Lukas Podolski im #401-Interview„Von null auf hundert – das macht mir Spaß“

401-Poldi

Lukas Podolski

  1. Lukas Podolski ist Ex-Fußballnationalspieler und eine Kölner Institution.
  2. Im Interview spricht er über seine Karriere auf und neben dem Platz – und was ihm als Familienvater wichtig ist.

Herr Podolski, was würden Sie sagen: Wie oft haben Sie sich in Ihrer Karriere schon neu erfunden?

Lukas Podolski: Man erfindet sich ja immer neu. Man lernt täglich dazu, positive wie negative Dinge. Im Alltag, in der Familie, auf dem Platz, neben dem Platz.

Sie haben für den 1.FC Köln, Bayern München, FC Arsenal , Galatasaray Istanbul, Vissel Kobe und zuletzt Antalyaspor gespielt. Das schafft man nicht, wenn man nicht bereit ist, sich immer wieder auf neue Herausforderungen einzulassen ...

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Das stimmt. Vor allem, wenn man wie ich so viel im Ausland unterwegs ist. Man muss immer offen sein und bereit sein, sich auf andere Kulturen einzustellen. Das ist nicht einfach, manchmal gehört auch etwas Überwindung dazu. Ohne diese vielen neuen Erfahrungen wird es im Leben aber auch schnell langweilig, oder? Ich jedenfalls habe noch keine Station meiner Karriere bereut.

Gibt es besondere Eigenschaften, die man braucht, um im Profifußball so lange erfolgreich zu sein?

Ich habe kein Rezept, das ich mir von anderen abgeschaut habe. Jeder muss da seinen Weg finden. Bei mir ging es immer darum, dass ich mich sehr schnell auf neue Umstände auf und neben dem Platz, den Trainer und die neue Mannschaft einstellen musste.

Wie wichtig ist es, authentisch zu sein und konsequent zu handeln?

Das ist genau das, was ich bislang immer versucht habe. Dennoch gibt es natürlich auch Situationen, in denen man sehr flexibel sein muss. Ich hatte auch schon Trainer, die mich auf einer anderen Position auf dem Spielfeld gesehen haben als ich mich selbst. Da sollte man offen für sein – aber ohne sich dabei verbiegen zu lassen.

Sie haben gerade erklärt, dass Sie Ihre aktive Karriere noch fortsetzen wollen. Schon klar, wo es Sie hinzieht?

Es gibt ein paar Ideen, da müssen wir schauen, wie sich die Gespräche entwickeln. Es ist aber noch zu früh, um Entscheidungen zu treffen. Ich habe ja gerade erst die Saison bei meinem letzten Arbeitgeber Antalyaspor beendet. Jetzt steht erstmal Urlaub mit der Familie an.

Zuletzt hieß es, es gebe Interesse aus der Major Soccer League in den USA.

Vereine melden sich immer. Für mich ist am Ende wichtig, dass das Gesamtbild passt. Die Stadt, der Verein, das Konzept. Ich bin jetzt 36 Jahre alt, da ist klar, ich mache nicht nochmal den Sprung zu einem absoluten Top-Verein.

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Für mich geht es darum, nochmal ein bis zwei Jahre zu spielen, Spaß zu haben und in einer guten Stadt zu leben.

Sie sind 1985 im polnischen Gleiwitz geboren, 1987 dann nach Bergheim übergesiedelt. Wie weit gehen Ihre Kindheitserinnerungen zurück?

Schon sehr weit. Die erste Zeit, an die ich mich erinnern kann, ist in Bergheim. Dort habe ich meine ersten Schritte gemacht, auch als Fußballer. In den ersten Jahren war es für unsere Familie nicht einfach: Wir waren vier Personen, verteilt auf anderthalb Zimmer. Es macht etwas mit einem, wenn man aus solch einfachen Verhältnissen kommt.

Gab es eine Phase in Ihrer Kindheit, die Sie maßgeblich geprägt hat?

Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann wäre das die Zeit zwischen acht und 13 Jahren. Auf dem Bolzplatz mit meinen Jungs, da haben wir Sechs gegen Sechs bis in die Abendstunden gekickt. Keine Handys, kein Instagram, kein Gedöns, sondern immer nur raus und Spaß haben.

Da haben wir auch schon mal Kirschen beim Nachbarn geklaut. Ich bin froh, dass ich diese Zeit erlebt habe. Auch den Zusammenhalt in meiner Familie. Wir haben mit wenig angefangen, hart gearbeitet und viel erreicht.

