AlarmierendKölner Dragqueen warnt vor Gefahren auch in der Domstadt – „Risiko, dass du verprügelt wirst“

Dragqueen „The Only Trashy Gorgeous“ ist seit über drei Jahren in Köln zu Hause.

Dragqueen „The Only Trashy Gorgeous“ ist seit über drei Jahren in Köln zu Hause.

Die Dragqueen „The Only Trashy Gorgeous“ fühlt sich in Köln zu Hause. Doch außerhalb der queeren Hotspots gehe man als queere Person auch in der Domstadt ein Risiko ein.

von Julia Bauer  (jba)

Amos war gerade mal 19 Jahre alt, als er aus seiner Heimat – einem 300-Seelen-Örtchen in Bayern – in die Großstadt nach Köln zog.

An sein erstes Mal auf der Schaafenstraße kann er sich noch gut erinnern. Mit einem damaligen Arbeitskollegen wagte sich der gebürtige Bayer ins Bermuda-Dreieck, dem Kölner Hotspot der LGBTIQ+-Community. Für den gelernten Friseur, der in der Szene inzwischen als Dragqueen „The Only Trashy Gorgeous“ (kurz: Trashy) bekannt ist, war es ein Ausflug in eine ganz neue Welt.

Amos lernte Kölner Drag-Szene im „Exile“ kennen

„Es war total ungewohnt, mal Männer händchenhaltend in der Öffentlichkeit zu sehen, ohne blöde Kommentare zu bekommen“, erzählt er im Gespräch mit EXPRESS.de. Amos, so Trashys bürgerlicher Name, habe sich sofort heimelig und wohl gefühlt. Heutzutage sei es für einen schwulen Mann zwar auch in Köln mancherorts schwierig, doch die Schaafenstraße sei einfach ein Safe Space für die queere Community.

Alles zum Thema LGBTQI+

Mit Drag-Kunst sei er das erste Mal im „Exile“ in Kontakt gekommen. In der queeren Bar habe er die Dragqueens „Chrystal Meth“, „Pam Pengco“ und „The Only Naomy“ (EXPRESS QUEER AWARD-Gewinnerin 2024) kennengelernt. „Als ich die Drei gesehen habe, dachte ich: Oh krass, das gibt es hier? Das kann man hier tatsächlich in der Öffentlichkeit machen?“

Das sei sein Startschuss in die Kölner Drag-Kunst gewesen: „Da hab ich mir gesagt: Komm, du hast auch noch deinen ganzen alten Fundus. Schmeiß dich mal in Schale. Und dann bin ich am Wochenende einfach mit einer Freundin in Drag ausgegangen. Das war super lustig, ich hatte super viel Spaß.“

„The Only Trashy Gorgeous“: „Ich bin schon angespuckt worden“

Seit Amos' erster Nacht in der Schaafenstraße sind dreieinhalb Jahre vergangen. Nach wie vor könne der heute 22-Jährige dort entspannt feiern gehen, schließlich gebe es vor jedem Club auch einen Türsteher und Security. Auch sei die Polizei „immer irgendwie da“. „Das ist super schön, aber auch traurig, dass wir das brauchen“, findet die Kölner Dragqueen.

Ein bis zweimal im Monat sitzt Amos an der Tür der „Exile“-Bar und regelt den Einlass. Beim Nachhause-Weg bekommt er jedoch regelmäßig Bauchschmerzen.

Auch lesen: Kurz vor CSD in Köln: Mann akzeptierte „Nein“ nicht – queere Frauen bitten nach brutalem Angriff um Hilfe

„Eigentlich sehe ich es nicht ein, so viel Geld zu bezahlen für ein Uber, dass ich sicher zur Arbeit komme. Aber ich bin ja schon angespuckt worden, bekomme sämtliche Drohungen, sogar in Köln. Wenn ich zu Fuß nach Hause gehe, laufe ich über die Zülpicher Straße. Mittlerweile kenne ich die Türsteherinnen und Türsteher, die dort arbeiten, ganz gut. Wenn dann Anfeindungen kommen, kriegen diese Leute von denen den Marsch geblasen.“ Doch die Gefahr, beleidigt oder gar angegriffen zu werden, ist auch 2024 in Köln präsent.

In den Kölner Stadtteilen Mülheim oder Kalk etwa würde Trashy „niemals in Drag durch die Straßen laufen“, betont die Drag-Künstlerin.

