Der frühere Nationaltorhüter René Adler begleitet die EM 2024 als Experte im ZDF. Mit EXPRESS.de sprach er vorab über seine TV-Jobs, seinen Blick auf das Turnier und die Bewertung der Torwart-Entscheidung.
TV-Experte im ZDFEx-Nationalkeeper René Adler erklärt Fan-Rolle bei EM: „Gemischte Gefühle“
von Béla Csányi (bc)
Ein großes Turnier als Stammtorhüter der deutschen Nationalmannschaft war René Adler (39) verletzungsbedingt nie vergönnt. Entsprechend groß ist die Vorfreude des zwölfmaligen Nationalspielers auf die Heim-EM 2024, die er als ZDF-Experte intensiv verfolgen wird.
Mit Einschätzungen zur Lage rund um die DFB-Elf und alle weiteren Titel-Konkurrenten beim Turnier wird Adler regelmäßig Teil im „Morgenmagazin“ und „Mittagsmagazin“ beim ZDF sein. Mit EXPRESS.de sprach er vorab schon einmal über seine Erwartungen an das Turnier, die Torhüter-Frage in der Nationalmannschaft sowie die eigenen Pläne für künftige Fußball-Jobs.
René Adler geht optimistisch in die EM 2024
René Adler, mit der Heim-EM steht Ihr erstes großes Turnier als TV-Experte an. Steigt auch bei Ihnen schon die Vorfreude?
René Adler: Ich mache das jetzt seit fünf Jahren und natürlich kann ich nicht bestreiten, dass ich Deutschland-Fan bin. Ich habe selbst früher für mein Land gespielt, das ist einfach die größte Auszeichnung, die dir zuteil kommen kann als Sportler. Deswegen ist es schön, weil ich weiß, wie sich die Jungs da fühlen.
Wie verfolgen Sie in dieser Rolle die Turnierspiele? Schauen Sie automatisch durch die Analyse-Brille oder genießen Sie viele Partien auch einfach als Fußball-Fan?
Adler: Es sind auf jeden Fall gemischte Gefühle. Ich weiß, mit welcher Energie und welchen Gefühlen auch meine Freunde diese Mannschaft unterstützen. Das alles miteinander zu verbinden, mit analytischem Blick und der Perspektive als Ex-Spieler, das finde ich super. Gleichzeitig ist es auch die große Herausforderung, diesen Blickwinkel dann mit meiner eigenen Meinung als Experte zu verbinden. Losgelöst nur mit analytischem Blick geht nicht – dafür bin ich zu emotional.
Sie waren bei einzelnen Spielen schon ZDF-Experte, begleiten bei Sat.1 und Sky sogar Spiele als Co-Kommentator. War Ihnen direkt nach dem Karriereende klar, dass diese TV-Jobs das Richtige für Sie sind?
Adler: Durch die unglückliche Konstellation, dass ich in meinem letzten Vertragsjahr in Mainz wegen eines Knorpelschadens praktisch komplett außen vor war, wurde mir vom Verein die Freiheit für diese neue Perspektive gegeben. Ich betone auch jedes Mal aufs Neue, dass ich dafür sehr dankbar bin. Gleichzeitig wussten die Verantwortlichen auch, dass ich weiterhin meine Rolle erfülle und meine professionelle Haltung in die Mannschaft hereintrage. Im Gegenzug durfte ich auch mal nach links und rechts schauen und erste TV-Jobs wahrnehmen. Ich habe dann auch vieles ausprobiert und mich später entschieden, bei ausgewählten Formaten bewusst mehr Zeit zu investieren.
Ist für Sie langfristig vorstellbar, noch einmal in Trainer- oder Funktionärsrolle in den Fußball-Alltag zurückzukehren?
Adler: Ich bewerte das immer situativ. Für meine Zeit nach dem Karriereende war es genau richtig. Damals hat sich die Konstellation als TV-Experte und Keynote-Speaker in der Wirtschaft ergeben, dazu kommt ein eigener Podcast. Über allem steht für mich immer das gegenseitige Lernen in all diesen Bereichen. Ausgeschlossen habe ich für mich nur eins: dass ich mal Trainer werde. Ich möchte eine feste Basis haben, auch für meine Familie, da passt dieser Job nicht in meine Pläne. Einen Job als Funktionär habe ich nicht ausgeschlossen, aber es muss zur richtigen Zeit der richtige Job sein. Das ist daher nichts, was ich strategisch plane.
