Wirbel am Kölner GroßmarktKehrtwende der Stadt: Hausbesetzer dürfen vorerst bleiben
Köln – Dieser Artikel wurde zuletzt um 21.44 Uhr aktualisiert am 29. Juni 2020. Großer Wirbel am Kölner Großmarkt: Das von 30 Obdachlosen seit Januar besetzte Haus an der Marktstraße 10 in Köln-Raderberg sollte am Donnerstagmorgen (25. Juni 2020) durch die Polizei geräumt werden. Dutzende Einsatzfahrzeuge fuhren um 5.30 Uhr vor, doch die von der Stadt angeordnete Räumung wurde in letzter Minute abgesagt.
Köln: Hausbesetzer in der Marktstraße dürfen vorerst bleiben
Am Montagabend (29. Juni) kam nun die überraschende Kehrtwende. Die Hausbesetzer dürfen vorerst bleiben, das entschied die Kölner Stadtspitze.
Eine Begehung vor Ort durch einen unabhängigen Sachverständigen, der nur einige leicht zu beseitigende Brandschutzmängel feststellte, trug zu der Entscheidung bei, wie die Grüne Ratsfraktion am Abend mitteilte.
In der Ratssitzung am Montag beschlossen Grüne, SPD,CDU, Ratsgruppe Gut, und Einzelmandatsträger eine gemeinsame Resolution, in der es sich der Rat dafür ausgesprochen hat, auf eine Räumung des besetzten Abbruchhauses an der Marktstraße 10 bis zu Beginn der Abbrucharbeiten zu verzichten.
„Lebensmodelle wie die in der Marktstraße müssen auch ihren Platz in unserer Stadt finden, vor allem, wenn Obdachlosigkeit vermieden wird“, begrüßte Marion Heuser, sozialpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion die Entscheidung.
Das war zuvor passiert: Schon am vergangenen Mittwochabend (24. Juni) hatte die Nachricht der Räumung in der Stadt die Runde gemacht. So hatten die Hausbesetzer und deren Unterstützer Zeit, sich vorzubereiten. Die Obdachlosen hatten mit Zäunen, Holzlatten und Möbeln den Eingang des Gebäudes in Köln-Raderberg versperrt.
Der Parkplatz des Südstadions sah aus, als hätte die Polizei ihren Fuhrpark dorthin verlegt. Viele Anwohner hatten sich gewundert, was dort los war.
Etwa 30 bis 40 Unterstützer, darunter Lokalpolitiker, Pfarrer Hans Mörtter von der Lutherkirche und Wohnraumaktivist Kalle Gerigk von der Initiative „Recht auf Stadt“ waren vor Ort.
Besetztes Haus in Köln: Unterstützer machen OB Reker verantwortlich
Viele Unterstützer der Obdachlosen hatten Oberbürgermeisterin Henriette Reker für die geplante Räumung verantwortlich gemacht, da sie als Stadtoberhaupt auch Eigentümerin der städtischen Immobilie ist.
Stadtsprecherin Inge Schürmann erklärte: „Die Entscheidung, das Haus zu räumen, ist auf Grundlage von Sicherheitsbedenken gefällt worden.“ Die Beurteilung habe das Liegenschaftsamt getroffen.
Die Stadtsprecherin weiter: „Wir wollten eine Eskalation vermeiden. Die Polizei hat dann vor Ort die Sicherheitslage neu bewertet und nach Rücksprache mit der Stadt wurde die Räumung abgesagt.“
Stadt beruft sich auf mehrere Mängel in besetztem Haus in Köln
In dem Haus gebe es laut der Stadtsprecherin mehrere Mängel, das Gebäude sei eigentlich unbewohnbar, hieß es zuletzt. So seien etwa die Elektronikleitungen veraltet. Durch die Nutzung durch die Hausbesetzer seien die Sicherheitsbedenken noch stärker geworden.
Die Hausbesetzer, die die Aktion „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ) nennen, hatten die Öffentlichkeit um Unterstützung gebeten. Sie berufen sich auf eine Abmachung mit der Stadt, die vorsehe, dass sie bis zum 1. August in dem Haus bleiben dürfen.
Stadt Köln will obdachlosen Hausbesetzern Unterkunft anbieten
Stadtsprecherin Inge Schürmann sagte dazu: „Am Anfang der Corona-Krise mit massiven Auswirkungen haben wir von einem direkten Vollzug abgesehen. Das ist weit entfernt von einer Duldung. Jetzt haben sich die Corona-Auswirkungen gemindert. Wir werden den Bewohnern zeigen, wohin sie gehen können. Niemand wird auf der Straße landen.“
Hausbesetzung in Köln: Kritik von Pfarrer Hans Mörtter für geplante Räumung
An der geplanten Räumung gab es Kritik von Pfarrer Hans Mörtter. Er sagte: „Ich bin entsetzt über das Vorgehen der Oberbürgermeisterin, der wir als Kümmerer noch nicht mal ein Gespräch wert waren. Ich habe bei der OB und beim Stadtdirektor Dr. Keller sehr deutlich eine Ansage gemacht und dringlich gebeten, die Räumung auszusetzen. Es gibt andere, menschliche Perspektiven.“