Die letzten Wochen waren aufreibend und erfolgreich. Trainer Gerhard Struber hat mit dem 1. FC Köln den Sprung an die Tabellenspitze geschafft. Das große Weihnachts-Interview mit dem Coach.
FC-Trainer ganz privatStruber über Köln-Vorurteile, sein Weihnachten & Overath vorm Schlafengehen
Hurra-Fußball, Achterbahn-Start, turbulente Zwischenkrise und dann eine Erfolgsserie mit dem Sprung an die Tabellenspitze kurz vor Jahresende – Gerhard Struber (47) hat ein ereignisreiches halbes Jahr beim 1. FC Köln hinter sich.
Kurz vor den Feiertagen traf EXPRESS.de den österreichischen Coach beim Italiener Delicato in Köln-Bickendorf zum XXL-Weihnachts-Interview.
Trainer Gerhard Struber voll in Köln angekommen
Herr Struber, wie würden Sie Ihre ersten Monate in Köln mit drei Worten beschreiben?
Struber: „Emotional. Widerstandsfähig. Lebensfreude.“
Welche Vorurteile über Köln haben sich bewahrheitet?
Struber: „Der Kölner ist ein unglaublich offener und lebensfreudiger Mensch. Wenn du in einen Raum kommst, bist du nicht lange alleine. Man kommt schnell ins Gespräch – das macht es leichter für Menschen, die von außerhalb kommen.“
Fühlen Sie sich schon angekommnen?
Struber: „Ja voll! Ich fühle mich richtig wohl, egal ob ich auf einem Weihnachtsmarkt bin oder eine Runde um den See am Geißbockheim jogge. Meine Frau und die Kinder mögen die Stadt auch. Es erinnert uns ein wenig an Wien – die Lebendigkeit und die Vielfalt in der Stadt. Es gibt coole Restaurants und viele Auswahlmöglichkeiten, wo man hingehen kann.“
Gibt es auch herausfordernde Gegebenheiten am Standort Köln?
Struber: „Es prasselt natürlich auch viel auf einen ein. Die Erwartungshaltung und die Ansprüche sind hoch, die Realität sieht allerdings noch etwas anders aus. Es heißt oft: ‚Macht das jetzt, steigt auf! Egal was war.‘ Das ist aber ein Prozess, zu dem natürlich auch Niederlagen gehören. Das ist aber keine Haltung, die es nur beim FC gibt, so ist die Gesellschaft heute: Wenn es nicht passt, ist Drama angesagt. Wenn es passt, ist gleich alles himmelhochjauchzend. Es gibt kaum etwas dazwischen. Das ist aber völlig okay und bei großen Vereinen eben so – und der FC ist ein richtig großer Klub.“
Müssen Sie da intern kühlen Kopf bewahren?
Struber: „Ja, dafür sind wir im Trainerteam und im Management da. Wir müssen Dinge richtig einordnen. Auch jetzt glauben wir nach einer kleinen Serie nicht, dass wir wieder supercool sind. Nein, das sind wir nicht. Es ist normal, wenn man vorne dabei sein will, dass man gewisse Serien braucht. Und wenn wir mal ein, zwei Spiele verlieren, werden wir auch nicht gleich wieder alles verteufeln.“
Aber Fußball lebt auch von Emotionen – ein Kabinengewitter tut einer Mannschaft ja auch mal gut – wie viel lassen Sie da zu im Mannschaftskreis?
Struber: „Klar, Emotionen gehören dazu, es sind bei uns aber keine Drama-Momente. Wir können uns immer in die Augen schauen. Ich schreite nur ein, wenn es persönlich wird. Oder wenn es ausartet und damit nicht mehr hilfreich ist. Ich will, dass wir kritisch sind und uns die Meinung sagen können. Ich will aber niemanden abqualifizieren oder nur noch bewerten. Mir geht es immer um Lösungen, die uns besser machen.“
Wie würden Sie ihre Führungsqualität und ihren Stil beschreiben?
Struber: „Schimpfen kann jeder. Mein Anspruch ist es, den Jungs, speziell, wenn es schwierig ist, so richtig unter die Arme greifen. Es verliert ja keiner freiwillig in Darmstadt oder gegen Paderborn. Es gab einfach Dinge, die sich da zugespitzt haben. Daran mussten wir arbeiten.“
1. FC Köln: Workshop mit dem Team brachte die Wende
Wie haben Sie es mit dem Team aus dieser zwischenzeitlichen Mini-Krise geschafft?
Struber: „Da mussten wir offen und ehrlich sein. Das kann man nur, wenn man Vertrauen untereinander hat. Das haben wir. Auch in kritischen Phasen wächst man als Team zusammen. Da darf es dann auch mal krachen. Streiten kann man viel besser, wenn man sich vertraut. Das Gleiche gilt für harte Gespräche, man denkt dann anders drüber nach und es ist mir nicht egal. Das spüre ich bei meinen Jungs, der FC ist definitiv keinem egal.“
Was hat die Arbeit zu Beginn der Saison mit dem Team erschwert? Nach Gegentoren gab es immer einen spürbaren Einbruch …
Struber: „Die Spieler haben nach dem Abstieg einen mentalen Ballast mitgeschleppt. Das war echt ein Thema und hat lange nachgehallt. Im Sommer hatte ich das nicht so erwartet, die Vorbereitung war gut, wir hatten gute Ergebnisse. Doch dann hat man mit jedem Gegentor gespürt, welch große Verunsicherung in der Mannschaft herrschte.“
Gab es einen Moment, der zur Wende geführt hat?
