Steffen Baumgart spricht im EXPRESS.de-Interview unter anderem über seine Höhepunkte im Jahr 2022, die Stürmer-Suche sowie die auslaufenden Verträge von Jonas Hector und Timo Horn.
„Keine Eintagsfliege“Baumgarts Highlights 2022 und Ziel für 2023 – so ist der Stand bei der Stürmer-Suche
Das Fußball-Jahr 2022 ist beendet. Der 1. FC Köln blickt auf ereignisreiche Monate zurück: Der Klub erlebte eine aufregende Reise durch Europa und findet sich nach heftigem Verletzungspech in der Bundesliga auf Platz 13 wieder. Steffen Baumgart (50) zieht im letzten großen Interview des Jahres mit EXPRESS.de Bilanz.
Im ersten Teil spricht der FC-Trainer über seine Höhepunkte in 2022, gibt einen Ausblick auf 2023 und verrät den neuesten Stand der Kölner Stürmer-Suche.
Messi oder Mbappe? Steffen Baumgart „will keinen von beiden“
Steffen Baumgart, kurz vor Weihnachten endete die Weltmeisterschaft. Hat die beste Mannschaft der Welt den Titel geholt?Baumgart: Auf jeden Fall eine der besten Mannschaften. Es standen bei dieser WM ganz viele Situationen auf des Messers Schneide, auch das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft war Zentimetersache. Ich denke, das Turnier hat vor allem gezeigt, dass die Weltspitze viel enger zusammengerückt ist.
Die beiden Stars der WM waren Lionel Messi und Kylian Mbappe. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Wen würden Sie lieber trainieren? Baumgart: Keinen von beiden, weil ich lieber selbst das Sagen in der Mannschaft habe (lacht). Und ich bin kein Freund von Allüren. Es kam meiner Meinung nach auch nicht nur auf Messi und Mbappe an. Natürlich war Messi überragend, aber die Argentinier sind Weltmeister geworden, weil sie die geschlossenste Mannschaft waren. Das freut mich, da ich bekanntlich überhaupt kein Freund davon bin, dass immer mehr auf individuelle Klasse gesetzt wird.Nehmen Sie hier an der EXPRESS.de-Umfrage teil:
Nicht nur die WM, auch das FC-Jahr ist beendet. Was war Ihr persönliches Highlight?Baumgart: Für mich war das ganze Jahr ein Highlight. Es gibt aber Erlebnisse, die hervorzuheben sind. Das Weiterkommen in den Playoffs gegen Fehérvár war für mich etwas ganz Besonderes. Die Conference League insgesamt war ein großes Abenteuer, das ich sehr genossen habe. Ich bin stolz auf die Leistungen meiner Jungs – über das gesamte Jahr, auch wenn die Ergebnisse am Ende nicht mehr gestimmt haben. Man darf nicht vergessen: Wir hatten enormes Verletzungspech, uns haben wichtige Stammspieler wie Salih Özcan und Anthony Modeste verlassen. Von daher bin ich sehr zufrieden und optimistisch, was das neue Jahr angeht.
Gab es neben den vielen Höhen auch Momente, in denen Ihnen der Trainer-Job zu viel wurde?Baumgart: Die letzten Monate waren sehr anstrengend und haben an den Kräften gezehrt. Ich hatte das Gefühl, müde und ausgelaugt zu sein – aber nie, dass es der falsche Job ist. Den engen Termin-Plan und die Ansetzungen halte ich weiterhin für falsch. Ich denke, es kann sich jeder vorstellen, dass so ein Programm nicht spurlos an einem vorbeigeht.
Wo würde der FC ohne die Europapokal-Teilnahme stehen? Baumgart: Solche Gedanken lasse ich gar nicht zu. Wir hatten uns die Conference League hart erarbeitet. Diese Teilnahme hat Hunger auf mehr gemacht. Ich habe das Gefühl, dass das keine Eintagsfliege war. Wir können diesen Schritt noch einmal gehen.
Wie lautet Ihr Ziel für die Rückrunde? Wer Sie kennt, weiß, dass es nicht nur der Abstiegskampf ist… Baumgart: Wir wollen unseren Weg weitergehen und unsere Entwicklung vorantreiben. Es geht aber natürlich erst mal um die 40 Punkte. Für zehn von 18 Mannschaften geht es nur genau darum. Mit unseren 17 Punkten kann ich keine Ziele ausgeben, die mit oben zu tun haben. Ich gucke immer dahin, wo es enger wird – und das ist momentan nach unten. Wenn wir den Abstand vergrößert haben, können wir uns über andere Ziele unterhalten.
