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Christoph Daum packt ausIn Kölner Hotel: Der Hausmeister bot mir Kokain an
Köln – Kaum ein Fußball-Trainer polarisiert so wie Christoph Daum (66). Er wollte immer das Beste für seine Mannschaften und setzte dafür alle Mittel ein. Auch zweifelhafte. Er teilte aus und steckte ein, er provozierte und ging außergewöhnliche Wege. Über 1000 Spiele als Trainer, mehr als 500 Siege und zahlreiche Titel stehen in seiner Vita. Aber auch ein dramatischer Absturz vor 20 Jahren, als er nach Drogenkonsum von Bayer Leverkusen entlassen wurde, sein Vertrag als designierter Bundestrainer aufgelöst wurde und er zweieinhalb Monate nach Florida flüchten musste.
Christoph Daums Drogenkonsum wurde vor genau 20 Jahren öffentlich
In seiner Autobiographie „Immer am Limit“ erzählt er zum ersten Mal, wie es zum größten Fehler seines Lebens kam.
Ich hatte ein ganz ordentliches Zimmer im Bonotel bezogen, eine Art Suite mit Wohn- und Schlafzimmer sowie einer kleinen Küchenzeile. Es war elegant und funktionell eingerichtet, blieb aber ein austauschbares Hotelzimmer. Ich verbrachte hier kaum Zeit, weil ich erst spätabends vom Trainingsgelände zurückkam.
Mein neues Zuhause galt damals als absolutes In-Hotel, im Süden von Köln gelegen. Ich kannte das Bonotel aus meiner Zeit beim FC. Damals hatte Udo gewollt, dass wir vor den Heimspielen dort übernachten, weil er natürlich wusste, dass hier immer was los war. Ihm gefielen nicht nur der feine Marmorboden im Eingangsbereich oder die mit goldenen Buchstaben verzierten Beschilderungen, sondern vor allem die Lounge mit ihrer Bar.
Dort sorgten regelmäßig sensationelle Saxofonisten für Stimmung. Die Lounge war damals ein Treffpunkt der Kölner High Society, hier konnte man sehen und gesehen werden. Es sprach sich schnell herum, dass ich ins Bonotel gezogen war, und am Anfang mied ich die Bar. Wenn ich spätabends zurückkam, ging ich direkt auf mein Zimmer. Ich hatte keine Lust, dass einer von denen mich anquatschte.
Kontakt hatte ich zunächst nur mit einem der Hausmeister des Hotels. Schon ein paar Tage nach meinem Einzug sprach er mich an: „Falls ich irgendetwas für Sie erledigen kann, melden Sie sich einfach.“ Dann verzog er sich wieder. Er machte einen angenehmen, sympathischen Eindruck auf mich. Natürlich wusste er, wer ich war, trotzdem lauerte er mir nicht permanent auf, er fragte auch nicht immer wieder nach, ob er was für mich erledigen könne. Er hatte sein Angebot gemacht, jetzt wartete er ab.
Es muss im Spätherbst 1998 gewesen sein, als ich mal wieder spätabends zurück ins Hotel kam. Ich hatte einen langen Tag hinter mir und wollte einfach schnell ins Bett, als der Hausmeister mir kurz vor meinem Zimmer begegnete. Er erzählte mir von einer exklusiven Party in der großen Suite am Ende des Flurs. Ich schaute den Gang hinunter und hörte gedämpfte Musik und Gesprächsfetzen durch die Tür der Suite. Dort schien tatsächlich einiges los zu sein. Aber ich fühlte mich platt und wollte nur schlafen, darum lehnte ich ab. „Vielleicht beim nächsten Mal“, sagte ich.
Als ich den Raum das erste Mal betrat, merkte ich sofort, wie sich alle Blicke für einen kurzen Moment auf mich richteten, aber nicht so lange, dass es unangenehm wurde. Es waren so um die fünfzehn, zwanzig Leute im Raum, Männer in Anzügen und Frauen in schicken Kleidern, einige von ihnen tanzten, andere unterhielten sich. Die Suite bestand aus zwei Schlafräumen rechts und links, und in der Mitte war ein großer Wohn- und Essbereich, über dem ein gewaltiger Kronleuchter hing.
Das Licht war gedimmt, es lief gute Musik, ich weiß nicht mehr genau was, jedenfalls hörte es sich angenehm an. Ich ging mit dem Hausmeister an einen Ecktisch, wo in einem großen Eiskübel Champagner- und Kölsch-Flaschen standen. Er gab mir ein Bier, und wir quatschten über belangloses Zeug. „Christoph, ich weiß ja, dass es dir gerade nicht so gut geht“, meinte er. Bislang hatte er mich noch nie auf meine privaten Probleme angesprochen. Er war ein liebenswerter Mensch und erledigte dies und jenes, doch worauf wollte er jetzt hinaus?
