, wirklich. Man sollte zurückrudern, man sollte es nicht zur Abstimmung bringen. Man sollte sehen, dass die demokratischen Parteien gemeinsam in den Dialog eintreten. Aber nicht so. Das ist Erpressung mit der AfD gegen die Demokratie.“ (tsch)