Kölner Dragqueen The Only Trashy Gorgeous im Exile auf der Schaafenstraße

„The Only Trashy Gorgeous“ im „Exile“ auf der Schaafenstraße, bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt als Dragqueen in Köln bei der Veranstaltung „Wig Snatch“ von The Only Naomy.

Trashy zieht ein erschütterndes Fazit: „Sobald du einen Schritt von der Schaafenstraße runtergehst, besteht ein Risiko, dass du verprügelt wirst.“ Viele seiner Drag-Kolleginnen, etwa Pam Pengco im Jahr 2018, sei dies schon passiert, teilweise landeten sie sogar im Krankenhaus.

„Letztes Jahr stand ich das erste Mal richtig auf der Bühne”

Wenn „The Only Trashy Gorgeous“ jedoch die letzten zwölf Monate Revue passieren lässt, überwiegen die schönen Erinnerungen. „Letztes Jahr stand ich das erste Mal richtig auf der Bühne. Ich habe bei der ,Wig Snatch‘ von Naomy performt“, berichtet die Dragqueen.

Mittlerweile sei Amos sogar Co-Host des beliebten Events. Und all das neben seinem Vollzeit-Job als Friseur. Zudem wurde er auf zahlreichen Partys und Veranstaltungen eingeladen. Unter anderem war er bei der ersten Verleihung der EXPRESS QUEER AWARDS 2023 in der „Mumu“-Bar zu Gast. Auch an die Premiere von „Drag Race Germany“ in Berlin, wo er die Kölner Teilnehmerin „The Only Naomy“ begleitete, erinnert sich Amos gerne zurück. „Es war riesig, es war toll! Da habe ich wieder gemerkt, dass ich es einfach liebe.”

Das letzte Jahr sei „ein sehr anstrengendes, aber auch tolles Jahr“ für die Drag-Künstlerin gewesen – vor allem weil sie inzwischen Geld als Dragqueen verdiene. Doch es geht um so viel mehr als nur Partys und Spaß, so Trashy.

Hier lesen: „Wie Amok-Fahrer in Nizza”: Anschlag auf Homosexuellen (34) in Köln – was sagt die Stadt?

Das positive Feedback und die Liebe, die Amos die letzten Monate und Jahre bekommen habe, bedeuten ihm viel. Seine Arbeit habe aber auch einen politischen Hintergrund. „Es geht darum, die queere Welt zu repräsentieren. Sein Sprachrohr zu nutzen. Als Drag hat man deutlich mehr Reichweite, du wirst auch ernster genommen, als wenn ich das als Amos machen würde.“


Auf dem queeren TikTok-Kanal von EXPRESS.de kannst du dir Coming-out-Videos und andere Beiträge zu queeren Themen ansehen


Der Rechtsruck in Deutschland, ganz aktuell etwa die Ergebnisse der Landtagswahl in Thüringen, die AfD erhielt 32,8 Prozent der Stimmen, machen dem Wahl-Kölner Angst. Auch auf sozialen Netzwerken wie TikTok habe Amos den Eindruck, rechtes Gedankengut werde immer salonfähiger. „Ich kann das absolut nicht nachvollziehen“, sagt er.

Mit Menschen aus seiner bayerischen Heimat hat er fast mit niemandem mehr Kontakt, weil Amos dort eher ein Außenseiter sei, wenn er sagt, dass er nicht die AfD wählt und ablehnt, wenn andere dies tun.

„Viele jüngere Menschen wissen gar nicht mehr, wofür der CSD steht“

Die Kölner Dragqueen kritisiert aber auch die LGBTQIA+-Community. So habe Trashy den Eindruck, dass gerade viele jüngere Menschen gar nicht mehr wissen, wofür zum Beispiel der CSD genau steht. Etwa die Stonewall-Aufstände seien nur noch wenigen ein Begriff.

In Köln findet mittlerweile der größte Christopher Street Day Europas statt. Doch warum gilt gerade die Domstadt als Regenbogen-Hochburg in Deutschland?

Hier unser Video zum Thema ansehen:

Amos' größter Wunsch für die Zukunft: Eine Talk-Show „by Trashy“ im Fernsehen. Dafür würde er auch Politikerinnen und Politiker einladen. Er hat das Gefühl, dass diese sich immer mehr von der Realität in Deutschland entfernen und den Bezug zum normalen Leben der Bürgerinnen und Bürger verlieren.

Mit einem Talkformat mit ihm als Moderator würde Amos gerne beide Seiten zusammenbringen, um das Verständnis füreinander zu stärken und die Menschlichkeit wieder in den Mittelpunkt zu stellen.