Steffen Baumgart im EXPRESS.de-Interview über seine Vertragsverlängerung, seine Trainer-Karriere, Anthony Modeste und die Kader-Planung des 1. FC Köln.
Noch in 10 Jahren beim FC? Baumgart: „Wenn es so sein sollte...“ – Klartext zu Modeste & Neuzugängen
Er ist und bleibt der Hoffnungsträger des 1. FC Köln. Steffen Baumgart (50) hat die Geißböcke zurück nach Europa geführt, steht nun vor seiner zweiten FC-Saison. Im EXPRESS.de-Interview spricht der Erfolgscoach unter anderem über seine Vertragsverlängerung, seine Trainer-Karriere, Anthony Modestes (33) Wechsel-Ansage und die Kader-Planung.
Steffen Baumgart, vor einem Jahr haben Sie sich den 11.11. als erstes FC-Ziel gesetzt. Wie sieht es jetzt aus?Steffen Baumgart: Wenn es wieder der 11.11. wird, dann habe ich die erste Halbserie ja ganz gut überstanden (lacht). Das war natürlich spaßig gemeint, aber wir wissen, wie schnell es im Fußball gehen kann. Mein Ziel ist es, grundsätzlich da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben – ohne zu wissen, wo wir am Ende landen. Mir ist klar, dass wir an unseren Leistungen der letzten Saison gemessen werden. Ich sehe uns da auf einem sehr guten Weg. Die Schwierigkeit ist, dass wir nicht die einzigen sind, die das vorhaben – 17 andere Bundesligisten auch.
Steffen Baumgart: „Unser Ziel ist, langfristig zusammenzuarbeiten“
Die Geschäftsführer, die Sie geholt haben, sind allesamt weg. Funktioniert der „neue“ FC?Baumgart: Seit ich hier bin, habe ich das Gefühl, dass wir immer einen Weg gegangen sind – unabhängig von den handelnden Personen. Ich habe mit allen Verantwortlichen immer positiv und konstruktiv zusammengearbeitet. Ob es Alex Wehrle oder Horst Heldt waren, die einen sehr guten Job gemacht haben. Gleiches gilt für Philipp Türoff und Christian Keller. Sie sind sehr engagiert und ich finde, dass hier alles dafür getan wird, dass der FC erfolgreich ist. Gerade das letzte Jahr hat doch gezeigt: Wenn wir alle einen Weg gehen, kann auch ein Verein wie der FC vernünftig arbeiten.
Im Zuge Ihrer Verlängerung hatte Präsident Werner Wolf mal einen unbefristeten Vertrag für Sie ins Spiel gebracht. Warum ist es am Ende nur ein Jahr geworden?Baumgart: „Nur“ ist für mich das falsche Wort. Wir haben uns damit darauf verständigt, weitere zwei Jahre zusammenzuarbeiten. Wenn es gut läuft, kann man so Jahr für Jahr weitermachen. Das Entscheidende ist doch, ob die Arbeit kurzfristig erfolgreich ist. Mit diesem Modell ist es möglich, dass wir immer wieder neu bewerten können, ob es funktioniert. Grundsätzlich ist es unser Ziel, langfristig zusammenzuarbeiten.
Spielen Laufzeiten denn überhaupt noch eine Rolle? Ihre Trainer-Kumpel Marco Rose und Florian Kohfeldt wurden entlassen, obwohl sie noch lange Verträge hatten. Baumgart: Ich denke, dass Laufzeiten nach wie vor eine Rolle spielen. Ich finde es aber auch nicht schlimm, mit einem auslaufenden Vertrag in die neue Saison zu gehen. Meine Arbeit verändert sich dadurch nicht und die Jungs denken auch nicht darüber nach, ob ein Trainer bleibt oder geht. Ich war lange genug selbst Spieler, das hat mich nie interessiert. Am Ende darf es auch nicht vom Trainer abhängig sein, welche neuen Spieler kommen. Es muss von der Idee des Vereins abhängen.
Bei Ihrer Verlängerung war vom „Freiburger Modell“ die Rede. Ist speziell Christian Streich ein Vorbild, der trotz aller Angebote immer beim SC geblieben ist? Baumgart: Ich glaube, dass Christian Streich gemerkt hat, dass er in Freiburg gut funktioniert. Ich denke jetzt aber nicht daran, ob ich in zehn Jahren noch in Köln bin. Wenn es so sein sollte, freue ich mich, aber das ist weit weg. Ich bin keiner, der im Fußball langfristig plant, weil ich es einfach zu oft erlebt habe, dass das nicht geht. Man kann einen Verein langfristig aufstellen. Als Trainer möchte ich mit der Mannschaft kurzfristigen Erfolg, der auf die langfristige Entwicklung einzahlt, das ist mein Gedankengang.