Auf der Ablage neben dem Waschbecken lag ein Döschen mit weißem Pulver
„Ich hab da was, das den Kopf freimacht“, meinte er. „Komm doch mal mit.“ Wir gingen an ein paar Tanzenden vorbei in Richtung des kleinen Badezimmers, eine Art Gäste-WC. Er schloss die Tür, trotzdem drangen leichte Musik- und Gesprächsfetzen bis hier hinein. Auf der Ablage neben dem Waschbecken lag ein Stapel mit kleinen Handtüchern, er legte sie beiseite. Darunter befand sich ein rundes, silbernes Döschen, das einer Bonbonschachtel ähnelte. Als er das Döschen öffnete, waren keine Süßigkeiten drin. Stattdessen sah ich ein weißes Pulver, und ich brauchte vielleicht zwei, drei Sekunden, um zu realisieren, was hier vor sich ging. Dann war auch mir klar, dass er mir kein Brausepulver anbot. „Probier’s mal“, sagte er, „es wird dich auf andere Gedanken bringen.“ Ich kam mir vor wie im falschen Film, mir wurde eiskalt, damit hatte ich nie gerechnet! „Spinnst du?!“, antwortete ich. „Nie im Leben!“ Dann ließ ich ihn mit dem Döschen stehen und eilte aus der Suite zurück nach unten in die Lounge.
Ablenkung fand ich an der Hotelbar oder in der Suite. Die Partys dort fanden alle paar Monate statt, und trotz der Geschichte mit dem Döschen ging ich wieder hin. Hier drehte sich nicht alles um Fußball, man unterhielt sich über den neuen Bundeskanzler Gerhard Schröder oder andere Dinge. Ich war zwar nie ein durch und durch politischer Mensch, aber ich interessierte mich für alles Mögliche. Natürlich wussten die Leute in der Suite, wer ich war. Doch es ging diskret zu. Es kamen nur geladene Gäste rein, nicht wenige von ihnen waren in der Stadt durchaus bekannte Leute. Man war unter sich. Manche zogen sich etwas rein, das bekam ich schnell mit, alles lief jedoch nach dem alten Motto: Was hier passiert, bleibt hier. Es war eine geschlossene Gesellschaft von im Berufsleben gestressten Menschen, hier konnten sie loslassen. Dennoch hielt ich mich vom kleinen Badezimmer fern.
Christoph Daum: Dann wurde er doch schwach
Ich stützte meine Hände auf das Waschbecken und dachte: Scheiße! Das hast du nicht getan! Hast du es wirklich getan? Ich schüttelte mich und fühlte Euphorie und Schwindel, vor allem fühlte ich mich schuldig. Ich schaute mich im Spiegel an, noch immer klammerten meine Finger sich an das Waschbecken: Volles Haar, Mittelscheitel, Schnäuzer, das sah aus wie ich, aber war das wirklich ich? Mein Herz hämmerte, und meine Gedanken überschlugen sich. Durch die Badezimmertür hörte ich ihre Stimmen, sie lachten und tanzten, es lief wieder irgendwas Jazziges, die Musik war eigentlich …
Ich könnte jetzt noch so viel mehr darüber schreiben, über meine Gedanken und Gefühle in diesem Moment, ich erinnere mich an viele Details. Aber das werde ich nicht tun. Ich kann es nicht. Ich will es nicht. Es fiel mir schon unglaublich schwer, überhaupt diese wenigen Zeilen zu schreiben. Wenn ich heute an damals denke, wühlt es mich immer noch auf, obwohl es über zwanzig Jahre her ist.
Christoph Daum: Irgendwann setzte mein Warnsystem aus
Ich bin niemand, der in Selbstmitleid versinkt, im Gegenteil, wenn ich etwas hasse, dann Selbstmitleid! Doch diese Sache lässt mich nicht los. Wie konnte mir das nur passieren? Wie konnte ich in diesen verdammten Scheiß reingeraten?! Ich mochte es, unter den Leuten in der Suite zu sein. Die Gespräche, die Vertraulichkeit, die ausgelassene Stimmung: In einer Zeit, in der ich mit einem Rucksack voller Probleme durch die Gegend rannte, war die Suite ein Auffangbecken, eine andere Welt. Eine Welt ohne Probleme. Immer mal wieder ging einer ins kleine Badezimmer, und je öfter ich es mitbekam, desto geringer wurden meine Hemmungen. Bis irgendwann mein Warnsystem aussetzte. Ich ließ mich von einer Stimmung treiben. Mitten in den größten Fehler meines Lebens.