Ihre Profilaufbahn begannen Sie 2003 bei Ihrem Jugendverein 1.FC Köln. Wie haben Sie den Start ins Fußballgeschäft heute noch vor Augen?

Ich bin einfach drauflos und habe die Herausforderung angenommen. Ich war dieser Junge aus Polen, ein Arbeiterkind, das sich im Training nichts hat gefallen lassen. Ich habe mir gesagt: So, jetzt bist du hier, trainier´. Natürlich braucht man auch ein bisschen Glück und einen Trainer, der auf einen setzt. So war das auch bei mir. Die restlichen Schritte, die dann kamen, kennt man ja.

Ist es denn immer noch Ihr Traum, Ihre aktive Karriere beim FC zu beenden? Oder ist dieser Traum ausgeträumt?

Es gab in den letzten Jahren ja immer Leute, die das verhindert haben. Ich wollte es nie mit Gewalt erzwingen, sondern war offen dafür. Es bricht für mich jetzt keine Welt zusammen, wenn es nicht klappt. Der FC wird immer mein Club bleiben, egal, wer in der Vereinsführung gerade das Sagen hat. Die Leute wechseln in den letzten Jahren ja auch fast so schnell, wie ich meine Schuhe wechsle (lacht).

Was wiegt für Sie mehr: Der Weltmeistertitel 2014 oder der Wiederaufstieg mit dem 1.FC Köln 2004 in die Bundesliga?

Sie haben mein erstes Derby-Tor gegen Gladbach nicht erwähnt, das zählt für mich am meisten! Im Ernst: Die Frage „Was war dein Moment im Fußball“ wird mir häufig gestellt. Ehrlich: Ich habe keinen. Ich bin mit meiner Karriere von 2003 bis heute insgesamt total zufrieden. Verschiedene Städte, Siege, Niederlagen, Tore, Vorlagen – das gehört alles dazu und macht mich aus.

So richtig berühmt wurden Sie bei der WM 2006 in Deutschland, die zum Sommermärchen wurde. Poldi und Schweini waren die Volkshelden. Wie blicken Sie darauf zurück?

Es war eine großartige WM im eigenen Land. Ich bin froh, ein Teil davon gewesen zu sein.

Finden Sie es ok, wenn Sie noch Poldi genannt werden? Ihr Kumpel von damals, Bastian Schweinsteiger, will ja nicht mehr Schweini sein …

Der ist erwachsen geworden. Mir ist das egal, ich sage den Leuten immer: Lukas, Poldi oder Herr Podolski – mach, wie du willst.

Es gab bei der WM 2006 einen kritischen Moment, der Auswirkungen auf Ihre Karriere hätte haben können: Der Elfmeter im Viertelfinale gegen Argentinien. Sie sind zum Punkt gegangen und haben ihn reingemacht. Was denkt man auf dem Weg vom Mittelkreis zum Elfmeterpunkt?

Das weiß ich nicht mehr, was ich da gedacht habe. Bestimmt nicht so viel. Man geht hin, sucht sich eine Ecke aus. Und dann rein das Ding. Ich war da auch nicht nervös. Da waren 80.000 Zuschauer im Stadion in Berlin. Ich habe das als besondere Motivation genommen, nicht als zusätzlichen Druck. Ich mag das. Wenn dann der Ball den Fuß verlässt und du weißt, der ist drin – top!

War der Abschied aus der Nationalelf ein harter Einschnitt und ein Punkt, der etwas verändert hat in Ihrem Leben?

Nein, warum auch? Das muss ja erstmal einer schaffen, 130 Länderspiele zu machen. Weltmeister, 49 Tore - ich habe nichts ausgelassen in meiner Karriere.

Welchen Stellenwert hat der Fußball zu Hause? Können Sie den Gedanken an ihn an der Garderobe abgeben?

Ich bin keiner, der zu Hause direkt abschalten kann, wenn das Spiel zu Ende ist. Ich mache mir Gedanken darüber, was ich besser machen kann. Der Fußball ist bei uns auch Thema im Alltag, in der Familie, ganz klar. Das wird wohl erst anders, wenn ich meine aktive Karriere beendet habe (lacht).

Was ist Ihnen und Ihrer Frau besonders wichtig, wenn es um die Erziehung Ihrer beiden Kinder geht?

Wir sind da ganz normal und nicht besonders streng, sondern geben eher auch mal die lange Leine. Ich war ja auch mal Kind und weiß, wie es ist (lacht). Meine Kinder sollen auch so unbeschwert aufwachsen wie ich. Klar gibt es Regeln: Freundlich sein, aufräumen, vernünftig essen. Aber nur Reis und Gemüse, das gibt es bei uns nicht. Man ist nur einmal Kind.