Jetzt gilt auch bei Ihnen der volle Fokus erst mal der EM: Was trauen Sie Deutschland beim Turnier im eigenen Land zu?
Adler: Ich kann den Fan, der in mir schlummert, nicht ganz außer Acht lassen. Deshalb hoffe ich schon, dass wir ins Halbfinale kommen. Und das ist auch durchaus möglich. Dafür müssen aber gewisse Parameter eintreffen: Die Nationalmannschaft muss das Auftaktspiel in einer Art und Weise gewinnen, die Fußball-Deutschland mitreißt und ein Momentum entstehen lässt, das auch die Spieler antreibt. Außerdem muss das Team von Verletzungen verschont bleiben und mit Selbstvertrauen durch das Turnier gehen. In der K.o.-Runde bräuchte es dann noch etwas Losglück – und mit der entsprechenden Tagesform ist hinten raus einiges drin.
Torwart-Frage beim DFB: Adler über Entscheidung und deren Zeitpunkt
Als ehemaliger Torhüter dürften Sie die Wahl zur Nummer eins von Julian Nagelsmann besonders interessiert verfolgt haben. Wie sehen Sie die Entscheidung für Manuel Neuer?
Adler: Ich bin jemand, der nicht vergisst, was er vor ein paar Monaten gesagt hat. Da habe ich mich sehr stark für die Perspektive von Marc-André ter Stegen ausgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war Manuel Neuer allerdings noch verletzt – niemand wusste, ob und wie er noch einmal zurückkehren würde. Jetzt bricht mir kein Zacken aus der Krone, wenn ich mit vollster Hochachtung sage: Es gibt wahrscheinlich keinen Torhüter auf der Welt, der in der Form und auf diese Art und Weise von einer Verletzung zurückgekommen ist wie Manuel. Dadurch war die Entscheidung für Nagelsmann auch einfacher zu treffen, weil ihm die Erklärung durch die starken Leistungen nach dem Comeback und der Rücken-OP bei ter Stegen zur denkbar ungünstigsten Zeit praktisch abgenommen wurde.
Das Torhüter-Thema wurde schon frühzeitig geklärt. Der richtige Weg oder hätte Nagelsmann beiden Kandidaten bis zuletzt die Aussicht auf den Platz zwischen den Pfosten zugestehen müssen?
Adler: Für mich war auch der Zeitpunkt der Entscheidung verständlich, weil Neuer der Platzhirsch ist und durch die klare Wahl zur Nummer eins gestärkt wurde. Wenn Nagelsmann sich für ter Stegen entschieden hätte, glaube ich, dass er und sein Trainerteam die Entscheidung so weit wie möglich herausgezögert hätten. Dann machst du weit vor der EM unnötig ein Fass auf. Wenn Neuer nicht gespielt hätte, hätte das deutlich höhere Wellen geschlagen. Deshalb kann ich den Prozess der Entscheidung absolut nachvollziehen.
Nagelsmann hat dazu auch die Entscheidung über seine eigene Zukunft schon vor der EM getroffen. Was halten Sie von seinem Verbleib als Bundestrainer?
Adler: Er hat sicherlich auch andere Optionen, auch besser bezahlte, für den Bundestrainer-Job ausgeschlagen, zeigt damit auch sein Commitment. Die Entscheidung geht also auch mit Verzicht einher, das empfinde ich als gutes und wichtiges Zeichen. Auch, weil Nagelsmann die Rolle als Nationaltrainer als absolute Auszeichnung sieht. Auf der anderen Seite haben wir beim DFB auch Erfahrungen gemacht, dass Verträge im Voraus langfristig verlängert wurden, ohne dass das spätere Abschneiden bei Turnieren dann eine wichtige Rolle gespielt hat. Auch diese Messbarkeit muss gegeben sein.