Die Debatte um die verwahrloste Kölner Innenstadt nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Bürgergemeinschaft Altstadt schlägt laut Alarm. Der Zustand im historischen Zentrum sei inzwischen dramatisch.
Altstadt-Bilder immer schlimmerMüll, Graffiti, Aufkleber, Zerstörung – „Köln ist hier am Ende“
Eine Millionenstadt versinkt in Dreck und Chaos. „Ich sehe eine zunehmende Verwahrlosung der Stadt“, hatte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (68) gesagt. Ist Kölns Verwaltung wirklich machtlos und kann kaum etwas tun für Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt?
Schon vor drei Monaten hatte ein EXPRESS.de-Bericht für große Resonanz gesorgt. Moderator, Künstler und Köln-Experte Ken Reise (39) hatte bei einem Rundgang das Erscheinungsbild der Innenstadt beklagt. „Ich schäme mich in Grund und Boden“, hatte er geklagt.
Bürgergemeinschaft Altstadt: „Zustand macht nur fassungslos“
Nun die Fast-Kapitulation der Oberbürgermeisterin, nachdem sie fast zehn Jahre die Stadt angeführt hat. Die Bürgergemeinschaft Altstadt hat sich daraufhin an die EXPRESS.de-Redaktion gewandt und schlägt ebenfalls Alarm.
„Der Zustand der Altstadt macht nur noch fassungslos. Das historische Zentrum Kölns, die Visitenkarte der Stadt, droht vollkommen zu verwahrlosen“, sagt der Vorsitzende Dr. Joachim Groth.
„Das Ausmaß an Sachschäden im öffentlichen und privaten Raum ist enorm. Das Umfeld des Rathauses ist durch Graffiti-Tags und Döner-Reste geprägt. Sämtliche intimen Stadtplätze sind besprüht, ob am Eisenmarkt, Rote-Funken-Plätzchen oder am Ostermannplatz.“
Ein Rundgang bestätigt dies sofort. Der Weg zum Hänneschen-Theater, der Seele der kölschen Sprache, ist flächendeckend beschmiert. Rund um das Theater herrscht eine verkommene Hinterhofatmosphäre. Fußball-Ultras haben unzählige Aufkleber und gesprühte Botschaften hinterlassen. Stromkästen, Hauseingänge und gerade erst neu aufgestellte Briefkästen sind verschandelt.
Es gibt Vandalismusschäden überall, ein vor zwei Jahren aufgestelltes Bienenhotel am Quatermarkt wurde mutwillig herausgerissen. Dazu beklagt der Jurist Werbeplakate auf unterstem Niveau und Totenkopf-Leuchtreklamen am Jupp-Schmitz-Plätzchen. „Dies hat nichts mehr mit einer Kulturmetropole zu tun“, klagt Groth.
Auch die Promenade im Rheingarten wirke mit ihrer Plastikzeltlandschaft abschreckend. „Am Heumarkt und Alter Markt hat sich eine billige und monotone Kneipen-, Kiosk- und Fastfoodlandschaft mit Außengastronomiebatterien breitgemacht. Sie sind Zeichen einer abgestorbenen Sozialstruktur. Köln ist hier am Ende“, sagt der Altstadt-Experte.
„Die Eigentümer, die noch bereit sind, ihre Immobilie entsprechend der Würde des Ortes im historischen Zentrum Kölns und in der Nachbarschaft zum Dom zu pflegen, werden – wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird – sukzessive zur Aufgabe gezwungen.“
Die jüngsten Aussagen der Oberbürgermeisterin machen die Anwohnenden nur noch fassungslos. „Wenn die Stadt sich permanent als Party-Hauptstadt auf unterstem Niveau vermarktet, in weiten Teilen sich über den Alkoholkonsum definiert, gleichzeitig aber ordnungsrechtlich kapituliert, braucht man sich über solche Bilder nicht zu wundern.“
Statt öffentlich aufzugeben, fordert Groth für die historische Altstadt ein Pilotprojekt, damit fachämterübergreifend die existierenden Gesetzeslagen auch durchgesetzt werden. Werbe- und Gestaltungssatzungen, Bebauungspläne, Schutzvorschriften im Bereich des Landschaftsschutzgebietes Rheingarten bis hin zur Stadtordnung würden nicht ernsthaft befolgt.
„Die Verwahrlosungsspirale dreht sich zurzeit sehr und mit hoher Aggressivität schnell nach unten. Die Geschwindigkeit, mit der Köln gerade im Domumfeld verwahrlost, ist beängstigend. Die Geschwindigkeit, mit der auch die Aggression im öffentlichen Raum wächst, die Rücksichtnahme gegenüber privatem und öffentlichem Eigentum dagegen abstürzt, ebenso“, sagt er zu EXPRESS.de.
„Dieser Stadt fehlt es in erschreckender Weise an Toleranz gegenüber ihrer kulturhistorischen Bedeutung. Es besteht dringender Handlungsbedarf.“