Der Tod von Robert Enke liegt zwölf Jahre zurück, der Suizidversuch von Babak Rafati zehn Jahre. Nun sprach der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter über seine Depressionen.
„Dachte, ich sei Dreck“Suizidversuch vor FC-Spiel: Babak Rafati blickt auf dunkelste Zeit zurück
Köln. Am Freitag (19. November 2021) ist es exakt zehn Jahre her, dass der damalige Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati (51) versucht hat, sein Leben zu beenden. Wie auch Robert Enke (†32) litt Rafati unter Depressionen, fühlte sich wertlos, kam mit dem Druck, der auf ihm lastete, nicht klar.
Zuvor war Rafati von den Spielern der Bundesliga viermal zum „schlechtesten Bundesligaschiedsrichter“ gewählt worden. Nun äußerte sich Babak Rafati gemeinsam mit seiner Frau Rouja über die schwierigste Zeit ihres Lebens.
Babak Rafati: „Ich wollte mich aus dem Auto werfen“
Hintergrund: Es war der 19. November 2011, als sich Babak Rafati das Leben nehmen wollte: Vor dem Spiel zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 fanden ihn seine Assistenten blutüberströmt in der Badewanne eines Kölner Hotels vor. Rafati hatte versucht, sich mit Glasscherben selbst zu töten. Doch der Versuch misslang dank der Erste-Hilfe-Maßnahmen und des Notarzt-Einsatzes.
Nach dem Selbstmordversuch im Hotel musste Rafati auf die Polizeiwache, um seine Aussage zu zu tätigen. Ein schwieriges Unterfangen für den Schiedsrichter, zumal er den Eindruck hatte, die Polizisten glaubten seinen Schilderungen nicht. Vor der Tür wartete seine Frau samt Schwiegermutter. „Auf der Rückfahrt wollte ich mich aus dem Auto werfen, aber meine Schwiegermutter hat das verhindert“, beschreibt der in Iran geborene Rafati der „Bild“.
Babak Rafati: „Ich war mir sicher, dass sich mich verlassen wird“
Dass sich Babak Rafati gefangen und das Positive im Leben wiederentdeckt hat, verdankt er seiner Ehefrau: „Rouja ist mein Sechser im Lotto, ohne sie würde ich hier heute nicht sitzen.“
Dennoch zweifelte er nach seinem Suizidversuch auch an der Loyalität seiner Gattin: „Ich war mir sicher, dass sie mich verlassen wird.“ Doch für Rouja kam das nie infrage. „Natürlich war es eine Scheißzeit und wir sind durch die Hölle gegangen. Dann kamen die Schuldgefühle dazu und die Frage, ob ich das hätte verhindern können. Aber an Trennung habe ich wirklich nie gedacht“, erklärt sie.
„Sie hat sich in den beschissensten Zeiten für die dunklen Seiten des Babak Rafati interessiert“, erläutert der Ex-Referee seine Beziehung zu Rouja. „Als Depressiver geht es darum, gesehen, gehört und verstanden zu werden. Und das hat sie getan.“
Rouja Rafati fiel der Umgang mit ihrem Mann zunächst schwer. „Ich hatte ja keine Ahnung von Depressionen, dann habe ich recherchiert und die Therapiestunden mitgemacht. Das hat mir geholfen, ihn zu verstehen“, gibt Rouja Rafati an.
Bastian Schweinsteiger schrieb Brief an Babak Rafati
Auf die Frage, ob sich Freunde nach seinem Selbstmordversuch abgewandt hätten, antwortete Babak Rafati: „Nicht nur Freunde, auch Familienmitglieder und Schiedsrichter-Kollegen. Viele hatten wohl Schamgefühle. Ich dagegen hatte Schuldgefühle. Ich dachte, ich sei Dreck und jetzt wenden sich diese Leute auch noch von mir ab. Heute ist mir das völlig egal.“
Andere hingegen unterstützten ihn damals. Zu diesen Menschen zählt auch Bastian Schweinsteiger (37), der damals noch für den FC Bayern München spielte. Schweinsteiger schrieb Rafati einen Brief, wünschte ihm Kraft und eine gute Besserung.
Das neue Leben der Familie Rafati
Gerade plant Rafatis Familie ihren Umzug nach Dubai, im Oktober ist ihr gemeinsamer Sohn Etienne zur Welt gekommen. Angst um ihren Mann hat Rouja Rafati heute, zehn Jahre nach seinem Selbstmordversuch, nicht mehr: „Babak ist kerngesund. Wir sind jetzt fast rund um die Uhr zusammen, da wir ja auch zusammen arbeiten. Dadurch sind wir uns noch näher gekommen.“
Aktuell hält Rafati Vorträge zum Thema Druck und Stress. Rouja koordiniert die Termine. Hauptsächlich in Firmen berichtet er von seinen Erfahrungen und gibt Tipps. „Das Honorar liegt zwischen 6000 und 10.000 Euro“, gibt Rafati an und ergänzt: „Für Schulen […] machen wir es natürlich billiger.“(jm)