Die großen Sieger gegen UngarnDeutsches Duo zeigt es den Kritikern – „müssen alle mehr vertrauen“

Deutschlands Spieler Ilkay Gündogan (l) und Toni Kroos jubeln nach dem Abpfiff.

Sonderlob für den Kapitän: Toni Kroos herzte Ilkay Gündogan (l.) nach dem Sieg gegen Ungarn am Mittwoch (19. Juni 2024) besonders.

Daran, dass Deutschland schon nach zwei EM-Partien im Achtelfinale steht, hatten zwei Spieler besonderen Anteil. Manuel Neuer hielt sein Tor sauber, Ilkay Gündogan ging als Anführer voran.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Eine Woche ist es erst her, da startete Deutschland in die Heim-Europameisterschaft mit einigen Fragezeichen. Julian Nagelsmann (36) hatte sich bereits früh auf seine Turnier-Startelf festgelegt, doch bei den Fans gab es noch reichlich Skepsis. Vor allem der Stammplatz für zwei Akteure wurde eifrig diskutiert.

Der Legenden-Status von Keeper Manuel Neuer (38) wackelte nach dessen Flutschfinger-Ausrutschern bei Bayern und im Länderspiel-Test gegen Griechenland. Und Kapitän Ilkay Gündogan (33) fiel im Zusammenspiel mit den Offensiv-Zauberern Jamal Musiala (21) und Florian Wirtz (21) ab. Viele Experten forderten lieber Leroy Sané (28) in der ersten Elf.

Ilkay Gündogan aktuell der beste Scorer der Europameisterschaft

Nach dem 2:0-Sieg gegen Ungarn und dem vorzeitigen Sprung ins Achtelfinale durften vor allem diese beiden Spieler am Mittwoch (19. Juni 2024) glücklich in den Bus zurück zum Team-Camp steigen. Gündogan wurde von der Uefa zum Spieler des Spiels gekürt. Mit drei Vorlagen und einem Tor ist der Mittelfeldspieler aktuell der beste Scorer bei der EM.

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„Für Illy freut es mich, weil natürlich seine Karriere in der Nationalmannschaft noch nicht so von Erfolg gekrönt war wie seine Klub-Karriere“, sagte Toni Kroos (34). „Ich hoffe, dass er aus dem gefühlten Schatten heraustritt während des Turniers. Wir haben keine Zweifel, was für ein Spieler er ist“.

Auch der Bundestrainer weiß, dass sein Kapitän in der Öffentlichkeit wesentlich kritischer gesehen wird als intern. „Wir müssen ihm alle mehr vertrauen in diesem Land. Er hat extreme Erfolge gefeiert, ist einer der besten Spieler bei Manchester City gewesen und hat auch in Barcelona eine gute Saison gespielt“, sagte Nagelsmann. „Heute hat er ein super Spiel gemacht und ein tolles Tor, den musst du erst mal so verwerten, mit dem ‚schwachen‘ Fuß. Ich habe großes Vertrauen in ihn und weiß, was in ihm steckt. Ich bin ganz sicher, dass es so weiter geht.“

Als Gündogan in der 67. Minute mit links zum 2:0 traf, war die Partie zu Gunsten von Deutschland entschieden. Bei der Auswechslung in der 84. Minute sollte es eigentlich Sonderapplaus für die Nummer 21 geben. Durch die Einwechslung von Lokalmatador Deniz Undav (27) gingen die Ovationen für den Käpt’n etwas unter.

Ilkay Göndogan trifft gegen Deutschland.

Mit seinem Tor zum 2:0 entschied Ilkay Gündogan die Partie gegen Ungarn endgültig.

Gündogan nahm die Lobeshymnen nach dem Triumph fast schon schüchtern entgegen. „Ich wollte immer geduldig bleiben und meine Aufgaben auf dem Platz so gut wie möglich erfüllen, ohne mich dabei allzu wichtig zu nehmen. Je öfter man zusammen trainiert und spielt, desto besser ist das Gefühl für den Nebenmann“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Ich fühle mich extrem wohl in dieser Mannschaft. Ob ich jetzt ein Tor geschossen habe oder ‚Player of the Match‘ bin, das sind Bonusgeschichten“.

Nur einmal wurde der fünffache englische Meister noch etwas deutlicher. Weil sich die Ungarn nach der Partie weiterhin wahnsinnig über das 1:0 aufregten und den Einsatz des Kapitäns gegen Willi Orban (31) als Foulspiel werteten, konterte er die Beschwerden lässig. „Ich war ein bisschen überrascht, dass sich die ungarischen Spieler beschwert haben. Ich habe sieben Jahre in der Premier League gespielt. Da hätten sie sich kaputt gelacht, wenn das Tor nicht gegeben worden wäre.“

Deutschlands Joshua Kimmich (l) und Deutschlands Jonathan Tah (r) mit Deutschlands Torhüter Manuel Neuer nach einer Parade.

Begeisterung nach einer spektakulären Doppel-Parade. Joshua Kimmich (l.) und Jonathan Tah feiern Torhüter Manuel Neuer.

Ähnlich zurückhaltend wie Gündogan ging auch Deutschlands Nummer eins mit den Würdigungen um. Zum ersten Mal seit dem EM-Achtelfinale 2016 blieb die DFB-Elf in einem Turnierspiel ohne Gegentor. Es folgten zwölf Partien bei WM- und EM-Turnieren, in denen Neuer immer einen oder zwei Gegentreffer kassierte.

Deutschland erstmals seit 2016 ohne Gegentor in einem Turnierspiel

Schon nach 14 Sekunden war der Keeper nach einem missratenen Anstoßtrick gefordert, es folgten weitere starke Paraden gegen die Ungarn. Wie Joshua Kimmich (29) und Jonathan Tah (28) ihren Schlussmann nach einer Parade feierten, war eines der bisher stärksten Bilder des Turniers.

Neuers Leistung war die perfekte Antwort auf die schwelende Torwart-Debatte, auch wenn der Münchner davon nichts wissen wollte. „Im ersten Spiel bin ich auch schon im Turnier angekommen, auch wenn ich nicht viel zu tun hatte“, sagte er. „Zu null zu spielen, ist aber immer gut. Umso schöner, dass es gelungen ist.“

„Er ist ein überragender Torhüter, er halt top gehalten und das gibt einem als Verteidiger ein brutales Gefühl, wenn er hinter einem steht“, freute sich Jonathan Tah (28).

Dass Deutschland seit acht Jahren nicht mehr ohne Gegentreffer geblieben ist, war Abwehr-Boss Antonio Rüdiger (31) gar nicht bewusst. „So lange schon?“, sagte er lachend. „Wir müssen uns erst mal bei Manuel Neuer bedanken. Er hat einen sehr guten Job gemacht.“ Und auch für Gündogan hatte der Champions-League-Sieger noch ein Lob: „Ilkay ist ein stiller Leader“.