Daniel Ginczek erklärt im EXPRESS-Gespräch, warum Thomas Müller es nach seiner aktiven Karriere vielleicht etwas schwerer haben könnte als andere Profifußballer.
Interview mit Fortunas Star-StürmerGinczek: „Ein Thomas Müller kennt das nicht“
von Patrick Scherer
Im zweiten Teil des großen EXPRESS.de-Interviews vom 30. März 2022 erzählt Daniel Ginczek (30), wie ihn seine schweren Verletzungen geprägt haben. Zudem hat er das Ziel, mit Fortuna Düsseldorf Erfolge zu feiern, die ihn mit dem Klub verbinden. Und Ginczek spricht vor dem Spiel beim Karlsruher SC am 3. April 2022 über den Ukraine-Krieg und die Auswirkungen auf den Fußball.
Was war die bisher schönste Zeit in Ihrer Karriere?
Daniel Ginczek: Es war wirklich überall schön. In Stuttgart habe ich mich das erste Halbjahr gar nicht wohlgefühlt, am Ende war ich vier Jahre da. So ein Aufstieg verbindet dann auch. In Nürnberg habe ich mein erstes Bundesligaspiel gemacht. Mit Bochum in Düsseldorf dann mein erstes Zweitligaspiel. Bei St. Pauli habe ich den Durchbruch geschafft. In Wolfsburg habe ich Champions League gespielt. In Dortmund wurde ich Profi. Es waren überall positive Erlebnisse dabei.
Was muss passieren, damit Fortuna die schönste Zeit der Karriere wird?
Ginczek: Klar, könnte ich jetzt das schöne Leben in der Stadt anführen. Aber ich bin ja hier, um Fußball zu spielen. Erfolge wie ein Aufstieg, oder im Pokal weit zu kommen, das strebt man an, so etwas verbindet dann mit dem Verein. Das braucht es. Ich will jedenfalls nach der Karriere durch die Stadt gehen und nicht durchbeleidigt werden (lacht). Vielleicht kommt daher nochmal eine Portion Extra-Mentalität. Aber ich bin ohnehin sehr ehrgeizig.
Der KSC ist am Sonntag (3. April) der nächste Gegner – da ist ein Ex-Stuttgarter doch richtig heiß, oder?
Ginczek Ich durfte zwei dieser Derbys spielen. Da war einiges los, auch vor und nach dem Spiel. Klar wird es jetzt auch Nachrichten aus Stuttgart geben, wenn wir beim KSC gewinnen sollten. Aber: Ich will mit Fortuna gegen Köln, Gladbach oder Leverkusen spielen. Das werden die echten Derbys, die wir besonders für die Fans gewinnen wollen.
Sie hatten ein paar schwere Verletzungen. Wie hat das Ihre Sicht auf Ihren Beruf verändert?
Ginczek Wenn du nicht spielst, interessiert sich keine Sau mehr für dich. Das mediale Interesse geht gegen null. Es hat schon wehgetan, nur zuzuschauen. Aber es erdet einen. Und ich habe die Zeit genutzt, um an meinen Schwächen zu arbeiten. Dass ich nach diesen ganzen Verletzungen noch auf dem Niveau spielen kann, zeigt auch meinen Ehrgeiz. Ich genieß’ jetzt jedes Training, jedes Spiel. Ich bin dankbarer als vorher. Ein Thomas Müller kennt das vielleicht nicht, weil er immer gespielt hat, weil er immer fit war. Gott sei Dank! Aber für mich wird dadurch vielleicht der Einstieg in die Zeit nach der aktiven Karriere einfacher.
Ginczek: Nach der Karriere Jugendtrainer?
Wissen Sie denn schon, was danach passiert?
Ginczek: Im Fußball geht es schnell. Ich kann mir vorstellen, Jugendtrainer zu werden, vielleicht auch Sportdirektor. Cheftrainer wohl eher weniger. Mal schauen. Ich will dem Fußball jedenfalls erhalten bleiben. Aber: Wenn sich nichts ergibt, mach’ ich halt was anderes. Ich bin jetzt auch nicht auf den Fußball fixiert. Die Familie wird dabei sicher mitsprechen dürfen.
Sie haben mit ihrer Frau drei Töchter. Wie ist denn das Leben mit vier Frauen zu Hause?
Ginczek Zum Glück hab ich noch einen Rüden als Hund – das war ganz wichtig (lacht). Natürlich habe ich gehofft, ich kriege vielleicht auch einen kleinen Fußballer. Aber vielleicht ist es auch ganz gut so, sonst würde ich ihn bestimmt auch mal anschreien auf dem Platz... Aber generell: Familie und Freunde sind so wichtig. Meine Frau hat sehr gelitten, weil sie meine schlechten Launen aushalten und sich teilweise allein um die Kinder kümmern musste, wenn ich international unterwegs war. Die Familie gibt mir schon unheimlich Rückhalt!
Gibt es auch fachliche Kritik zu Hause?
Ginczek Die Kinder bewerten mich zum Glück nicht nach meiner Leistung (lacht). Wobei meine beiden Großen mit acht und sechs Jahren das jetzt schon mitbekommen. Sie fangen jetzt schon an: „Papa, Papa, warum hast du heute kein Tor geschossen?“ Langsam wird’s härter.
Sie wirken sehr reflektiert, denken über den Tellerrand hinaus: Zwei Jahre Corona-Pandemie, plötzlich Krieg in Europa – wie wichtig ist da der Fußball eigentlich noch?
Ginczek Fußball ist im Vergleich zu diesen Themen überhaupt nicht wichtig. Man muss sich darüber im Klaren sein: Wenn wir ein Spiel verlieren oder über das Tor schießen, stirbt kein Mensch. In der Ukraine ist gerade sinnloser Krieg, weil ein Mensch durchdreht. Das beschäftigt uns auch in der Kabine. Wir tauschen uns darüber auch aus. Fußball kann aber als Anhaltspunkt für viele Menschen dienen. Fußball verbindet wirklich. Es treffen so viele Nationalitäten und Mentalitäten aufeinander, die dann in einem Team funktionieren. Wir wollen Spieler aus der ganzen Welt integrieren, und wenn wir die Sprache nicht sprechen, machen wir es mit Händen und Füßen. Wir wollen, dass sich jeder Neue bei uns wohlfühlt. Das kann Vorbild für die Welt sein.