Für das neue Jahr will der FC einen weiteren Stürmer verpflichten. Ist er zum Trainingsauftakt am 2. Januar schon dabei? Baumgart: Das werden wir sehen. Es wäre schön, wenn das klappt. Wir arbeiten intensiv daran, haben Ideen. Wenn sie nicht klappen, ändert das nichts an unserem Weg. Haben Sie persönlich bereits Gespräche mit potenziellen Neuzugängen geführt? Baumgart: Natürlich bin ich in die Gespräche involviert. Ein paar liegen schon hinter uns, und das ein oder andere vor uns.
Baumgart: Timo Horn ist Bundesliga-Torwart, keine Nummer zwei
War Ihnen bewusst, dass es so schwer wird, Anthony Modeste zu ersetzen? Baumgart: Wann wurde ein Torjäger mit 20 Toren schon mal auf Anhieb adäquat ersetzt? Ich erinnere mich an keine Mannschaft, die das geschafft hat. Ich vermag nicht zu sagen, ob wir mit Tony jetzt besser dastehen würden. Er hat auf jeden Fall perfekt zu unserem Spiel gepasst. Nach wie vor ist Tony einer der besten Stürmer der Bundesliga, in Dortmund schießt er trotzdem kaum Tore.Anzeige: Jetzt Gutschein für den Fanshop des 1. FC Köln gleich hier im EXPRESS-Gutscheinportal sichern!
Zehn Verträge laufen aus. Wünschen Sie sich, dass Timo Horn bleibt? Baumgart: Ich wünsche mir vor allem, dass Timo die richtige Entscheidung trifft und zufrieden ist. Diese Entscheidung muss er für sich treffen, nicht für uns. Wir werden jetzt auch mit ihm in die Gespräche gehen. Aus meiner Sicht ist Timo nicht nur ein verdienter Spieler, sondern ein Ur-Kölner, der mit dem Verein viel erlebt hat. Er ist dem FC immer treu geblieben, in guten wie in schlechten Zeiten, ist mit auf- und abgestiegen. Wir sollten ihm in jeglicher Hinsicht viel Respekt entgegenbringen. Trotzdem ist die sportliche Situation für Timo im Moment nicht zufriedenstellend. Müssen Sie ihm aus sportlicher Sicht raten, zu gehen? Baumgart: Aus sportlicher Sicht ist es ganz klar: Jeder Spieler will spielen. Aus menschlicher Sicht und aus der Perspektive des Vereins, weiß ich, dass ihm das schwerfällt. Fest steht, dass ich ihn für einen Bundesliga-Torwart halte – nicht für eine Nummer zwei. Marvin macht es im Moment aber so gut, dass der Weg zur Nummer eins für Timo versperrt ist. Deswegen muss er genau überlegen, was er macht.
Viel diskutiert wird auch über die Zukunft von Kapitän Jonas Hector. Sprechen Sie mit ihm darüber? Baumgart: Wir reden tagtäglich über Fußball und über Sachen, die uns gefallen oder nicht gefallen. Aber ich frage ihn nicht: Wie geht’s dir heute, hast du schon eine Entscheidung getroffen? Das wäre Quatsch. Wenn Jonas bleibt, freue ich mich riesig. Wenn nicht, müssen wir unseren Weg trotzdem weitergehen.
Aktuell wirkt er nicht wie jemand, der in einem halben Jahr seine Karriere beenden will. Baumgart: Ich bin mittlerweile eineinhalb Jahre hier und erlebe seitdem einen Jonas Hector, der Bock hat. Vielleicht hat er die ersten beiden Wochen etwas kritisch geguckt, in der Kennenlernphase (schmunzelt). Aber ich hatte in keiner einzigen Situation das Gefühl, dass er nicht mehr will oder nicht mitzieht. Man sieht ihn ganz viel lachen. Deswegen bin ich mir sicher, dass es bei seiner Entscheidung nicht um den Fußball an sich geht, sondern um das Drumherum. Da sollten wir einfach abwarten, niemand kann seine Entscheidung beeinflussen.