Kommentar zur Bayern-KriseJulian Nagelsmann liegt mit seiner Analyse komplett falsch

Julian Nagelsmann schaut während eines Interviews nachdenklich gen Himmel.

Bayern Münchens Trainer Julian Nagelsmann redet sich die Bayern-Ergebnisse schön. Das Foto entstand am 28. Januar 2023.

Krise, welche Krise? Auch nach dem dritten 1:1 in Folge bleibt Bayern Münchens Trainer Julian Nagelsmann gelassen. Er sieht lediglich eine „Ergebniskrise“ – doch damit liegt er komplett falsch. Ein Kommentar.

von Denis Canalp  (can)

Julian Nagelsmann (35) redet gerne und viel. Der Bayern-Trainer hat eigentlich zu jedem Thema eine Meinung – und tut diese auch offen kund. Auch wenn es um sportliche Probleme rund um den FC Bayern geht, bleibt Nagelsmann auskunftsfreudig. Mit seiner Analyse liegt er aber daneben. Ein Kommentar.

Nach dem 1:1 gegen Eintracht Frankfurt (Samstag, 28. Januar 2023), dem dritten Unentschieden in Folge im Jahr 2023, wollten Journalisten auf der Pressekonferenz wissen, ob sich der FC Bayern nun in einer sportlichen Krise befinde. Schließlich hatte der Rekordmeister auch schon in Leipzig und gegen Köln jeweils zwei Punkte liegen gelassen.

Julian Nagelsmann: „Es gibt im Leben schlimmere Dinge als das“

In der Tabelle ist der Vorsprung der Bayern dadurch nach nur drei Begegnungen auf gerade einmal ein Pünktchen auf Verfolger Union Berlin eingedampft. RB Leipzig und der SC Freiburg folgen mit jeweils einem Zähler Abstand – die Meisterschaft ist so spannend wie seit Jahren nicht mehr.

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Für Nagelsmann kein Grund, in Panik zu verfallen. „Wenn man die Ergebnisse nicht liefert, ist es eine Ergebniskrise. Es gibt im Leben schlimmere Dinge als das. Aber es ist kein guter Ergebnislauf“, sagte der frühere Hoffenheim- und Leipzig-Trainer nach dem dritten Negativ-Ergebnis in Serie.

Sicherlich hat Nagelsmann recht, wenn er sagt, dass es im Leben schlimmere Dinge als drei Unentschieden gibt. Für einen Trainer des FC Bayern klingt der Satz jedoch auffällig ambitionslos. Und das, nachdem Nagelsmann schon in der Hinrunde nach vier Remis in Folge ordentlich in die Kritik geraten war.

Dabei geht es weniger um die Ergebnisse als die Spielweise der Münchener. Und die Mängelliste ist lang. Sehr lang. Es fehlt die spielerische Dominanz, die Durchschlagskraft im Angriff und die Kreativität im Mittelfeld. Wenigstens die Abwehr steht derzeit um die bärenstarken Innenverteidiger Matthijs De Ligt (23) und Dayot Upamecano (24) relativ sicher.

In den drei Spielen 2023 überzeugten die Bayern nicht, erspielten sich auch nur wenig klare Chancen. Selbst gegen hoffnungslos überforderte, aber aufopferungsvoll kämpfende Kölner gelang es der Nagelsmann-Elf nicht, sich absolut zwingende Torchancen zu erspielen.

Ein Sonntagsschuss von Joshua Kimmich (27) in der 90. Minute rettete den Bayern gerade noch so einen Zähler gegen den FC. Doch auch nach diesem Spiel redete Nagelsmann sich alles schön, sprach völlig weltfremd von einer „Benchmark“, die sein Team in der zweiten Hälfte spielerisch gesetzt habe.

Selbstkritik? Bei Nagelsmann nicht vorhanden. Dabei hatten sich die Bayern mit lediglich 36 Punkten die Herbstmeisterschaft gesichert – die schwächste Punkteausbeute eines Herbstmeisters seit Bayer Leverkusen 2010/11. Vor dem Frankfurt-Spiel hatte er „Haltung“ als die neue Zauberformel für den Erfolg beim FC Bayern ausgemacht. Am Ende haperte es an der Umsetzung seiner Spieler. Vielleicht hätte Nagelsmann ihnen mehr als ein inhaltsloses Schlagwort mit auf den Weg geben sollen.

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Seine Analyse zum 1:1 gegen Frankfurt fiel dementsprechend mau aus. „Wir können viel mehr dafür tun, dass wir Selbstvertrauen kriegen – auch inhaltlich. Es gibt viele Punkte, die wir besser machen können. Es ist sehr schwer, wenn der Gegner so tief verteidigt. Wir spielen nur über den Flügel, kaum durchs Zentrum. Dann wird es sehr schwer, die nötige Torgefahr reinzubringen.“ Ein Plan, wie es wieder besser geht? Fehlanzeige!

Nagelsmann setzt auf die individuelle Klasse seiner Profis. Und auf diese kann er sich in der Regel auch verlassen, doch für die Ansprüche des FC Bayern ist das einfach viel zu wenig. Der Bayern-Fußball unter Nagelsmann weckt derzeit Erinnerungen an den Fußball unter Niko Kovac in den Spielzeiten 2018/19 und 2019/20 – und das ist wahrlich kein Kompliment.

Und auch abseits des Platzes geht es bei den Bayern drunter und drüber. Neben den ausbleibenden Siegen in der Bundesliga beschäftigt Nagelsmann der Ausflug zur Fashion Week von Serge Gnabry. Die Trennung von Manuel Neuers Torwarttrainer und Vertrauten Toni Tapalovic, der die Zusammenarbeit mit Nagelsmann als schwierig empfand, transportiert ebenfalls Unruhe in den Klub – und fällt ebenfalls in Nagelsmanns Zuständigkeitsbereich.

Nagelsmann muss schnellstens wieder die Kurve kriegen. Ergebnisse, da hat er recht, müssen sofort her. Für dauerhaften Erfolg in München, beim größten Klub in Deutschland, braucht Nagelsmann aber mehr. (can)