Unglücksrabe gegen Düsseldorf, dann Turm in der Schlacht beim Sieg in Ulm – die ersten Wochen beim 1. FC Köln waren für Joel Schmied äußerst aufregend. Das Interview.
„Werde mit Anfragen überhäuft“FC-Verteidiger Joel Schmied berichtet von Köln-Start mit Tränen-Tiefpunkt
Nach harten Verhandlungen hatte der 1. FC Köln im Winter endlich seinen neuen Verteidiger gefunden: Joel Schmied (26) kam für gut zwei Millionen Euro vom FC Sion aus der Schweiz.
In den ersten Spielen hat sich Schmied gleich einen Stammplatz erkämpft, dabei gab es Höhen und Tiefen. Im großen Interview mit EXPRESS.de spricht der Schweizer über seine ersten Wochen in Köln, die vorausgegangenen Kaugummi-Verhandlungen und Tränen nach dem Düsseldorf-Spiel.
Joel Schmied bewies Geduld bei Verhandlungen vor Köln-Wechsel
Joel Schmied, Sie sind jetzt knapp zwei Monate in Köln. Wie war die erste Zeit für Sie?
Schmied: „Das Team und der Staff haben es mir sehr leicht gemacht, anzukommen. Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass hier schon sehr viele Rädchen ineinandergreifen. Es ist immer gut, wenn man in eine funktionierende Mannschaft kommt und es sportlich läuft. Das hat mir meinen Start hier sehr vereinfacht.“
Vor Ihrem Wechsel gab es zähe Verhandlungen mit Sion-Präsident Christian Constantin. Ihm eilt ein gewisser Ruf voraus. Wie haben Sie ihn erlebt, was ist er für ein Typ?
Schmied: „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu ihm. Man muss aber auch wissen, wie man mit so einem Typ Mensch umgehen muss. Er ist Geschäftsmann durch und durch. Für ihn müssen die Zahlen stimmen, das ist ihm das Wichtigste. Und er will vollen Einsatz sehen. Wenn er merkt, dass ein Spieler alles für seinen Verein gibt, ist er rundum zufrieden. Wenn er aber den Eindruck hat, ein Profi gibt nicht alles, dann kann er auch ungemütlich werden. Ich bin Christian Keller dankbar, dass er in den Verhandlungen viel Geduld bewiesen hat und überglücklich, dass der Transfer geklappt hat.“
Der Wechsel stand lange auf der Kippe. Wie haben Sie die ungewisse Zeit erlebt?
Schmied: „Es zog sich ehrlich gesagt sehr lange hin. Es gab eine Periode, in der ich das Gefühl hatte, dass wir seit drei Wochen jeden Tag telefonieren und kein Stück weiterkommen. Christian Keller hat mir in der Zeit aber immer sehr viel Mut zugesprochen. Er hat mir versichert, dass die Zeit auf unserer Seite ist. Es war klar, wenn der Präsident von Sion Geld verdienen will, muss er mich früher oder später verkaufen. Das Erfolgsrezept war am Ende, dass wir sehr geduldig geblieben sind. Kurios ist, dass es am Ende dann auf einmal so schnell ging, dass ich gar keine Zeit mehr hatte, meiner Familie und meiner Freundin tschüss zu sagen. Nun ist aber alles gut und ich denke, wir haben für alle Parteien einen super Deal abgeschlossen.“
Wie ist es für Sie, das erste Mal die Heimat zu verlassen?
Schmied: „Es war immer eins meiner großen Lebensziele, einen Transfer ins Ausland zu machen. Ich denke, ich bin in einem guten Alter, um das nun zu realisieren. Denn ich habe in meiner Karriere bereits einige wertvolle Erfahrungen gesammelt. Ich glaube, wenn ich mit 19 ins Ausland gegangen wäre, hätte ich sicher Heimweh gehabt und wäre wahrscheinlich überfordert gewesen. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich mir diesen großen Karriereschritt absolut zutraue und genieße, dass ich diese Chance beim FC bekomme. Eine große Herausforderung für mich, die ich sehr gerne annehme. Das ist eine Erfahrung, die mir niemand mehr wegnehmen kann.“
Mit 26 gilt man heutzutage im Fußball bereits als Spätstarter. Wie sehen Sie das?
