Bei „Markus Lanz“SPD-Frau kreidet Asyldilemma der Union an, Moderator  reagiert sauer: „Macht die Leute wahnsinnig!“

Bei „Markus Lanz“ appellierte am Donnerstag der Hinterbliebene eines Anschlagsopfers eindringlich an die Politik: „Fangt an, unsere Kinder zu schützen!“ SPD-Politikerin Klara Geywitz ließ vielversprechende Ansätze in der Migrationspolitik aber vermissen - und brachte stattdessen Markus Lanz auf die Palme.

Es war eine einfache Frage. Ob denn ein zweiter Abschiebefllug nach Afghanistan kurz vor der Bundestagswahl anstünde, wollte Moderator Markus Lanz von Klara Geywitz (SPD) wissen. Ein paar Minuten zuvor hatte sie die Frage im ZDF-Polittalk am Donnerstagabend noch ignoriert. Jetzt konnte sie offenbar nicht mehr ausweichen: „Sollen wir ihn nach hinten verschieben, weil jetzt Bundestagswahl ist?“, konterte sie schnippisch und hatte damit – wenn auch unfreiwillig – die Lacher auf ihrer Seite.

„Sie sind jetzt gereizt, ich verstehe das, Frau Geywitz und es ist auch gar nicht Ihr Ressort“, lenkte Lanz ein. Locker ließ er aber nicht: „Aber Sie sitzen auch hier als SPD-Parteivize.“ Unbeeindruckt konterte die 48-Jährige: „Ich konnte mir schon vorstellen, dass es nicht um Baupolitik geht.“

Hinterbliebener von Anschlagsopfer klagt Politik an: „Da müssen sich viele Leute schämen“

Tatsächlich hatte Markus Lanz die SPD-Politikerin eingeladen, um gemeinsam mit der Journalistin Kerstin Münstermann (“Rheinische Post“) und Migrationsforscher Gerald Knaus das Thema Migration „aus verschiedenen Perspektiven“ zu betrachten.

Alles zum Thema Markus Lanz

Ebenfalls zu Gast war Michael Kyrath, dessen Tochter und deren Freund vor knapp zwei Jahren in einem Zug in Brokstedt durch einen Palästinenser ermordet wurden. Spätestens das Attentat von Aschaffenburg und die jüngst von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz durchgedrückte Asyl-Abstimmung im Bundestag - mithilfe von Stimmen der AfD – ließen die Asyldebatte ins Zentrum des Bundestagswahlkampfs rücken.

„Warum schieben wir nicht ab?“, blieb Lanz bei der SPD-Politikerin hartnäckig. Abschiebungen seien aufgrund der Rechtslage in der Vergangenheit schwer zu organisieren gewesen, holte die SPD-Politikerin aus. So habe Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Befugnisse der Behörden bei der Suche nach abzuschiebenden Asylbewerber erweitert. „Das war die Situation, die Horst Seehofer als Innenminister hinterlassen hatte“, meinte sie, wurde aber jäh unterbrochen: „Ne, ne, Frau Geywitz, sind Sie mir nicht böse, das macht die Leute wahnsinnig, diese Parteipolitik“, platzte Lanz der Kragen, „Sie weisen jetzt zum zweiten Mal auf Horst Seehofer hin.“

Zwar fühlte sich Geywitz zu Unrecht angegriffen, doch Lanz kannte kein Erbarmen: „Entschuldigen Sie, Sie waren vorher Teil der großen Koalition.“ Diesen Einwurf ignorierte Geywitz und fuhr fort, die Maßnahmen der Ampel-Regierung aufzulisten. Sehr zum Unverständnis von Lanz, der sich demonstrativ mit beiden Händen an die Stirn fasste.