Struber: „Nach dem Paderborn-Spiel gab es einen sehr offenen Workshop mit den Spielern. Da haben wir die Masken fallen lassen und offen gesprochen. Das hat den Druck vom Kessel genommen. Dazu kam, dass viele Jungs mit der Systemumstellung besser abgeholt wurden.“
Wurde das Trainerteam auch kritisiert aus dem Kreis der Mannschaft? Gab es Spieler, die gesagt haben: Wir laufen immer ins offene Messer, wir müssen was ändern?
Struber: „Mit der Situation waren alle nicht zufrieden. Jeder Spieler will gewinnen, wenn man dann zu viele Gegentore kassiert, ist man in der Pflicht, als Trainer etwas zu ändern. Mir war wichtig: Ich muss den Spielern helfen, ich muss ihnen was bauen, was möglicherweise unsere Attraktivität einschränkt, aber Stabilität gibt.“
Viele Trainer können dann nicht über ihren Schatten springen und halten am System fest. Sie sind da offener?
Struber: „Ja, das wäre ja Dogmatismus gewesen, das kenne ich gar nicht. Aber natürlich wünsche ich mir den Fußball der ersten sechs, sieben Spiele – das war hochattraktiv. Allerdings gepaart mit einer höheren Stabilität. Beides haben wir nicht abbilden können. Deshalb haben wir es stabiler gemacht und wollen es jetzt wieder Schritt für Schritt attraktiver machen.“
War der Workshop dann auch wichtig für Sie, um Feedback aus dem Team zu bekommen?
Struber: „Es ging gar nicht so sehr inhaltlich um unseren Fußball. Es wurden Dinge ausgesprochen, die viele Spieler gleich gespürt haben. Das hat den Jungs geholfen, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine sind. Die Probleme wurden auf mehrere Schultern verteilt.“
FC-Coach Struber: So feiert er in Österreich Weihnachten
Wie feiern Sie jetzt Weihnachten?
Struber: „Obwohl meine Kinder schon größer sind, unser Sohn 15, unsere Tochter 23, gehen wir nachmittags in die Kindermette. Da wollen meine Kinder immer mit uns hin, sagen: Das ziehen wir durch. Danach sind wir dann bei der Oma.“
Was gibt es zu essen bei den Strubers?
Struber: „Es gibt erst typische Süßspeisen am Nachmittag, dann sind wir bei uns daheim mit der ganzen Familie. Meine Frau macht traditionell einen Rindsbraten. (Struber lacht) Es wird auch ein Glas Wein getrunken und dann feiern wir Weihnachten, bis wir nicht mehr können. Am nächsten Tag geht es weiter, dann sind wir bei den Schwiegereltern in Tirol mit Schwägerinnen und Schwager und vielen Cousinen und Cousins – wir sind eine richtig große Familie.“
Wird auch gesungen?
Struber: „Natürlich. Es wird auch musiziert, in der Familie von meiner Frau Lisa ist Musik Trumpf, nicht so sehr der Fußball.“
Wie musikalisch sind Sie denn?
Struber: „Ich spiele kein Instrument und mein Schwiegervater würde mein Gesangstalent eher bescheiden einordnen. Da darf ich mich immer etwas zurückhalten (Struber lacht).
Wie wichtig sind Geschenke für Sie?
Struber: „Für mich nicht so wichtig, mir geht es eher darum, dass wir alle beisammen sind, weil ich sonst eher wenig Zeit finde. Für die Kinder ist es aber schon schön, wenn sie etwas auspacken können.“
Bringen Sie auch Geschenke aus dem FC-Fanshop mit?
Struber grinst: „Ja, da habe ich schon einiges dabei: Kissen, Trikots oder Pullis. Da gibt es auch viele von meinen Freunden, die etwas haben wollen. Zuletzt waren vier Freunde von mir in Köln beim Spiel gegen Nürnberg. Was die sich alles im FC-Shop gekauft haben! Ich merke, wie dieser FC sympathisiert. Es ist extrem, den FC mag fast jeder, auch wenn man dagegen spielt. Wenn ich den Geißbock Hennes im Stadion sehe – das ist schon verrückt, einfach herrlich.“
Wie verbringen Sie Silvester?
Struber: „Da werden wir eine kleine Party machen – wie jedes Jahr in Tirol. Allerdings weniger mit den Schwiegereltern, sondern mit Freunden.“
Klingt nach einem strammen Programm. Wie entspannen Sie?
Struber: „Ich werde ein paar Skitouren gehen mit einigen Freunden und mit ihnen etwas Zeit verbringen. Und es wird einen kleinen Zwischentrip nach Spanien geben. Drei Tage fliegen wir in die Sonne. Es ist alles getaktet, aber es geht sich aus.“
Kommen Sie beim Lesen oder mal bei einem Film zur Ruhe?
Struber: „Ich lese in der Nacht im Bett, brauche nicht viel Schlaf, nur sechs Stunden. Zwischen 22 Uhr lese ich dann gerne bis Mitternacht. Gerade habe ich ein cooles Buch bekommen: ‚Wolfgang Overath – Alleine kannst du nicht gewinnen‘ – das wird jetzt mein nächstes Büchlein. Fernsehen gucke ich wenig. Wenn, dann mal mit den Kindern zusammen. Häufig zeigt mir mein Sohn dann aber YouTube-Videos von seinen Fußballspielen mit der U16.“
Was ist ihr Lieblingsbuch?
Struber: „Führen, leisten, leben von Fredmund Malik. Das gefällt mir richtig gut. Das ist ein Buch über Leadership und Führung mit praktischem Bezug. Führungsstrategien und Führungsverhalten interessieren mich schon sehr. Da hatte ich bisher auch das Glück, schon viele Erfahrungen sammeln zu dürfen. Der Trainerjob bedeutet Führung an jedem Tag.“