Schmied: „Das ist die Entwicklung im modernen Fußball. Ich habe unter der Woche Champions League geguckt: Wenn ich sehe, dass da 18-,19-Jährige spielen, ist das unglaublich. Man sieht es auch bei uns. Wir haben viele junge Spieler dabei, die von unten hochgekommen sind und trotz ihres Alters schon sehr viel Verantwortung übernehmen wollen. Ich hätte mir das in dem Alter noch nicht vorstellen können. Von mir aus bin ich dann ein Spätzünder, aber ich bin froh, dass ich es überhaupt geschafft habe. Und ich denke, dass ein gewisses Alter und die damit einhergehende Reife auch viele positive Effekte haben kann.“
Schmied muss viele Köln-Trikots in die Schweiz schicken
Welchen Stellenwert hat der FC in der Schweiz?
Schmied: „In erster Linie wird natürlich über die Bayern und Dortmund gesprochen. Aber der FC ist ein Traditionsverein, der auch in meiner Heimat eine große Strahlkraft hat. Ich bin überrascht, wie viele Nachrichten ich wöchentlich von FC-Fans aus der Schweiz bekomme. Sie alle freuen sich mit mir, dass ich als Schweizer für so einen großen Klub spielen darf. Ich glaube, dass die Community durch den Wechsel noch mal deutlich größer wird. Schon jetzt werde ich mit Anfragen überhäuft. Ich komme quasi nicht hinterher, Trikots in die Schweiz zu schicken. Bald müsste halb Bern mit Trikots versorgt sein (lacht).“
Mussten Sie den Wechsel von der Schweizer Super League in die deutsche 2. Liga erklären? Hat das jemand als Rückschritt aufgefasst?
Schmied: „In der Schweiz ist jedem klar, dass der FC – trotz der aktuellen Ligazugehörigkeit –besser ist als die heimischen Vereine. Ich denke, es gibt kaum einen Schweizer Spieler aus der Super League, der ein Angebot vom FC ablehnen würde. Es ist eine Plattform, für so einen riesigen Traditionsverein auflaufen zu dürfen, die nicht jeder bekommt. Der FC mit seiner Wucht und seiner Fan-Power hat von der Größenordnung einen ganz anderen Stellenwert als die meisten Schweizer Vereine. Ich hoffe, dass mich spätestens nach dem Aufstieg, für den wir alle arbeiten, niemand mehr fragen wird, ob das ein kluger Wechsel war.“
Haben Sie damit gerechnet, dass Sie trotz fehlender Vorbereitung mit dem Team so schnell Fuß fassen werden?
Schmied: „Ich hatte ehrlich gesagt nicht die Erwartung, dass ich gleich von Anfang an spielen werde. Denn eine gemeinsame Vorbereitung ist immer extrem wichtig, um in gewisse Automatismen reinzukommen. Dazu kam, dass wir mit Dreierkette gespielt haben, was ich in der Schweiz nur selten gemacht habe. Umso mehr freue ich mich, dass ich von Beginn an das Vertrauen vom Trainer und meinen Mitspielern bekommen habe. Ich darf bereits viel Verantwortung übernehmen. Es macht das Arbeiten für mich deutlich schöner, wenn ich weiß, dass die Menschen in meinem Umfeld an mich glauben.“
Was sind nach Ihren ersten Eindrücken die größten Unterschiede zwischen der 2. Liga und der Super League?