Auch Michael Kyrath konnte die Rhetorik der SPD-Politikerin nicht beeindrucken: „Ich gönne Ihnen, dass Sie im Wahlkampf sind und ständig drauf hinweisen, was CDU falsch und Sie richtig gemacht haben und sich heroische Dinge auf die Fahnen schreiben wollen“, wurde es ihm zu bunt, „das bringt aber meine Tochter nicht wieder zurück - und andere auch nicht.“

Migrationsforscher attestiert Regierungspartnern „totales Versagen“

Dass viele PolitikerInnen bis heute nicht bereit wären, „Abhilfe zu schaffen, sondern weiter nach Ausflüchten suchen und alles auf die komplizierte Lage schieben“, würde er nicht mehr gelten lassen. „Da müssen sich viele Leute schämen“, hatte er dabei ganz klar die SPD-Politikerin im Visier und stellte eine klare Forderung an die Politik: „Es wird immer gesagt, die Zukunft des Landes sind unsere Kinder und dann werden unsere Kinder auf dem Altar irgendwelcher Eitelkeiten geopfert. Das passt alles nicht zusammen“, appellierte er an die Zuständigen: „Fangt an, unsere Kinder zu schützen!“

„Spätestens mit Aschaffenburg ist jetzt wirklich Schluss“, hatte Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz angekündigt, bevor er seinen Fünf-Punkte-Plan zur Abstimmung im Bundestag vorlegte, der erstmals mit den Stimmen der AfD knapp angenommen wurde. Als „Moment der Wahrheit, aber keine Sternstunde“ bezeichnete Journalistin und Leiterin des Parlamentsbüros der „Rheinischen Post“ Kerstin Münstermann den Schritt. Friedrich Merz hätte damit „Geister gerufen, die er nicht mehr loswird. Und die Gräben, die in der Ampel tief geworden sind, sind sehr groß geworden“, wies sie auf mögliche Herausforderungen hin, nach der Wahl eine Koalition zu bilden.

Man dürfte das Thema „nicht überdramatisieren“, lenkte Migrationsforscher Gerald Knaus ein. Die Pläne der CDU seien vielfach nicht umsetzbar. So würden die vorgeschlagenen Grenzkontrollen nicht nur das Ende von Schengen besiegeln, sondern seien auch „kein Beitrag, dass weniger Menschen nach Deutschland kommen“, verwies er auf Beispiele aus Frankreich, wo ähnliche Maßnahmen die Asylantragszahlen vervielfacht hätten. Dass aber „die Regierungspartner keine Vorschläge gemacht haben, ist auch ein totales Versagen“, ließ er kein gutes Haar an den Alternativen.

Hinterbliebener fordert: „Wenn das Ergebnis stimmt, ist egal, wer zugestimmt hat“

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das - so Lanz - „ein- bis zweimal pro Woche als Game-Changer präsentiert würde“, sei es laut dem Experten nicht. „Sie wollten sagen, Propaganda“, half Lanz nach. „Nein, ich wollte sagen, es ist kein Beweis für Ernsthaftigkeit“, widersprach Knaus. Schon jetzt hielten sich Staaten nicht einmal an das aktuelle Dublin-Abkommen. Dabei seien Vorschläge und Ideen zu Maßnahmen, die erstens wirksam und zweitens umsetzbar seien, wichtiger denn je: Damit „Leute sehen, man muss nicht AfD wählen, damit sich etwas ändert“.

Hier auch lesen: Wegen Abstimmung mit AfD Merkel spricht in seltenem Statement Klartext über Merz – Union verliert in Umfrage

Man brauche vernünftige Diskussionen, die sich „auf Kernthemen berufen: Wie kriegen wir dieses Land wieder auf Vordermann, wie kriegen wir die Bürger wieder in Sicherheit, dass man gefahrlos in einen Zug steigen kann, ohne erstochen zu werden“, betonte Michael Kyrath, schließlich ginge es um Menschen-, um Kinderleben.

Statt sich in Grabenkämpfe zu verstricken oder über Brandmauern zu sprechen, riet er Politikerinnen, „in sich (zu) gehen und sich einen klaren Kopf zu verschaffen, was für dieses Land vonnöten ist, was wichtig ist und sondieren lassen, was unwichtig ist“. Für ihn heiße das auch, über den eigenen Schatten zu springen und mit allen zu sprechen, lautete seine Botschaft angesichts der Abstimmung im Bundesrat: „Ob es zu einem Ergebnis führt, weiß ich nicht, aber man muss mit allen sprechen und Konsens finden. Wenn das Ergebnis stimmt, ist egal, wer zugestimmt hat.“ (tsch)