Altstadt-Bilder immer schlimmerMüll, Graffiti, Aufkleber, Zerstörung – „Köln ist hier am Ende“

Graffitis in der Hafengasse in Köln.

Die Bürgergemeinschaft Altstadt schlägt Alarm. Die Innenstadt verkommt immer mehr. Beispielsweise die Hafengasse ist an allen Wandseiten beschmiert, die Treppen sind verdreckt.

Die Debatte um die verwahrloste Kölner Innenstadt nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Bürgergemeinschaft Altstadt schlägt laut Alarm. Der Zustand im historischen Zentrum sei inzwischen dramatisch.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Eine Millionenstadt versinkt in Dreck und Chaos. „Ich sehe eine zunehmende Verwahrlosung der Stadt“, hatte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (68) gesagt. Ist Kölns Verwaltung wirklich machtlos und kann kaum etwas tun für Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt?

Schon vor drei Monaten hatte ein EXPRESS.de-Bericht für große Resonanz gesorgt. Moderator, Künstler und Köln-Experte Ken Reise (39) hatte bei einem Rundgang das Erscheinungsbild der Innenstadt beklagt. „Ich schäme mich in Grund und Boden“, hatte er geklagt.

Bürgergemeinschaft Altstadt: „Zustand macht nur fassungslos“

Nun die Fast-Kapitulation der Oberbürgermeisterin, nachdem sie fast zehn Jahre die Stadt angeführt hat. Die Bürgergemeinschaft Altstadt hat sich daraufhin an die EXPRESS.de-Redaktion gewandt und schlägt ebenfalls Alarm.

Alles zum Thema Heumarkt

„Der Zustand der Altstadt macht nur noch fassungslos. Das historische Zentrum Kölns, die Visitenkarte der Stadt, droht vollkommen zu verwahrlosen“, sagt der Vorsitzende Dr. Joachim Groth.

„Das Ausmaß an Sachschäden im öffentlichen und privaten Raum ist enorm. Das Umfeld des Rathauses ist durch Graffiti-Tags und Döner-Reste geprägt. Sämtliche intimen Stadtplätze sind besprüht, ob am Eisenmarkt, Rote-Funken-Plätzchen oder am Ostermannplatz.“

Ein Rundgang bestätigt dies sofort. Der Weg zum Hänneschen-Theater, der Seele der kölschen Sprache, ist flächendeckend beschmiert. Rund um das Theater herrscht eine verkommene Hinterhofatmosphäre. Fußball-Ultras haben unzählige Aufkleber und gesprühte Botschaften hinterlassen. Stromkästen, Hauseingänge und gerade erst neu aufgestellte Briefkästen sind verschandelt.

Graffiti am Rote-Funken-Plätzchen.

Auch am Rote-Funken-Plätzchen hat ein stadtbekannter Sprayer, der sich auf historische Orte „spezialisiert“ hat, seine „Werke“ hinterlasse.

Es gibt Vandalismusschäden überall, ein vor zwei Jahren aufgestelltes Bienenhotel am Quatermarkt wurde mutwillig herausgerissen. Dazu beklagt der Jurist Werbeplakate auf unterstem Niveau und Totenkopf-Leuchtreklamen am Jupp-Schmitz-Plätzchen. „Dies hat nichts mehr mit einer Kulturmetropole zu tun“, klagt Groth.

Zelte vor Restaurants in der Altstadt.

Die Bürgergemeinschaft beklagt auch die explodierte Plastik-Zeltlandschaft und Campingatmosphäre, die es in dieser Form nur im Rheingarten gibt.

Auch die Promenade im Rheingarten wirke mit ihrer Plastikzeltlandschaft abschreckend. „Am Heumarkt und Alter Markt hat sich eine billige und monotone Kneipen-, Kiosk- und Fastfoodlandschaft mit Außengastronomiebatterien breitgemacht. Sie sind Zeichen einer abgestorbenen Sozialstruktur. Köln ist hier am Ende“, sagt der Altstadt-Experte.

Stühle und Mülltonen an einem Aufgang zur Kirche.

Einladend ist anders. Der Treppenaufgang zur romanischen Kirche Groß St. Martin an der Ecke Mühlengasse/Mauthgasse.

„Die Eigentümer, die noch bereit sind, ihre Immobilie entsprechend der Würde des Ortes im historischen Zentrum Kölns und in der Nachbarschaft zum Dom zu pflegen, werden – wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird – sukzessive zur Aufgabe gezwungen.“

Glascontainer mit Aufklebern am Dom.

Die ohnehin optisch nicht ansprechenden Glascontainer in der Straße Am Hof wurden mit Aufklebern übersät.

Die jüngsten Aussagen der Oberbürgermeisterin machen die Anwohnenden nur noch fassungslos. „Wenn die Stadt sich permanent als Party-Hauptstadt auf unterstem Niveau vermarktet, in weiten Teilen sich über den Alkoholkonsum definiert, gleichzeitig aber ordnungsrechtlich kapituliert, braucht man sich über solche Bilder nicht zu wundern.“

Dr. Joachim Groth im Hansesaal des Historischen Rathauses in Köln.

Dr. Joachim Groth bei der Verleihung des Bundesverdienstordens im Historischen Rathaus am 18. August 2023. Er ist entsetzt über den Zustand der Altstadt.

Statt öffentlich aufzugeben, fordert Groth für die historische Altstadt ein Pilotprojekt, damit fachämterübergreifend die existierenden Gesetzeslagen auch durchgesetzt werden. Werbe- und Gestaltungssatzungen, Bebauungspläne, Schutzvorschriften im Bereich des Landschaftsschutzgebietes Rheingarten bis hin zur Stadtordnung würden nicht ernsthaft befolgt.

Ein herausgerissenes Bienenhotel.

Vor zwei Jahren wurde ein „Wildbienenhotel“ am Quartermarkt aufgestellt und eingeweiht. Dieses wurde mutwillig zerstört.

„Die Verwahrlosungsspirale dreht sich zurzeit sehr und mit hoher Aggressivität schnell nach unten. Die Geschwindigkeit, mit der Köln gerade im Domumfeld verwahrlost, ist beängstigend. Die Geschwindigkeit, mit der auch die Aggression im öffentlichen Raum wächst, die Rücksichtnahme gegenüber privatem und öffentlichem Eigentum dagegen abstürzt, ebenso“, sagt er zu EXPRESS.de.

„Dieser Stadt fehlt es in erschreckender Weise an Toleranz gegenüber ihrer kulturhistorischen Bedeutung. Es besteht dringender Handlungsbedarf.“