mayrit illnerNach Wahlkampf-Ausage von Lars Klingbeil – Journalistin findet klare Worte: „das Niveau einer Sandkiste“

Entlastungen für Verbraucher und Wirtschaft: Darin sind sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen einig. Bei „Illner“ geht es darum, wie sinnvoll, aber auch wie realistisch das ist.

Beleidigungen und gegenseitige Vorwürfe: Der Wahlkampf hat begonnen und findet bislang zu einem großen Teil auf einer persönlichen Ebene statt. Inhalte stehen dabei eher im Hintergrund. „Ist das Lieblingswort von Olaf Scholz immer noch 'Respekt'?“, will Maybrit Illner deshalb eingangs in ihrer Sendung von Lars Klingbeil wissen – und spielt dabei auf eine Verbalattacke des Bundeskanzlers an, der gegen den Oppostionschef gespottet hatte: „Fritze Merz erzählt gern Tünkram.“

Während SPD-Chef Klingbeil den Vorfall als „vertretbar“ relativierte und gestand, dass er erst einmal die Bedeutung des Wortes googeln musste, fand die stellvertretende Chefredakteurin von Table Media, Helene Bubrowski, klare Worte: „Die gegenseitigen Schuldzuschiebungen haben das Niveau einer Sandkiste.“

„Illner“: Das sind die Wahlversprechen der Parteien

Die Autorin und Juristin Juli Zeh ist auch SPD-Mitglied und glaubt, dass „jetzt alle Dampf“ abgelassen haben und „sich künftig benehmen“. Klingbeil stimmt ihr zu. Er ist sich sicher: „Jetzt geht es darum, wer das beste Angebot macht und wie das finanziert wird.“ Anders sieht das der Unionsfraktionsvize und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: „Wir haben in diesem Wahlkampf noch sehr viel an Behauptungen und gegenseitigen Vorwürfen zu erwarten“, sagt er.

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Wenn es dieser Tage im Wahlkampf tatsächlich mal um Inhalte geht, dann geht es ums Geld – um Wahlversprechen in Milliardenhöhe. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat anhand der Wahlprogramme nachgerechnet, wie teuer diese am Ende sein werden.

Die Entlastungsvorschläge der Union belaufen sich demnach auf 89 Milliarden Euro pro Jahr. Sie will die Einkommensteuer senken, den Soli abschaffen und Unternehmen bei der Körperschaftsteuer entlasten. Bezahlt werden soll das alleine durch Wirtschaftswachstum.

Ähnlich sieht es bei der FDP aus. Die will Mittelschicht und Topverdiener sogar um 138 Milliarden Euro entlasten – und zwar durch Abschaffung des Solis, Abschaffung der kalten Progression bei der Einkommensteuer und einer Senkung der Steuerbelastung für Unternehmen auf unter 25 Prozent. Finanziert ebenfalls nur durch Wirtschaftswachstum.

SPD und Grüne hingegen wollen die Gelder aus einem Deutschlandfonds und einer Reform der Schuldenbremse holen. Die SPD geht mit einem Entlastungsversprechen von 30 Milliarden Euro in den Wahlkampf – unter anderem für eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent, die Erhöhung des Mindestlohns und einer Investitionsprämie für Unternehmen. Die Grünen wollen vor allem bei den Energiekosten entlasten, ein Klimageld einführen und einen Azubiführerschein.

Journalistin: „Kein Unternehmen würde so durchkommen“

„Es ist erstaunlich, dass alle entlasten wollen, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Ampel an zu wenig Geld gescheitert ist“, sagt Helene Bubrowski. Dass FDP und Union für die Finanzierung auf einen Wirtschaftsaufschwung hoffen, nennt die Journalistin „sehr unseriös“. „Kein Unternehmen würde mit so einem Business-Case durchkommen“, so Bubrowski. „Das gibt mir ein sehr ungutes Gefühl, das kann man so nicht machen.“

Sie meint, dass die größte Angst bei Grünen, SPD und Union derzeit sei, „als Partei der sozialen Kälte wahrgenommen zu werden“ und das der Grund für die Versprechen in Form von Entlastungen sei. „Meine große Sorge ist, dass die Wende, die das Land braucht, nicht ohne Zumutungen geht und deshalb muss darüber diskutiert werden, wer die tragen kann“, so die stellvertretende Chefredakteurin von „Table Media“. Diesbezüglich finde sie den derzeitigen Diskurs unehrlich.

Dobrindt stänkert gegen Banaszak: „Darum funktioniert es mit uns nicht“

So wirklich ehrlich wird der Diskurs diesbezüglich auch an diesem Abend nicht. SPD-Parteichef Klingbeil erklärt, dass seine Partei künftig Menschen mit sehr hohem Vermögen und Menschen, die sehr viel verdienen, „in die Verantwortung heben“ will und bewirbt den Deutschlandfond und die Reform der Schuldenbremse.

Unionsfraktionsvize Dobrindt machte indes klar, dass man „die Trümmer“, auf denen die Ampel versuche, „ihre Restpolitik zu organisieren, nicht zusammenkitten könne“. Man werde dort, wo „Möglichkeiten“ und „kluge Konzepte“ bestehen, gemeinsam etwas mit der Rest-Ampel machen. Aber bei der Reduzierung der Energiepreise etwa habe er noch kein einigungsfähiges Konzept gesehen, „mit dem man das machen könnte“.

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Den Rest der Sendung bleibt er in seiner Rolle und meckert abwechselnd über die Grünen und die Ampel. Als er sich in einer Diskussion über die Rückabwicklung des Heizungsgesetzes und anderer Beschlüsse der Ampel mit Grünen-Parteivorsitzendem Felix Banaszak uneinig ist, sagt Dobrindt beispielsweise: „Darum funktioniert es mit uns nicht.“

Und Banaszak, der CDU und CSU „viel Spaß bei der Suche nach irgendwem“ wünsche, der einfach wieder alles abschaffen wolle, macht das, was Bubrowski kritisiert hat. Er stellt die Entlastungen in den Vordergrund, positioniert die Partei als Gerechtigkeitspartei und Klimaschutz als Gerechtigkeitsthema. Doch über die konkrete Finanzierung fernab der Buzzwords Schuldenbremsenreform und Deutschlandfonds spricht auch er nicht. (tsch)