Seit 2019 gibt es das Projekt rund um den „FC-Erinnerungskoffer“. Mit vielen Fan-Devotionalien werden Menschen mit Demenz besucht, um vergessene Erlebnisse zu wecken.
Tolles Projekt mit Höhner-HilfeAber harte Kritik von FC-Legende am Klub: „Man steigt permanent ab“
Der Tisch im Keller des Matthias-Pullem-Hauses in Köln-Sürth war bunt gedeckt. Zwischen Gebäck und Getränken lagen viele Fotos, Wimpel und Eintrittskarten. Alles drehte sich dabei um den 1. FC Köln. Beim sogenannten Stammtisch wurde am Mittwoch (6. März 2024) in der Erinnerung gekramt.
Seit 2019 gibt es das Projekt „Erinnerungskoffer“ rund um den Geißbock-Klub. In Köln leben rund 30.000 Menschen mit einer Demenz. Mit fortschreitender Erkrankung vergessen immer mehr Betroffene liebgewonnene Erinnerungen.
Höhner stimmten im Altenheim die FC-Hymne an
Beim FC-Stammtisch wird deshalb regelmäßig der „Erinnerungskoffer“ geöffnet. Mit verschiedenen Materialien wie Schals, Autogrammkarten, Tickets oder Fußballschuhen sollen Erinnerungen geweckt werden. Indem Schlüsselreize gesetzt werden, erinnern sich Menschen mit Demenz und berichten von ihren Erfahrungen und Erlebnissen mit dem FC.
Diesmal hatte sich besonders prominenter Besuch angekündigt. Die Höhner, die die Schirmherrschaft des Projekts übernommen haben, stimmten zu Beginn die FC-Hymne an. Dann gab es noch ein Ständchen per Video für Jubilar Toni Schumacher, der an diesem Tag seinen Geburtstag feierte. „70 Jahre stark und froh: Lieber Toni – weiter so“, sagte Sänger Patrick Lück.
Neben den Musikern war auch FC-Legende Karl-Heinz Thielen (83) im Seniorenheim zu Gast. Der sollte den Anwesenden ein wenig aus seiner Zeit, als er zweimal Deutscher Meister und später als Manager Double-Sieger wurde, berichten. Doch der Stürmer, der in 401 Pflichtspielen 146 Tore für den FC schoss, sprach lieber über die aktuelle Lage.
„Der FC war immer ein fröhlicher Klub, früher auch der beste in Deutschland. Jetzt haben wir bald die meisten Mitglieder, schießen aber die wenigsten Tore. Früher hatte der Klub eine andere Denkweise, wollte immer der Erste sein. Als alle anderen noch mit dem Schlauch geduscht haben, waren wir schon im Entmüdungsbecken“, sagte er unter dem Gelächter.
Höhner-Frontmann Lück hörte aufmerksam zu. „Wir waren beim Spiel gegen Leverkusen und haben uns sehr geärgert. Wir hätten gerne mal gesehen, wie das Spiel mit elf Mann ausgegangen wäre oder wenn Sargis Adamyan das Tor gemacht hätte“, sagte der Sänger. Doch da konterte Thielen direkt: „Wenn er ein erstklassiger Stürmer wäre, dann hätte er den Ball vor dem Schuss noch mal gestoppt“.
Die Denkweise vieler FC-Fans sagt dem früheren Top-Torjäger nicht zu. „Wenn ich früher verloren habe, war ich drei Tage lang ungenießbar. Heute wird nach Niederlagen einfach das ‚Veedel‘ im Stadion gespielt und alle haben schon wieder bessere Laune. Das stört mich. Der FC hat nicht mehr diese Verbissenheit von früher. Außerdem hat der Verein früher vom Geld gelebt, heute wird das abgelehnt und man steigt permanent ab.“
Während Thielen so von heute und früher plauderte und dabei beispielsweise erzählte, dass er nach Siegen vom Metzger einen Beutel voll Wurst und Fleisch als Prämie erhalten habe, nickten die Menschen am Stammtisch zustimmend. Das Konzept des Weckens von Erinnerungen ging auf. Das Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz Köln und das südliche Rheinland sowie der Fanclub FC-Echo hilft haben es vor fünf Jahren ins Leben gerufen.
„FC-Erinnerungskoffer“: Weitere Fans für das Projekt werden gesucht
Bisher wurden schon 31 ehrenamtliche FC-Fans für die Runden geschult. Diese haben in den vergangenen Jahren insgesamt 15 Einrichtungen regelmäßig besucht. Da immer mehr Einrichtungen einen Besuch des „Erinnerungskoffers“ anfragen, sucht das Projekt weitere Interessierte. Die digitale Schulung wird am 22. und 23. März angeboten. Das Anmeldeformular findet sich direkt auf der Homepage www.fc-echo-hilft.koeln.
Trotz seines Ärgers über den derzeitigen Zustand seines 1. FC Köln schloss Thielen die Runde mit versöhnlichen Worten. „Ich bin froh, dass ich in dem Klub groß geworden bin. Auf den FC war ich immer stolz“.