Nächster Skandal bei deutschem DiscounterLabor meldet gefährliche Keime auf Hühnerfleisch

Wie eine europaweite Untersuchung von einer Tierschutzorganisation ergab, ist das Hühnerfleisch des Discounters Lidl erschreckend häufig von Keimen befallen.

von Eva Gneisinger  (eg)

Immer wieder schockieren Berichte über die verheerenden Zustände in Hühner- und Schweinemastbetrieben. Erst im vergangenen Jahr sorgte eine Untersuchung der Albert Schweitzer Stiftung für Entsetzen: Wie die Laborergebnisse zeigten, wurden in mehr als 70 Prozent der untersuchten Hühnerfleischprodukte des Discounters Lidl multiresistente Keime gefunden.

Zurückzuführen sei dies auch auf die verheerenden Zustände in den Mastställen der Lidl-Lieferanten, wie Tierschützerinnen und -schützer argumentieren. Aufnahmen aus Hühner-Ställen aus dem Jahr 2022 zeigten, wie teils kranke Tiere auf engstem Raum zusammengepfercht und in ihren eigenen Exkrementen sitzen. Die Tiere leben unter unwürdigen Bedingungen, sind stark überzüchtet und leiden an gesundheitlichen Problemen.

Aktuelle Studie: Antibiotikaresistente Keime auf Hühnerfleisch gefunden

Nicht nur die Tierschutzorganisationen fordern seitdem von Lidl, sich mehr für den Artenschutz einzusetzen. Auch zahlreiche prominente Persönlichkeiten erhoben ihre Stimmen.

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Wie die aktuelle Studie der Albert Schweitzer Stiftung nun zeigt, hat sich seitdem nicht viel geändert: In der europaweiten Untersuchung wurde festgestellt, dass das Hühnerfleisch des Discounters besorgniserregend häufig mit antibiotikaresistenten Keimen verseucht ist.

Untersucht wurden insgesamt 142 Hühnerfleisch-Produkte von Lidl-Eigenmarken aus Selbstbedienungstheken in den fünf europäischen Ländern Deutschland, Italien, Großbritannien, Polen und Spanien.

Die Ergebnisse der Untersuchung liegen EXPRESS.de vor: Demnach waren nur zwei der 142 Proben ohne jeglichen Befund, eine davon aus Deutschland. Im Rest wurden neben antibiotikaresistenten Keimen auch Fäkalkeime, Salmonellen und Listerien auf dem Fleisch nachgewiesen.

Die Proben wurden in dem Zeitraum zwischen Dezember 2023 und März 2024 direkt aus den Selbstbedienungstheken der Lidl-Filialen entnommen und mittels eines Kühlautos direkt in ein unabhängiges Labor gefahren. In Deutschland wurden Fleischproben aus 22 willkürlich ausgewählten Lidl-Filialen in Berlin, Oldenburg, Duisburg und Koblenz untersucht, wie die Albert Schweitzer Stiftung mitteilt.

Hier siehst du die Ergebnisse der Laboruntersuchung des Discounter-Fleisches:

Das Diagramm zeigt die Krankheitserreger auf den Hühnerfleischproben von Lidl.

Das Diagramm zeigt die Krankheitserreger auf den Hühnerfleischproben von Lidl.

Wie die Ergebnisse zeigen, waren rund die Hälfte der Proben mit potenziell multiresistenten Bakterien belastet, von den deutschen Proben war circa ein Drittel belastet. Die resistenten Keime können gefährliche Infektionen hervorrufen, unter anderem Harnwegsinfektionen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen.

Fäkalkeime wie Enterokokken und Escherichia coli wurden auf 75 Prozent der Proben gefunden. Deutsches Fleisch war mit 67 Prozent überdurchschnittlich mit Enterokokken belastet.

Auf einem Viertel aller deutscher Proben wurde Listerien nachgewiesen. Eine Infektion mit dem Keim ist zwar selten, kann jedoch schwere gesundheitliche Schäden verursachen. Schwangere, Neugeborene, ältere Menschen und solche mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Infektionen bei Schwangeren können eine Fehl- oder Frühgeburt zur Folge haben.

Auf jeder zweiten Probe aus Deutschland fand das Labor zudem Campylobacter, Bakterien, die schlimme Durchfallerkrankungen auslösen können. Der Erreger ist vor allem im Kot von infizierten Tieren zu finden und wird über den Darminhalt der Tiere beim Schlachtprozess auf das Fleisch übertragen.

Keimbelastetes Fleisch: Das sagt der Discounter Lidl

Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, erhofft sich nach den erschreckenden Ergebnissen eine entsprechende Reaktion des Discounters: „Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung von Lidl-Fleisch sollten uns alle wachrütteln. Der Ball liegt jetzt bei Lidl: Es wäre verantwortungslos, einfach weiterzumachen wie bisher. Lidl muss die Ursache für die hohe Zahl antibiotikaresistenter und sonstiger Krankheitserreger auf Fleisch angehen und für eine flächendeckend bessere Hühnerhaltung bei seinen Lieferanten sorgen.“

Ziel der Stiftung ist es, dass Lidl sich der „Masthuhn-Initiative“, die von europäischen Tierschutzorganisationen ins Leben gerufen wurde, anschließt. Im Gegensatz zu dem Discounter haben sich in der Vergangenheit bereits große Supermarktketten wie Aldi, Globus und Norma zu den Forderungen der Initiative, die eine Verbesserung der Haltungsbedingungen von Geflügel beinhalten, bekannt.

Auf Anfrage des „Spiegel“ bezieht Lidl Stellung: Die strengen Kontrollen und Qualitätssicherungsmaßnahmen würden „die Verkehrssicherheit der Produkte zuverlässig sicherstellen.“ Weiter heißt es: „Bei gängiger Zubereitung von Geflügel gehe für den Verbraucher daher keinerlei Gesundheitsgefahr aus.“

Zu der Studie könne man aktuell keine Bewertung vornehmen, da Lidl „derzeit leider keine konkreten Ergebnisse aus der Untersuchung der Albert Schweitzer Stiftung vorliegen.“ Eigens definierte Lidl-interne Grenzwerte seien meist strenger als gesetzliche Vorgaben. Man verpflichte die Lieferanten zu einem „restriktiven Einsatz von Antibiotika nach Rücksprache mit einem Veterinärmediziner.“

Die Keimbelastung des Fleisches sollte von Verbraucherinnen und Verbrauchern ernst genommen werden, so Experte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Grundsätzlich sollten einige Hygieneregeln bei der Zubereitung von Hühnerfleisch beachtet werden, um das Risiko von Infektionen möglichst gering zu halten, schildert er gegenüber „Spiegel“.

So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher darauf achten, Hühnerfleisch getrennt von anderen Lebensmitteln zu lagern und zuzubereiten. Außerdem sollte es immer gut durchgebraten werden.