„Markus Lanz“Sport sorgt bei Moderator für „Gänsehaut und Pipi in den Augen“

Mit 49 Medaillen belegte das deutsche Team bei den Paralympischen Spielen in Paris den 11. Rang. Nicht nur die sportlichen Erfolge sorgten bei Markus Lanz für „Gänsehaut und Pipi in den Augen“. Die Erzählungen der Para-Athleten Edina Müller, Josia Topf und Markus Rehm gingen unter die Haut.

„Mit Josia Topf zu sprechen geht nicht, ohne darüber zu sprechen, was neben ihm auf dem Tisch liegt“, Markus Lanz machte in seiner Talk-Show am Mittwochabend aus seiner Bewunderung für den Para-Schwimmer keinen Hehl: Gold, Silber, Bronze - Topf hatte bei den Sommer-Paralympics in Frankreich das gesamte Medaillen-Paket gewonnen. „Warum nicht, kann man ja mal machen“, kommentierte Lanz die Erfolge des Sportlers.

Anders als die ebenfalls anwesende Para-Kanutin Edina Müller und Para-Weitspringer Markus Rehm, die beide im Alter von 16 und 14 Jahren durch Unfälle beeinträchtigt wurden, kam Topf bereits mit seinen Einschränkungen zur Welt: „Zwei kurze Arme, zwei steife Beine“, so fasste er diese kurz zusammen. Da das rechte Bein kürzer ist, passt sich ein „Roboterfuß“ dem Untergrund an und sorgt für immer gleiches Laufgefühl. Er wäre zwar auf Hilfe angewiesen, „geht nicht, gibt's nicht ist aber auch mein Lebensmotto“, betonte er. Und dafür ginge er auch „mit dem Kopf durch die Wand“.

Josia Topf: „Wahrscheinlich habe ich ein höheres Risiko für Demenz“

„Mit dem Kopf durch die Wand“, so heißt auch eine Dokumentation“ über Topf, die seit Mai 2023 in der ZDF-Mediathek zu sehen ist. Darin wird nicht nur die besondere Schwimmtechnik des Para-Sportlers gezeigt, die erst vor drei Jahren - nach langem Experimentieren - gefunden wurde.

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„Die Sache mit dem Kopf - dass Sie hart mit dem Kopf an die Wand anschlagen, ist das nicht schmerzhaft bei der Geschwindigkeit?“, bezog sich der Moderator auf die Tatsache, dass Para-Schwimmer statt mit zwei Händen gleichzeitig auf diese Weise anschlagen. „Ja, es ist ungebremst, du knallst voller Wucht gegen die Wand. Am Rücken ist es noch schlimmer, weil du nicht weißt, wann die Wand kommt“, versuchte der Sportler erst gar nicht, die Sache zu beschönigen.

„Was gezeigt wird, wird geguckt“: Para-Kanutin Edina Müller wünscht sich mehr Behindertensport im Fernsehen. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

„Was gezeigt wird, wird geguckt“: Para-Kanutin Edina Müller wünscht sich mehr Behindertensport im Fernsehen.

„Gesund ist das nicht, nein“, wusste Lanz nicht so recht, wie er mit dieser Aussage umgehen sollte. „Nein“, bestätigte Topf. Eine Studie durch Prof. Dr. Ulrich Heimlich von der Ludwig-Maximilians-Universität in München hätte gezeigt, dass der Kopfanschlag seine kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigte. „Die Langzeitfolgen sind unklar. Wahrscheinlich habe ich ein höheres Risiko für Demenz und andere Krankheiten“, ergänzte der Para-Schwimmer.

