„Eine glatte Lüge“Riesen-Wirbel vor Kölner CSD: Auftritt von Jugendchor soll verhindert werden – der wehrt sich

Michael Kokott mit dem Jugendchor St. Stephan.

Michael Kokott ist der Gründer und Leiter des Jugendchors St. Stephan. Die Jugendlichen sind für zwei Auftritte beim Christopher Street Day vorgesehen.

Großer Wirbel vor dem Christopher Street Day. Die katholische Kirche beteiligt sich am Programm und hat den Jugendchor St. Stephan eingeladen. Dagegen regt sich Widerstand.

Der diesjährige Christopher Street Day rückt näher. Am Freitag (19. Juli 2024) lädt Henriette Reker (67) Organisationen und Gruppen aus Köln, die sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren Menschen engagieren, ins Rathaus ein. Anschließend wird die Oberbürgermeisterin auf dem Alter Markt die „Progress-Pride-Flagge“ hissen.

Gegen die Veranstaltungen, die im Rahmen des Cologne Pride stattfinden werden, regt sich wieder einmal aus verschiedenen Bereichen Widerstand. Die umstrittene konservative Plattform „Citizengo“ hat eine Online-Petition gestartet. Bis zum Sonntagmittag (14. Juli 2024) hatten bereits über 18.000 Menschen unterzeichnet.

Online-Petition fordert Kardinal Woelki zum Handeln auf

Darin wird Kardinal Rainer Maria Woelki (67) aufgefordert, die Beteiligung der katholischen Kirche am CSD zu unterbinden. Die Rede ist von „tiefer Sorge“ über die kirchliche Beteiligung an einer Veranstaltung, „die tagelang die Sünde feiert, den Stolz und jegliche Art von außerehelicher Sexualität“. Woelki wird aufgefordert, er solle „die Kölner Kirche schützen“.

Alles zum Thema CSD

Der Jugendchor St. Stephan ist für zwei Auftritte beim CSD-Straßenfest vorgesehen. Zunächst sollen die jugendlichen Sängerinnen und Sänger mit ihrem Chef Michael Kokott (64) am Freitag um 19.10 Uhr auf der Bühne auf dem Heumarkt singen. Ab 20 Uhr folgt dann ein Auftritt auf dem Alter Markt. „Wo regelmäßig nackte Erwachsene gesehen werden, ist nicht der Platz für Jugendliche“, heißt es in der Protest-Aktion.

Der Jugendchor St. Stephan in der Philharmonie.

In der ausverkauften Philharmonie feierte der Jugendchor St. Stephan am 15. Juni 2024 seinen 40. Geburtstag.

„Es ist sehr traurig, dass es immer noch Menschen gibt, die ausgegrenzt werden, weil sie aus anderen Ländern kommen, weil sie anders lieben, oder anders leben“, sagt Chorleiter Kokott zu EXPRESS.de. Erstmals wollte der Jugendchor schon 2002 beim CSD auftreten. Damals wurde der Auftritt auf dieser „Gottlosen Veranstaltung“, wie konservative Katholiken den CSD betiteln, von der Kirche verhindert.

Unter dem Motto „God meets Gays“ beteiligt sich erstmals die katholische Kirche am Programm des diesjährigen Cologne Pride. Stadtdechant Robert Kleine (57) spricht am Mittwoch unter dem Titel „God meets Gays: Kirchentalk und Halleluja“ und hat auch den Jugendchor eingeladen, zusammen mit Travestiekünstler Julie Voyage (Ken Reise) aufzutreten.

Moderatorin Julie Voyage auf der Bühne.

Julie Voyage alias Ken Reise (hier am 11. Februar 2022) wird zusammen mit dem Jugendchor auftreten.

„Robert Kleine ist quasi das freundliche Gesicht der Kölner Kirche. Trotz Gegenwind bleibt er bei seiner Meinung und sagt, wenn die Kirche kein menschenfreundliches, einladendes Gesicht zeigt, dann werden wir irgendwann verlieren“, sagt Kokott. „Ich finde es großartig, dass er den Mut hat, sich auch gegen den erklärten Willen seiner Vorgesetzten an das Thema CSD heranzuwagen, um zu zeigen, dass die Kirche auch anders sein kann. Dass sie freundlich sein kann, dass sie jeden willkommen heißt. Egal, wie er lebt oder liebt.“

Der Jugendchor wird seinen neuen Song „Regenbogen“ sowie zusammen mit Julie Voyage den Brings-Song „Liebe gewinnt“ singen. „Ein stärkeres Zeichen kann man eigentlich an so einem Abend, auf so einer Bühne in dieser Konstellation Kirche und CSD nicht setzen. Darauf freue ich mich am meisten, dass wir ein sichtbares wie hörbares Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Respekt senden können“, sagt der Chorleiter.

Riesenparty in der Stadt

So bunt feiert Köln – Fotos vom CSD

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht beim CSD in Köln mit einer Dragqueen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht beim CSD in Köln mit einer Dragqueen. Dabei trägt er einen bunten Hut und eine Hawaii-Kette um den Hals.

