Mit neuen Beschlüssen vom Bund-Länder-Treffen versucht die Bundesregierung, die drohende vierte Corona-Welle abzuschwächen. Bei „maischberger. die woche“ wurden die Ergebnisse diskutiert.
Klartext bei „Maischberger“Lauterbach nimmt vielen vor Corona-Herbst den Wind aus den Segeln
Berlin. Am Dienstag haben die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Die daraus entstandenen Beschlüsse werden seither von vielen Seiten diskutiert.
Auch in der ARD-Talkshow „maischberger. die woche“ unter der Moderation von Sandra Maischberger waren sich nicht alle einig. Unter den im Studio anwesenden Journalistinnen und Journalisten Kristina Dunz (stellvertretende Leiterin Parlamentsbüro des Redaktionsnetzwerks Deutschland), Cherno Jobatey (TV-Moderator) und Paul Ronzheimer (stellvertretender Chefredakteur „Bild“) kam es teils zu heftigen Diskussionen.
Corona-Talk bei „maischberger“: Impfpflicht durch die Hintertür?
„Ich finde die Rhetorik mittlerweile ein Riesenproblem“, kritisierte Ronzheimer gleich zu Beginn: Am Anfang der Pandemie habe die Politik eine Impfpflicht vehement ausgeschlossen. „Und jetzt führt man diese Impfpflicht durch die Hintertür ein“, fuhr er fort und fragte anschließend in die Runde: „Warum stimmen wir nicht im Bundestag über eine Impfpflicht ab?“ Dort nämlich gehöre das Thema, seiner Meinung nach hin.
Dass das Thema Impfpflicht in Zukunft nochmal auf den Tisch kommen wird, glaubt auch Cherno Jobatey. Der Staat habe grundsätzlich eine Schutzpflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Im Moment würden die Politiker versuchen, „sich irgendwie rumzumogeln“. Aber nach der Bundestagswahl wird es, seiner Einschätzung nach „zur Sache gehen“. Immerhin: „Bei den großen Seuchen der Vergangenheit, wie Polio oder Pocken, gab es auch Impfpflichten“, erinnerte er.
„Die Inzidenz ist nach wie vor der wichtigste Wert“
Doch es war nicht nur die Impfpflicht, die in der Eröffnungsrunde vom Panel diskutiert wurde. Auch die Tatsache, dass die Inzidenz künftig nicht mehr als einziger Indikator für die Bewertung der Pandemie herhalten sollte, wurde thematisiert. „Auch die Hospitalisierung und die Impfquote sollen berücksichtigt werden, heißt es im Beschluss“, erklärt Kristina Dunz und kritisiert: „Aber darin steht nicht, dass sie einbezogen werden.“
An dieser Stelle kam erstmals der zum Einzelinterview geladene SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zu Wort: „Die Inzidenz ist nach wie vor der wichtigste Wert, weil man an ihr ablesen kann, wie viele Menschen in Kürze krank sein werden“, verteidigte er. Ein Ende aller Schutzmaßnahme sieht er noch lange nicht: Man habe immer gesagt, sobald 70 bis 80 Prozent geimpft seien, könnten nach und nach alle Schutzmaßnahmen fallen.
Lauterbach nimmt in puncto Herdenimmunität Wind aus den Segeln
Doch dank Delta sei dies nun aber nicht der Fall, so Lauterbach. „Die Delta-Variante ist so ansteckend, dass wir realistischerweise gar keine Herdenimmunität jemals noch erreichen können.“ Bereits in anderthalb Jahren werde es nur noch zwei Gruppen von Menschen geben: „Geimpfte und hoffentlich Genesen, aber auf jeden Fall Infizierte.“
Der Politiker prophezeite: „Die Ungeimpften werden sich in den nächsten anderthalb Jahren – einschließlich unserer Kinder – alle anstecken.“
Außerdem betonte er, dass Geimpfte genauso ansteckend wie die Ungeimpften seien. Lediglich das Risiko, sich als vollgeimpfte Person überhaupt zu infizieren, sei deutlich geringer als bei den Ungeimpften. Für eine generelle Impfpflicht ist Karl Lauterbach allerdings nicht: Diese könne nur durchgesetzt werden, wenn es „überragende Gründe“ dafür gebe. Dies sei in der aktuellen Lage nicht der Fall. (tsch)