Düsseldorferin Isabel VarellKöln ist ein schlunziger Teenager mit Pickeln im Gesicht

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Kölner Multitalent: Isabel Varell ist Sängerin, Schauspielerin, Musicaldarstellerin und Fernsehmoderatorin.

Köln – Sie arbeitet oft und lange in Berlin, doch ihre Heimat liegt woanders: Isabel Varell (54), die in der Kölner Südstadt wohnt, ist nach eigenen Worten „überzeugte Rheinländerin“ – und deshalb könnte sie auch nicht ständig in der Hauptstadt leben.

EXPRESS: In der Südstadt ist ja vieles nicht perfekt: Die getrennte U-Bahn, die Baustelle Chlodwigplatz – wie sehr stört Sie das?

Isabel Varell: Ich lebe gern in Stadtvierteln, in denen es an manchen Ecken nicht so witzig ist. Da, wo sich Künstler, Studenten, Reiche und Arme vermischen, da ist es gut, denn das ist das wahre Leben. In der Südstadt wird darauf geachtet, dass sich dort alle gesellschaftlichen Formen wiederfinden.

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Die Südstädter wehren sich dagegen, dass ihr Viertel zu einem nicht mehr bezahlbaren Viertel wird, aus dem die sozial Schwächeren immer weiter rausgedrängt werden. Das ist mir lieber als irgendein Villenviertel, das mir eine heile Welt vorgaukelt, die es im Alltag längst nicht mehr gibt.

Wie ist es für Sie als Düsseldorferin in Köln?

Ich genieße es, in Köln zu leben und Düsseldorf in der Nähe zu haben, so wie ich es einst in Düsseldorf genossen habe, dass Köln in der Nähe war. Ich mag Düsseldorf, es ist meine Heimat, aber Köln fühlt sich genauso an.

Wenn ich heimkomme und den Dom sehe, läuft mein Herz über. Und diese Neckereien zwischen Kölnern und Düsseldorfern sind doch in Wirklichkeit nur Liebesbeweise. In Wirklichkeit genießen wir uns doch gegenseitig. Uns trennen nur Kleinigkeiten…

Und die wären?

Ich denke, dass Düsseldorfer toleranter sind. Allein schon, dass es in Köln Hinweisschilder für Krefeld oder Neuss gibt, aber keines, das den Weg nach Düsseldorf zeigt. Und in welcher Kölner Kneipe gibt es Alt? In Düsseldorf kenne ich genügend Kneipen, die Kölsch ausschenken.

Kö oder Ehrenstraße – wo shoppen Sie lieber?

Mir kommt das Schlunzige in Köln sehr entgegen, ich bin keine Fashion-Tante. Schon witzig, wie anders da diese Städte sind. Der Düsseldorfer kriegt in Köln eine Netzhaut-Ablöse, wenn er nicht auf der Kö spaziert, sondern in der Schildergasse sitzt und dort an der Kirche ein Tässchen Tee trinkt.

Wo fühlen Sie sich in Köln am wohlsten?

In der Südstadt, in der ich lebe, und im Belgischen Viertel, in dem ich einkaufe und meinen Kaffee trinke.

Ich liebe die Altstadt am frühen Morgen. Wenn ich morgens am Rhein laufe, mache ich den kleinen Schlenker und genieße die tolle Atmosphäre in den alten Gassen und Straßen.

Was gefällt Ihnen nicht so sehr in Köln?

Dass die Anstrengungen, mehr Kultur und gehobene Gastronomie in die Altstadt zu bringen, noch nicht gefruchtet haben. Und dass der Kölner seine Altstadt nicht so liebt und genießt, wie es sein könnte.

Als größten Nachteil empfinde ich allerdings, dass die Stadt an manchen Ecken sehr schmutzig ist und nicht gepflegt wird. Das geben viele Kölner unter vier Augen selbst zu, komischerweise scheinen manche sogar stolz drauf zu sein. Es stört mich nicht, wenn eine Stadt sauber ist.

Köln hat mit Henriette Reker eine Frau als OB: Ist das gut für eine Stadt – oder ist das egal?

