„Ehrlich?“Holocaust-Überlebende spricht über bedrückendes Erlebnis beim Arzt, ZDF-Moderator entsetzt

„Wir Juden haben wieder Angst“, sagte die Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf in einer „heute journal“-Sonderausgabe zum 80. Jahrestag der KZ-Befreiung. An die deutsche Gesellschaft, speziell die Jugend, richtete sie einen dringlichen Appell.

80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz begrüßte Moderator Christian Sievers die ZDF-Zuschauerinnen und -Zuschauer am Montagabend zu einer besonderen „heute journal“-Ausgabe. Auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers sprach Sievers unter anderem mit der Holocaust-Überlebenden Eva Umlauf.

„Für mich ist Auschwitz der größte Friedhof der Welt“, sagte die heute 82-Jährige an dem Ort, an dem sie einst fast an den Folgen einer Tuberkuloseerkrankung gestorben wäre. „Es liegen hier über eine Million Menschen, das heißt, die Asche von diesen Menschen“, beschrieb Umlauf ihre Gefühlslage zum Gedenktag. „Das bedeutet für mich, dass ich einen Platz habe, wo man auch trauern kann, wo man weiß, dass auch meine Verwandten hier liegen.“

Eva Umlauf wird von Unwissenden auf ihre KZ-Nummer angesprochen

Eva Umlauf wurde als Kleinkind mit ihrer Mutter nach Auschwitz deportiert. Über 230.000 Kinder waren in Auschwitz, überlebt haben nur 750. Eva Umlauf war zwei Jahre alt, als sie befreit wurde.

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In den 60er-Jahren zog sie aus der Tschechoslowakei nach München, wo sie als Kinderärztin und Psychotherapeutin arbeitete. An die Zeit in Auschwitz hat sie keine bewusste Erinnerung. Heute macht sich die Mutter dreier Kinder unter anderem mit Vorträgen gegen das Vergessen stark.

Die Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf sprach im ZDF zum 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers. (Bild: ZDF)

Die Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf sprach im ZDF zum 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers.

Ein Engagement, das dringend nötig sei, wie sie im „heute journal“-Interview bekräftigte: „Ich glaube, die jungen Menschen wissen nicht genug über Auschwitz.“ In Gymnasien würde viel Wissen über den Holocaust im Geschichtsunterricht und bei Besuchen von Gedenkstätten vermittelt. Kinder, die jedoch auf die Realschule oder die Mittelschule gehen, hätten in ihrer Beobachtung oft „viel weniger Kenntnisse“.

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Sie selbst erlebe es etwa beim Arzt, dass junge Menschen sie auf ihre tätowierte Häftlingsnummer ansprächen: „Was haben Sie sich da auf den Arm geschmiert?“, bekomme sie dann zu hören. Christian Sievers reagierte im Gespräch entsetzt: „Ehrlich? Wie reagieren Sie dann?“ Umlauf erwiderte: „Je nachdem, wie es mir geht. Wenn es mir nicht gut geht, sage ich, es wäre eine Telefonnummer, die ich mir nicht merken kann. Wenn ich selber krank bin, mache ich keinen Vortrag über Auschwitz.“

„Wir Juden haben wieder Angst“

Mit Sorge blickt die Shoah-Überlebende auf den auch in Deutschland wieder aufkeimenden Antisemitismus: „Wir Juden haben wieder Angst, aber eine Angst, die wir auch zeigen“, sagte sie. Ihre Wochenzeitung, die „Jüdische Allgemeine“, werde inzwischen im Couvert zugestellt, „damit die Nachbarn nicht wissen, dass wir Juden sind“. Auch habe sie inzwischen Angst, in der Öffentlichkeit Davidstern oder Kippa zu tragen. „Ich hätte nie gedacht, dass das noch mal kommt.“

Befragt nach einem Appell an die deutsche Gesellschaft entgegnete Eva Umlauf: Antisemitische Straftaten müsse man „ernsthaft bestrafen“. Daneben müsse man die Menschen aufklären, speziell Studenten und die Jugend. Die müsse sich bewusst sein, welche Tragweite etwa ihre Entscheidung bei Wahlen habe: „Wir haben genügend demokratische Parteien, wo sie ihr Kreuz hinmachen können.“ (tsch)