Corona-Krise, Klimakrise: Die Welt, in der Ihre Kinder aufwachsen, verändert sich rasant. Was ist Ihre größte Sorge, wenn Sie an die Zukunft derjenigen denken, die Sie am meisten lieben?

Ich weiß ja nicht, was in zehn oder 15 Jahren ist. Wie leben jetzt im Hier und Heute und müssen versuchen, unseren Beitrag zur Lösung aller Probleme zu leisten, damit auch unsere Kinder gut leben können. Panik schieben müssen wir aber nicht. Das wäre mir auch total fremd.

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Wir wollen auch über den Unternehmer Lukas Podolski sprechen. Sie betreiben die Eisdiele „Icecream United“ im Belgischen Viertel in Köln, das „Brauhaus zum Prinzen“ in der Altstadt, haben zudem den Dönerimbiss „Mangal Döner“ an mehreren Standorten hochgezogen. Warum Eiscreme und Döner?

Weil es zu mir passt. Ich verbinde mit Döner schon eine lange Geschichte, das habe ich in meiner Jugend oder am alten Müngersdorfer Stadion schon immer gerne gegessen. Eis genauso – jeder liebt doch Eis! Ich suche mir Dinge aus, die zu mir passen und an denen ich auch Spaß habe.

Wie wichtig ist Ihnen noch Geld beziehungsweise das Geldverdienen? Sie könnten sich doch eigentlich zur Ruhe setzen und sich nur noch um die schönen Dinge des Lebens kümmern ...

Es macht mir großen Spaß, Unternehmen von null auf hundert zu entwickeln. Ich lasse das nicht einfach von einer Agentur abwickeln, da steckt viel persönliche Arbeit und viel Engagement dahinter. Ich gebe Vollgas, wie auch auf dem Platz. Und klar will ich damit auch Geld verdienen. Man betreibt ein Business, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein – egal, ob das der Fußball oder ein Dönerladen ist. Wichtig ist, dass man ein Produkt macht, das Qualität hat und das von den Leuten gut angenommen wird.

Mit der Lukas-Podolski-Stiftung unterstützen Sie Sport- und Bildungsprojekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Was treibt Sie da an?

Kinder waren und sind mir immer wichtig! Mit der Stiftung haben wir viele Projekte und Partnerschaften anschieben können. Auch mit der „Arche“, bei der ich ein Haus in Köln und eines in Polen betreue. Wir haben auch eine Kooperation mit der „Rheinflanke“, da sind in den letzten Jahren große Summen an Spenden geflossen. Es erfüllt mich, den Menschen etwas zurückzugeben und wenn ich sehe, dass Kinder wieder lächeln können.

Gibt es Schlüsselmomente oder Schlüsselszenen, die Sie in Ihren sozialen Projekten mit den Kids erlebt haben?

Den ersten Kontakt hatte ich über die „Arche“, die Betreuungs- und Hilfsangebote machen für Kinder, deren Eltern das nicht mehr so können, weil sie sich zerstritten haben oder weil nur noch ein Elternteil da ist. Aus dieser Erfahrung entstand dann die Idee der eigenen Stiftung.Ein Beispiel aus unserer Arbeit: In Köln haben uns Rollstuhlbasketballer angeschrieben, die nicht trainieren konnten, weil sie keine automatische Wurfanlage hatten. Da habe ich gesagt: Klar, wir helfen! Wenn man dann sieht, wie sich die Kinder und Jugendlichen freuen – das ist einfach nur großartig.

Im Kölner Stadtbild fallen vor allem die Soccer-Plätze in Bocklemünd, Gremberghoven oder anderswo auf. Da geht es nicht nur um Fußballspielen, sie sind Anlaufstellen für alle im Veedel …

Ja, genau darum haben wir dieses Projekt ins Leben gerufen. Für die Kinder im Viertel sind das Treffpunkte, bei denen es durch das pädagogische Personal oder Streetworker vor Ort auch Lebenshilfe in allen Lagen gibt.

Was vermissen Sie am meisten daran, nicht in Köln zu wohnen – jenseits des FC?

Nicht so viel. Ich kann ja immer hier sein, wenn ich es möchte. Ich habe hier meine Wohnung, mein Haus, ich kenne Köln in- und auswendig. Es wird immer meine Stadt sein. Der Plan ist es, hier mit meiner Familie alt zu werden.