Auch Thomas Kessler warntDFB-Boss Rettig äußert düstere Einschätzung: „Wir produzieren Sozialfälle“

Andreas Rettig (l.) und Thomas Kessler sprechen bei „E Levve lang – Der Talk zum FC“ über den Profi-Fußball.

Andreas Rettig (l.) und Thomas Kessler am Dienstag (8. Oktober 2024) bei „E Levve lang – Der Talk zum FC“.

Andreas Rettig kennt den Fußball in all seinen Facetten – und weiß damit auch über die Schattenseiten Bescheid. Darüber sprach der frühere FC-Manager jetzt im Talk mit Thomas Kessler.

von Béla Csányi  (bc)

Wenn er warnt, ist Vorsicht geboten! Andreas Rettig (61) kennt den Fußball wie kaum ein anderer in Deutschland, der frühere FC-Manager ist seit 40 Jahren in zahlreichen Funktionen Teil der Branche.

Daher weiß Rettig genau: Der Fußball ist ein Hochglanz-Geschäft, in dem neben schönen Toren auch dicke Verträge und volle Geldbeutel eine entscheidende Rolle spielen. Dass es auch diese schmerzhafte Kehrseite gibt, hat der DFB-Geschäftsführer am Dienstag (8. Oktober 2024) bei „E Levve lang – Der Talk zum FC“ erläutert.

Thomas Kessler über Profi-Geschäft: „Demut an den Tag legen“

In der Gesprächsrunde von EXPRESS und Kölner Stadt-Anzeiger, bei der auch Lizenzbereich-Leiter Thomas Kessler (38) vom 1. FC Köln zu Gast war, ging es unter anderem über das Leben der Fußballer abseits des Platzes.

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Schnell wurde dabei deutlich: Der Leitsatz „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ gilt für junge Fußballer definitiv nicht mehr. Mussten sich Talente ihre Sporen früher auch erst mal als Wasserträger oder beim Schleppen der Tore auf dem Trainingsplatz verdienen, herrschen abgeflachte Hierarchien inzwischen auch in den Bundesliga-Kabinen.

„Ich war als Jugendspieler in der damaligen Zeit zumindest noch ein bisschen anders unterwegs als das heute so mit 18, 19 ist. Da sind die Jungs alle schon sehr selbstbewusst“, sagte Kessler über die veränderte Rolle junger Spieler: „Das hat sich im Laufe der Jahre extrem gewandelt.“

Rettig, für den Werte wie Bodenständigkeit und Bescheidenheit bei allem Geld stets eine große Rolle gespielt hatten, schlug aber auch die Brücke zur Zeit nach der Karriere.

Würden vielen Fußballern zu aktiven Zeiten noch alle Türen offenstehen, könne es nach der Laufbahn schnell auch mal ungemütlich werden. Gerade, wenn es nicht für ganz oben gereicht hat: „Da verdienen Spieler immer noch, verglichen mit dem Fließbandarbeiter, sehr viel Geld. Aber das hört mit 35 auf.“

Über viele Fälle, etwa aus der 3. Liga oder den noch immer ambitioniert geführten Regionalligen, sagte Rettig daher: „Man muss frühzeitig erklären: Pass mal auf, mit 35 hast du noch die größten Schritte deines Lebens vor dir. Und da musst du auch Geld verdienen.“

Der Fußball als Durchlauferhitzer sorgt so zwar zuverlässig für neue Talente und Hoffnungsträger, dafür verabschieden sich aber auch viele bedrohte Existenzen. „Wir produzieren Sozialfälle“, warnte Rettig drastisch und appellierte an alle Vereine, die Spieler frühzeitig auf den oftmals unbequemeren weiteren Lebensweg vorzubereiten.

Der stehe laut Kessler selbst jenen bevor, die den Profi-Status über viele Jahre hätten auskosten dürfen. Beispiele wie Jonas Hector (34), der auch nach der Karriere den Status als Liebling der Massen innehabe, seien eher die Ausnahme: „Irgendwann kommt dieser Tag, da ist das Profi-Leben vorbei. Das müssen die Jungs verstehen und sie müssen Demut an den Tag legen.“