Schmied: „Die Intensität und die Physis sind hier deutlich höher als daheim. Das spüre ich sogar im Training. Da muss ich mehrmals die Woche an meine Grenzen gehen, das hatte ich in der Schweiz weniger. Das ist aber genau das, was ich gesucht habe. Ich wollte mich einer neuen Herausforderung stellen und meine eigenen Grenzen austesten – nur so wird man besser.“
Sie haben bislang überwiegend zuverlässige Leistungen gebracht, mit einer Ausnahme: die Volleyball-Aktion gegen Düsseldorf. Können Sie rückblickend sagen, was da los war?
Schmied: „Es war ein klassischer Reflex eines Verteidigers. Wir sind darauf gedrillt, dass der Ball nicht an uns vorbei darf. Ich kann mir aber nicht erklären, warum ich dann die Hände hochgenommen habe. Es war eine große Enttäuschung, dass wir das Derby wegen eines individuellen Fehlers von mir nicht gewonnen haben. Ich war unmittelbar nach dem Spiel auch in einem Loch. Als ich mit meiner Freundin im Auto saß, kamen mir die Tränen, weil mich die Emotionen so übermannt haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich das ganze Stadion im Stich gelassen habe. Es gehört aber zum Fußball dazu, es gibt leider nicht nur Sonnenseiten. Ich habe dann schnell wieder versucht, das Positive aus dem Spiel zu ziehen. Außerdem hat es mir extrem gutgetan, dass ich sehr viele aufbauende Zuschriften bekommen habe. Ich finde, genau dieser Zusammenhalt macht die Stadt auch aus.“
Wie sehen Sie persönlich Ihre bisherigen Leistungen?
Schmied: „Ich denke, meine Zuverlässigkeit habe ich bereits unter Beweis gestellt. Daran will ich natürlich weiter anknüpfen. Denn ich muss mich immer noch reinfinden in das System und den Fußball, der Anpassungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Ich kann sicherlich noch mehr. Aber wenn man mir vorher die acht Spiele, wie sie gelaufen sind, so vorgelegt hätte, hätte ich das so unterschrieben. Die vielen 1:0-Siege, die vielleicht nicht spektakulär aussehen, sind für einen Verteidiger geil und die nehme ich sehr gerne so mit.“
Wie bewertet es Ihr Papa Bruno, einst selbst Spieler in der 2. Schweizer Liga, mit dem Sie die Ihre Spiele regelmäßig analysieren?
Schmied: „Er ist sehr nüchtern in seinen Analysen und scheut keine Kritik. Ich schätze an ihm, dass ich immer ehrliches Feedback erwarten kann. Ich denke, aktuell sieht er es ähnlich wie ich, dass ich auf einem guten Weg bin. Er war ebenfalls Innenverteidiger, weiß daher, worauf es ankommt. Mein Wechsel nach Deutschland ist auch für ihn ein Riesen-Highlight. Er selbst wollte auch immer Bundesliga spielen. Er konnte es leider nicht realisieren. Wenn es sein Sohn jetzt schaffen sollte, würde wohl auch für ihn ein Traum wahr werden.“
Die Erwartungshaltung in Köln ist traditionell hoch. In der Gesamtbetrachtung sind die Neuzugänge noch nicht so eingeschlagen wie erhofft. Wie erleben Sie als einer von vier Neuen die aktuelle Kritik?
Schmied: „Der beste Umgang ist, dass man so etwas erst gar nicht an sich heranlässt. Ich handhabe es so, dass ich weder in guten noch in schlechten Zeiten Dinge über mich lese. Das einzig relevante Feedback kommt von den Trainern, den Funktionären und meinen Mitspielern. Wenn von ihnen konstruktive Kritik kommt, nehme ich diese sehr gerne an. Alles andere blende ich aus. Im konkreten Fall verstehe ich, dass das Umfeld den Anspruch hat. Doch so einfach ist es im Fußball leider nicht. Ich glaube, dass wir neuen Spieler uns schon sehr gut integriert haben und dass jeder seinen Teil für unseren Erfolg leistet.“