Das sei aber kein spezifisches Josia-Topf-Problem, stellte er klar: „Menschen, die keine Arme, aber gesunde Beine haben, kommen noch schneller an die Wand.“ Dabei wäre das Problem nicht unlösbar: Eine Badekappe mit einer 0,7 bis 1 cm dicken Einlage könnte den Aufprall mindern und den Kopf schonen. Doch in seinem Sport wäre „alles verboten, was künstlich größer macht.“

Auch Paralympics-Weitsprung-Gewinner Markus Rehm wünscht sich mehr Sichtbarkeit für Behindertensporler: „Man kann nur Leuten mitfiebern, die man kennt.“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Auch Paralympics-Weitsprung-Gewinner Markus Rehm wünscht sich mehr Sichtbarkeit für Behindertensportler: „Man kann nur Leuten mitfiebern, die man kennt.“

„Kann man da nicht was machen?“, konnte das auch Para-Leichtathlet Markus Rehm kaum fassen. „Ich bin Handwerker, das kann nicht so schwer sein“, war der Orthopädietechniker überzeugt und meinte zu Topf: „Wir müssen da noch reden.“

Markus Rehm: „Man kann nur Leuten mitfiebern, die man kennt!“

Die Reaktion passt zur Einstellung des Ausnahme-Leichtathleten, der in Paris bereits seine vierte paralympische Goldmedaille im Weitsprung gewinnen konnte: „Einfach machen: Losgehen, ausprobieren, nicht überlegen, ob etwas möglich ist oder nicht“, richtete er seine Botschaft an andere Menschen, die wie er mit einer Beeinträchtigung leben.

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Dafür bräuchten Para-Sportler aber mehr Sichtbarkeit, denn: „Man kann nur Leuten mitfiebern, die man kennt“, betonte er, „wenn man Menschen in ähnlicher Situation zeigt, was möglich ist.“ Es ginge nicht darum, Medaillen zu gewinnen, sondern ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dass die Paralympischen Spiele in Paris erstmals in der Prime-Time im Fernsehen ausgestrahlt wurden, wertete er als Zeichen für einen gehobenen Stellenwert von Para-Sport im Allgemeinen: „Ich habe unfassbar viele Nachrichten von Menschen, die auch die Eröffnungsfeier bis zum Ende live angeguckt haben“, freute er sich über die Ausstrahlung der Wettkämpfe in ARD und ZDF.

Am Mittwochabend sprach Markus Lanz (links) mit Schwimmer Josia Topf (zweiter von links), Para-Kanutin Edina Müller (zweite von rechts) und Weitspringer Markus Rehm über die Paralympics und Behindertensport. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Am Mittwochabend sprach Markus Lanz (links) mit Schwimmer Josia Topf (zweiter von links), Para-Kanutin Edina Müller (zweite von rechts) und Weitspringer Markus Rehm über die Paralympics und Behindertensport.

„TV kann steuern“, plädierte auch die paralympische Bronzemedaillen-Gewinnerin und Para-Kanutin Edina Müller für mehr Sichtbarkeit. Im Kanu-Sport würden die Wettkämpfe von Kanuten und Para-Kanuten zur selben Zeit ausgetragen, somit wäre es „einfach, uns medial mitzunehmen.“

Das fände aber gerade in den Jahren zwischen den paralympischen Spielen nicht statt: „Über Kanuten wird berichtet, aber wir werden nicht einmal mit einem Wort erwähnt“, hoffte Müller auf eine Änderung, denn der „Para-Sport braucht Sichtbarkeit.“ Das Argument, Fußball wäre gewünscht und würde deshalb ausgestrahlt, ließ sie nicht gelten: „Es ist auch anerzogen: Was gezeigt wird, wird geguckt.“

Para-Kanutin Müller: „Inklusion ist möglich“

Auch wenn Müller bei den Sommer-Paralympics in London 2012 als „Wendepunkt“ sah, machten sie und ihre Athleten-Kollegen weiteren Aufklärungs- und Erziehungsbedarf aus. Vieles passiere noch immer aus Angst oder Unwissenheit: Wenn nicht-eingeschränkte Menschen ihre Autos auf Behindertenparkplätze stellen, „kann ich nicht am Leben teilnehmen“, brachte Topf ein eindrückliches Beispiel: „Ich bin ein Mensch, der mit Einschränkungen auf die Welt kommt, aber behindert werde ich.“

Man müsste den Menschen die Angst nehmen und offen aufeinander zugehen, plädierte auch Müller. „Inklusion ist möglich und kann so einfach sein“, nannte sie die deutschen Kanu-Meisterschaften als Beweis dafür. Dort säßen in einem Wettbewerb ein Kanute und ein Parakanute im selben Boot. Buchstäblich. (tsch)