Ein Jahr nach der Final-Niederlage bei der EM sollte Deutschland bei der Frauen-WM die nächste Euphorie-Welle entfachen. Das peinliche Aus in einer einfachen Gruppe ist auch deshalb unverzeihlich. Ein Kommentar.
Frauen-WMKommentar zum Deutschland-Debakel: Trümmerhaufen DFB killt die Frauenfußball-Euphorie
von Béla Csányi (bc)
368 Tage lagen zwischen dem größten Boom-Auslöser im deutschen Frauenfußball und dem ersten ganz großen Tiefpunkt einer neuen Euphorie-Welle. Fast exakt ein Jahr zwischen Sturm ins EM-Finale und Fiasko in der WM-Gruppenphase.
Weil die Auftritte der DFB-Auswahl den Fußball der Frauen in Deutschland mit einer glänzenden EM so großartig befeuert hatten, ist der Absturz bei der Weltmeisterschaft umso dramatischer. So schade es auch ist: Das Drei-Spiele-Intermezzo in Australien wird Spuren hinterlassen.
DFB-Auftritte erweisen Frauenfußball einen Bärendienst
Fans, sportbegeisterte Mädchen und alle Klubs der Frauen-Bundesliga waren am Donnerstag (3. August 2023) gleichermaßen vor den Kopf gestoßen.
Von Rekord-Zahlen in den Stadien oder Quoten-Bestmarken im Fernsehen wird sich der Sport wohl vorerst verabschieden müssen. Und damit auch von dringend benötigten Geldern für die weitere Entwicklung. Zu eng ist die von der DFB-Auswahl selbst erst eingeleitete Aufbruchsstimmung mit dem Schicksal des Nationalteams verknüpft. Im Positiven war das ab 2022 zu sehen – jetzt geht es in die entgegengesetzte Richtung.
Dass der Deutsche Fußball-Bund auf ein solches Fiasko nicht vorbereitet war, zeigt der Plan von Präsident Bernd Neuendorf. Er wollte pünktlich zur K.o.-Phase nach Down Under jetten. Statt Achtelfinale im Stadion heißt es für ihn nun Krisensitzung in der DFB-Zentrale. Dabei wird sich auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg erklären müssen, die schon seit Monaten keine Mittel gegen die schleichende Krise fand.
Gegen Kolumbien kam Deutschland mit der Härte einer zugegeben aufstrebenden Frauenfußball-Nation nicht klar. Doch gegen Südkorea war das Kontingent an Ausreden erschöpft. Der Auftritt komplett planlos, es fehlte erst an Tempo, dann an Kreativität und schließlich an einem Plan beim verzweifelten Aufbäumen mit der Brechstange. Ein Einwirken von außen war nicht zu erkennen.
Der gesamte DFB liegt sportlich in Trümmern
Ohne Tor und Punkt war Abschluss-Gegner Südkorea praktisch schon ausgeschieden. Eine Pflicht-Aufgabe für den fest eingeplanten Sprung ins Achtelfinale. Doch dann düpierte der Außenseiter die DFB-Auswahl in der stürmischen Anfangsphase, erkämpfte sich trotz bescheidener Mittel ein Unentschieden, das viel zu selten wirklich wackelte.
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Es setzte sich das fort, was sich vor dem Turnier schon bei peinlichen Test-Auftritten gegen Vietnam (2:1) und Sambia (2:3) angedeutet hatte. Zur Einordnung: Beide WM-Debütanten, die Deutschland derart große Probleme bereitet hatten, scheiterten in ihren Gruppen sang- und klanglos.
Kritik gebührt allerdings nicht nur den viel zu oft hilflos wirkenden Spielerinnen, sondern auch dem gesamten Verband, der jetzt auch sein letztes sportlich erfolgreiches Zugpferd verloren hat. Der größte nationale Sportverband der Welt: Ein Trümmerhaufen. Die Männer von Bundestrainer Hansi Flick? In der Dauer-Krise. Die einst so erfolgreiche U21? Bei der EM vor wenigen Wochen ohne Chance. Da tut das Vorrunden-Aus der Frauen besonders weh.
Schlimmer kann es da eigentlich nicht mehr werden, möchte man meinen. Die Mischung aus Ideenlosigkeit und Überforderung bei praktisch allen Verantwortlichen lässt allerdings auch die Befürchtung zu, dass es bei diesem DFB so schnell auch nirgends besser wird.