Bunt verkleidete Teilnehmer und Teilnehmerinnen feiern den Start der diesjährigen CSD-Parade in Köln.

Bunt verkleidete Teilnehmer und Teilnehmerinnen feiern den Start der diesjährigen CSD-Parade in Köln.

Wer was von der CSD-Parade sehen möchte, muss sich einen Überblick verschaffen.

Wer was von der CSD-Parade sehen möchte, muss sich einen Überblick verschaffen.

Bitte nicht runterfallen: CSD-Fans sind auf ein Baugerüst geklettert.

Bitte nicht runterfallen: CSD-Fans sind auf ein Baugerüst geklettert.

Party-Stimmung herrscht auch am Rudolfplatz.

Party-Stimmung herrscht auch am Rudolfplatz.

Jede Menge Menschen begleiten die CSD-Demo in Köln. Die Veranstalter und Veranstalterinnen rechnen mit mehr als einer Million Teilnehmenden.

Jede Menge Menschen begleiten die CSD-Demo in Köln. Die Veranstalter und Veranstalterinnen rechnen mit mehr als einer Million Teilnehmenden.

EXPRESS.de traf kurz vorm Paradestart auch die kölsche Conchita Wurst (li.)

EXPRESS.de traf kurz vorm Paradestart auch die kölsche Conchita Wurst (li.). Die Ähnlichkeit zum Original ist verblüffend.

Besucher auf dem Weg zur Parade.

Besucher auf dem Weg zur Parade.

Jede Menge schrille Outfits gibt es zu sehen.

Jede Menge schrille Outfits gibt es beim CSD zu sehen. Hier die bekannte Drag Queen Only Naomy (re.)

Besucher und Besucherinnen beim CSD

Mit Regenbogenfecher gegen die Hitze ...

Besucher und Besucherinnen beim CSD

Einfach mal in rosa unterwegs.

Besucher beim CSD

Ein Schirm gegen die Sonne kann auch nicht schaden.

Besucher beim CSD

Auch diese beiden schützen sich mit einem Schirm vor der Hitze.

CSD in Köln: Dominika und Vivian am 9. Juli 2023 auf der Deutzer Brücke

CSD in Köln: Dominika und Vivian am 9. Juli 2023 auf der Deutzer Brücke

CSD-Aufstellung an der Deutzer Freiheit

Kurz vor dem Start: CSD-Aufstellung an der Deutzer Freiheit

Mehr als eine Million Besucher und Besucherinnen werden beim CSD in Köln erwartet.

Mehr als eine Million Besucher und Besucherinnen werden beim CSD in Köln erwartet.

Die Deutzer Brücke ist für den CSD bunt geschmückt.

Die Deutzer Brücke ist für den CSD bunt geschmückt.

Ganz in Rot sind diese beiden CSD-Fans unterwegs.

Ganz in Rot sind diese beiden CSD-Fans unterwegs...

Sie haben sich komplett in Blau geschminkt. Hoffentlich hält die Farbe bei der Hitze.

...sie haben sich komplett in Blau geschminkt. Hoffentlich hält die Farbe bei der Hitze.

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Trotz der laufenden Petition will Kokott mit seiner Gruppe auftreten. „Es muss sich einfach etwas verändern. Diesmal werden wir keinen Rückzieher machen. Wir ziehen das durch und hoffen, dass die Liebe gewinnt.“

Die Unterschriften-Sammlung betrachtet er mit Sorgen. „Mit der Petition wollen die Leute unter anderem unseren Auftritt verhindern. In deren Augen werden Jugendliche quasi instrumentalisiert, bei so einer sündhaften Veranstaltung, wo Nackte durch die Straßen laufen, aufzutreten. Die Behauptung, ich würde Jugendliche als Chorleiter instrumentalisieren, ist eine glatte Lüge.“

Denn Kokott hat mit allen Beteiligten über den Abend gesprochen. „Wenn einer der Sänger oder Sängerinnen zu mir kommt, und mir sagt, dass er von seiner Einstellung solch einen Auftritt nicht vertreten kann, dann hätte ich volles Verständnis und dann müsste er auch nicht mit auf der Bühne stehen. Aber es gibt niemanden aus dem Chor, der nicht hinter diesem Auftritt beim CSD steht.“

Stadtdechant Robert Kleine: „Gott liebt jeden Menschen vorbehaltlos“

Auch Kölns Stadtdechant Robert Kleine will angesichts des Gegenwinds nicht einknicken. „Jeder Mensch soll mit seiner eigenen Identität leben und das Glück erfahren können, das Gott für uns Menschen will. Davon bin ich fest überzeugt. Darum muss die Kirche offen sein für Menschen jeder sexuellen Orientierung und geschlechtlicher Identität. Gott liebt jeden Menschen vorbehaltlos, weil er selbst die Liebe ist“, sagte er zu EXPRESS.de.

Und weiter: „Wir wollen Menschen einladen zu einem Dialog, bei dem man die Position des jeweils anderen besser verstehen lernt – ohne dass erwartet wird, dass der jeweils andere die eigene Position übernimmt. Es geht darum, einander in Respekt zu begegnen, einander zuzuhören und voneinander zu lernen.“