Steffen Baumgart: „Ich möchte diesen Job nicht bis zur Rente machen“
Sie haben zu Saisonende in einem Podcast („FE:male“ mit Valeska Homburg und Anna-Sara Lange) gesagt, dass nach der Station FC vielleicht „nicht mehr viel kommt“ und Sie sicher sind, irgendwann mal wieder in der Oberliga zu trainieren. Woher kommt dieser Gedanke?Baumgart: Ich möchte so lange es geht so hoch wie möglich Trainer sein. Ich habe aber auch kein Problem damit, irgendwann mal wieder in der Oberliga zu trainieren. Denn wenn es irgendwann nicht mehr reicht oder dich niemand mehr anfragt, dann möchte ich trotzdem das tun, was ich liebe – mir geht es um den Trainer-Job. Und was bedeutet denn größer als der FC? Bedeutet es mehr Mitglieder oder mehr Geld? Ich glaube, aus meiner Sicht sollte es das Ziel sein, mit dem FC erfolgreich zu sein. Wir haben doch selbst erlebt, wie schnell es gehen kann, als wir alle plötzlich angefangen haben, von Berlin zu träumen. Den Gedanken, dass der FC das Endspiel im DFB-Pokal erreichen kann, sollte man zulassen. Ich finde, die Jungs haben auch schon bewiesen, dass das gar nicht so weit weg ist.
Wollen Sie den Trainer-Job bis zur Rente machen oder reizt sie noch etwas anderes? Baumgart: Ich möchte diesen Job nicht bis zur Rente machen, aber es gibt auch nichts anderes, was mich reizen würde. Wenn dieser Job vorbei ist, werde ich vielleicht in der Sonne sitzen oder mich bis dahin um meine Enkel kümmern. Ich werde immer etwas mit Fußball zu tun haben, aber es kann auch immer sein, dass ich genug habe und sage: Das war’s. Dann gehe ich vielleicht zurück in den Jugend- oder Kinderbereich. Fußball ist mein Leben. Ich spiele seit meinem siebten Lebensjahr Fußball, das sind 43 Jahre.
Könnten Sie sich vorstellen, mal als Nationaltrainer zu arbeiten?Baumgart: Mich reizt im Moment gar nichts, bis auf den FC. Die Frage ist immer: Was bedeutet Erfolg? Ich finde, ich war als Fußballer erfolgreich, auch wenn ich in zehn von 14 Jahren gegen den Abstieg gespielt habe. Auch ohne jemals in der Champions League gewesen zu sein, habe ich viel erreicht. Ich kann mir vieles vorstellen, aber im Moment zählt für mich nur die Arbeit hier in Köln. Ich bin keiner, der links und rechts guckt. Solange ich hier bin, mache ich mir keine anderen Gedanken.
Aktuell wirken Sie rundum zufrieden. Ist der Eindruck richtig? Baumgart: Auch im letzten Jahr war ich gut drauf. Es war ein Gute-Laune-Jahr. Auch auf dem Platz muss schon viel passieren, damit ich schlecht gelaunt bin und selbst wenn, dann sind das nur kurze Momente. Die gute Laune kommt daher, weil alle komplett mitziehen. Ob es die Spieler sind oder das Trainer-Team, alle machen ihre Arbeit vernünftig. Es ist ein Riesen-Pensum, das die Mannschaft bislang im Training geleistet hat. Es gibt niemanden, der Sperenzchen macht, alle sind voll fokussiert auf ihre Aufgaben. Wenn das der Fall ist, kann man nur Spaß haben.
Steffen Baumgart über Transfers: „Aktuell planen wir nichts mehr“
Wie zufrieden sind Sie mit den Transfers?Baumgart: Komplett zufrieden. Es sind keine Verpflichtungen, die alle kurzfristig funktionieren sollen, sondern den FC längerfristig breiter aufstellen. Man hat sofort das Gefühl, dass sie in der Mannschaft integriert sind. Es ist jetzt schon eine Einheit. Alle gehen gemeinsam durch diese intensiven Trainingseinheiten. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, nicht nur die Neuen geben Vollgas, sondern auch unsere Jugendspieler – das ist schön zu sehen.
Ist noch ein Transferwunsch offen?Baumgart: Nein, es ist alles erledigt. Aktuell planen wir nichts mehr. Wir wissen aber auch, dass es bis August noch Bewegung geben kann.
Ist die Mannschaft stärker als letztes Jahr?Baumgart: Die Mannschaft ist jetzt schon weiter. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass auch die Ergebnisse stimmen werden. Dennoch glaube ich, dass es uns helfen wird, dass die meisten Jungs die Abläufe kennen. Ich muss ihnen nicht mehr erklären, wie sie erfolgreich sein können. Ich bin sehr zufrieden mit der Mischung aus Kontinuität und neuen Spielern, die mit uns diesen Weg gehen wollen.