Die Kompetenz, sich zu kümmern, ist für mich unabhängig davon, ob es eine Frau oder ein Mann ist.

Dennoch freue ich mich über Frau Reker, denn sie zeigt, dass man Frauen die Kompetenz für führende Positionen zutraut. So etwas war vor wenigen Jahren noch undenkbar. Da haben Frauen wie die Kölnerin Alice Schwarzer einen großen Beitrag für die Gesellschaft geleistet.

Auf der nächsten Seite spricht Isabel Varell über die Silvesternacht und die Flüchtlingsfrage.

Hat die Silvesternacht Ihre Gefühle verändert?

Ja, und sie sind nicht besser geworden. Und es ist das erste Mal in meinem Leben, in dem ich merke, dass man sich sogar unter Freunden streiten kann, denn dazu gibt es viele Meinungen.

Ich bin unbedingt dafür, dass Frauen in Freiheit leben, dass sie ihren Körper leben dürfen, ohne dafür gesteinigt zu werden.

Wie stehen Sie zur Flüchtlingsfrage?

Ich stehe hinter Angela Merkel. Wir müssen als starkes Land diese Herausforderung annehmen und dürfen Menschen in Not nicht einfach wegschicken. Mich belastet allerdings die steigende Ausländerfeindlichkeit, denn ich kann nicht ohne Ausländer leben.

Für Ihr Buch „Mittlere Reife“ haben Sie sich lange mit Ihrer eigenen Vergangenheit beschäftigt. Welche Reife bescheinigen Sie Köln in Ihrem Leben?

Für mich war und ist Köln ein schlunziger Teenager mit Pickeln im Gesicht und interessanten Ansichten, ein guter Gesprächspartner mit immer neuen Ideen. Ich würde der Stadt die Mittlere Reife bescheinigen – so wie mir.

Im Buch sind Sie nicht zimperlich mit sich selbst. Keine Probleme, Ihre Vergangenheit öffentlich zu machen?

Als ich mit dem Schreiben anfing, hatte ich nie daran gedacht, das zu veröffentlichen. Das Schreiben war als eine Art Therapie gedacht. Es hat mich sehr durchgeschüttelt, als ich mir dazu meine eigene Geschichte als Kind und Teenager in die Erinnerung zurückrief.

Doch dann konnte ich nicht mehr aufhören und habe geschrieben wie eine Wahnsinnige. Als ich den Text meinem Mann zum Lesen gab, empfahl er mir ehrlichen Herzens: „Schreib weiter, du kannst es!“

Sie schreiben auch über Ihre Ehe mit dem Sänger Drafi Deutscher und seine Skandale, die Ihre Ehe begleiteten. Tat das weh?

Ich hätte nie über seine Drogengeschichten und Eskapaden gesprochen, wenn er es damals nicht selbst öffentlich gemacht hätte. Das über jemanden, der nicht mehr lebt, zu erzählen, geht nur, wenn das schon alle wissen.

Und ich gestehe: Ich habe vieles in Köln geschrieben, aber für die Drafi-Geschichte bin ich nach Paris gefahren. Dafür musste ich mich richtig isolieren: Ich musste noch mal allein sein mit Drafi.

Geboren am Niederrhein, aufgewachsen in Düsseldorf

Isabel Varell wurde am 31. Juli 1961 in Kempen am Niederrhein geboren, sie ist in Düsseldorf aufgewachsen, lebt nun in Köln.

Ihre beruflichen Stationen:

1981 – Zusammenarbeit mit dem Produzenten Jack White. 1984 – „Goldene Europa“ für „Verträumt“.

1985 – Hauptrolle in der ARD-Serie „Das Rätsel der Sandbank“.

2009 – Hauptrolle in der ARD-Soap: „Rote Rosen“.

2010 – Hauptrolle in der ZDF-Serie „Lena“. Ab Winter 2016 moderiert sie „Ganz in Weiß“ auf Sat.1, zunächst vier Folgen.

1989 bis 1991 war sie verheiratet mit Drafi Deutscher. Im August 2015 heiratete sie ihren langjährigen Gefährten, den TV-Regisseur Pit Weyrich.