Interview mit Gretel Martini (94)Henriette Rekers Mutter: „In welcher Welt leben wir?“

Gretel Martini (94) hat ihre Tochter gewählt – obwohl sie Sozialdemokratin ist.

Köln – Sie ist eine starke, stolze Frau – und macht derzeit schwere Tage durch: Gretel Martini (94) ist die Mutter der gewählten Oberbürgermeisterin Henriette Reker (58, parteilos). Wie sie nach dem abscheulichen Messer-Attentat vom Samstag um ihre Tochter bangte und wie sehr sie sich über den Wahlsieg freut, erzählt sie uns.

Als Gretel Martini uns auf Empfehlung eines Vermittlers empfängt, freut sie sich. In blauer Blümchen-Bluse und festen Blickes nimmt sie den ihr zugedachten Blumenstrauß entgegen. Viel Zeit hat Gretel Martini nicht – aber die nutzt sie!

„Ich bin hocherfreut über den Wahlsieg meiner Tochter“, sagt die alte Dame. „Sie hat mit eisernem Willen für ihre Sache gekämpft und gewonnen. So ist sie, meine Tochter: eine Kämpfernatur!“

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Noch zwei Tage vor dem schrecklichen Messer-Angriff hatte Reker bei der Abschlussveranstaltung ihrer Wähler-Initiative gesagt: „Mich haut nichts mehr um!“

Genau diese Einstellung brauche sie jetzt, sagt Rekers Mutter. „Ich bin sicher, dass es meiner Tochter bei der Genesung helfen wird, wenn sie von ihrem Wahlsieg erfährt.“

Erfahren hatte Henriette Reker es am Montagnachmittag aber noch nicht. Sie – von den Kölnern als erste Frau an die Spitze der Stadt gewählt, die erste Parteilose noch dazu – ist am Montagnachmittag aus dem Narkose-Schlaf erwacht, der den Beginn des Heilungsprozess beschleunigen sollte. Ehemann Perry Somers (55) wacht an ihrem Bett.

Martini hat das Attentat auf ihre Tochter sehr mitgenommen. „Als das am Samstag bekannt wurde, stand mein Telefon nicht mehr still“, berichtet die alte Dame. „Dabei konnte ich doch niemandem etwas sagen, ich wusste zu Anfang ja selbst nichts Genaues.“

In der Nacht zu Sonntag habe sie kein Auge zugetan. „Ich konnte nicht schlafen, dafür war ich viel zu angespannt. Ich habe gebetet, dass alles gut wird“, sagt die rüstige Dame. „Und ich bin heilfroh, dass die Ärzte erklärt haben, dass meine Tochter wieder vollständig gesund werden kann.“

Gretel Martini fragt sich: „In welcher Welt leben wir eigentlich? Man muss doch mit Worten und Ideen um die bessere Lösung ringen, nicht mit Waffen. Wer soll sich denn da noch politisch engagieren?“

Bereits am letzten Dienstag hatte sich Martini – gemeinsam mit Reker und Somers – mit uns getroffen. Und dabei verkündet: „Ich bin Sozialdemokratin. Und ich werde bei dieser OB-Wahl zum ersten Mal nicht SPD wählen.“ Auch Martinis Stimme hat also zu Rekers Wahlsieg beigetragen. „Meine Tochter muss gesund werden. Alles andere ist erstmal unwichtig“, so Martini.