Will Anthony Modeste diesen Weg auch noch mitgehen? Wie haben Sie seine Aussagen aufgefasst?Baumgart: Bei Tony ist entscheidend, was er auf dem Platz bringt. Die Wichtigkeit liegt darin, dass der Verein entscheidet und keine Spieler oder Berater – egal, wie gut sie sind. Was er gesagt hat, war mit dem Verein abgesprochen. Außer den Nebensatz mit den Großverdienern, da musste ich schmunzeln. Ich gehe trotzdem davon aus, dass er bleibt und ich wünsche mir auch, dass er bleibt.
Haben Sie ihm das nach seinen Aussagen auch noch mal so gesagt?Baumgart: Tony und ich wissen, was wir voneinander halten. Ich muss ihm nicht ständig erklären, wie sehr ich ihn als Spieler und Menschen schätze. Wir haben einen sehr guten Draht zueinander und das müssen wir nicht jedes Mal betonen. Wenn etwas kommt, dann werden wir darüber sprechen. Wir sind aber auch nicht auf dem Geschenke-Bazar. Das ist Profi-Fußball und bei einem Stürmer mit 20 Toren bist du froh, wenn du ihn in der Mannschaft hast.
Steffen Baumgart: „Zehn Mannschaften spielen gegen Abstieg – eine davon sind wir“
Sie haben derzeit sieben Stürmer im Kader. Wie wollen Sie die bei Laune halten? Rechnen Sie da generell noch mit Abgängen?Baumgart: Mit Sebastian Andersson und Anthony Modeste haben wir zwei Stürmer, die viel Erfahrung haben. Wir haben mit Sargis Adamyan einen Spieler geholt, der auf allen offensiven Positionen spielen kann. Ich glaube aber nicht, dass wir ein Überangebot haben. Wir haben immer gesagt, dass wir daran arbeiten müssen, mehrere Torschützen zu haben. Dafür haben wir nun ein qualitativ sehr gutes Angebot, jetzt müssen wir alle Schritt für Schritt dahin entwickeln, ihr Potenzial auf Bundesliga-Niveau abzurufen.
Was passiert mit Ellyes Skhiri?Baumgart: Ich habe das Gefühl, dass er gerne hier ist und alles für den FC gibt. Er ist einer unserer besten Spieler. Und wir sind sehr froh, dass er hier ist. Wenn ein Angebot für ihn kommt, ist es ähnlich wie bei Tony.
Wie blicken Sie auf Salih Özcans Dortmund-Wechsel?Baumgart: Salih hat in der letzten Saison stark gespielt und war wichtig für uns. Wir haben sehr darum gekämpft, dass er hierbleibt. Er hat sich anders entschieden. Ich finde es in Ordnung, dass er den Weg nach Dortmund genommen hat. Am Ende können beide Seiten gut damit leben.
Wer wird Meister und wer steigt ab?Baumgart: Für mich gibt es keinen klaren Favoriten. Ich glaube, dass es vier Mannschaften gibt, die um die Meisterschaft mitspielen können. Und ich glaube, dass zehn Mannschaften gegen den Abstieg spielen werden – eine davon sind wir. Das muss auch jedem klar sein.
Werden Sie als erstes Ziel wieder die 40-Punkte-Marke ausrufen?Baumgart: Es geht um diese magischen 40 Punkte, aber auch um die Entwicklung der Mannschaft. Denn ich bin der Meinung, dass guter Fußball auf lange Sicht auch immer Punkte einbringt. Ich möchte auf jeden Fall so ein ruhiges Jahr wie das letzte haben und nicht unten reinrutschen. Wir haben in den ersten Wochen immer das Sonntags-Spiel und werden immer nachlegen müssen, das haben viele noch nicht auf dem Schirm.
Wie sehr beeinflussen Sie die mögliche Qualifikation für die Conference League und die WM im Winter?Baumgart: Mich beeinflusst aktuell nur, dass wir von den ersten fünf Spielen möglicherweise vier Auswärts-Spiele haben. Ich mache mir Gedanken, wie man die Belastung in diesen Englischen Wochen am besten steuert. Wir müssen schauen, wie man das Training gestaltet. Was macht das mit der Energie, wenn du alle zwei bis drei Tage spielst? Ich finde, da kommen ganz viele Sachen auf uns zu, auf die ich mich allesamt freue.
Werden Sie die WM in Katar, um die es viele Diskussionen gibt, verfolgen?Baumgart: Na klar werde ich die WM schauen. Ich verstehe zwar immer noch nicht, wieso die WM an Katar vergeben wurde und finde auch diesen Rhythmus im Winter nicht gut, trotzdem bin ich Fan der deutschen Nationalmannschaft und möchte die Spiele auf jeden Fall gucken.