Bonbons waren gestern: Wenn an Karneval die Süßigkeiten fliegen, weht auch ein wenig Zeitgeist durch die Luft. Ein Händler sagt, wie er Kamelle-Moden erfühlt - und was er über Männer gelernt hat.
Jecke kaufen bei ihmRalf (54) ist der „Kamelle-König“ – ein Klassiker ist 2025 komplett out
Ralf Krott, auch „Kamelle-Krotti“ genannt, sitzt in einem kunterbunten Raum, in dem jedes Kind große Augen kriegen würde. Etliche Packungen voller Süßigkeiten stapeln sich, auf dem Tisch liegen genügend Waffeln für ein bis zwei Fußballmannschaften.
Eigentlich ist es ein Büro – aber Krott nennt es ehrfürchtig seinen „Showroom“. Es ist ein magischer Ort. Ein Ort, an dem er aus einem Prinzen eine Zuckerschleuder machen kann.
Der Rosenmontag kommt schnell näher, auch in Frechen
Ralf Krott verkauft in einem Gewerbegebiet in Frechen vor den Toren von Köln reihenweise Wurfmaterial – die Kamelle.
Gerade steht bei Krott das Telefon nicht still. Der Rosenmontag (3. März 2025) nähert sich und der 54-Jährige hat sich einen Namen in der Szene gemacht. Er ist ein Mann, dem die Jecken vertrauen – und zu einem Deuter von Trends in diesem speziellen Gewerbe geworden.
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„Die Leute bücken sich nicht mehr nach allem“, stellt Krott zuerst einmal klar. Der Bonbon etwa, eigentlich ein Klassiker unter den karnevalistischen Flugkörpern, habe es zunehmend schwer. Vielleicht zu klein, vielleicht zu profan – wer weiß es schon.
Krotts hartes Urteil lautet jedenfalls: „Bei Bonbons dauert der Zug eine halbe Stunde länger, weil die Müllabfuhr am Ende so viel aufsaugen muss.“ Das findet er nicht erstrebenswert. „Wir produzieren nur das, von dem wir das Gefühl haben, dass es auch gegessen wird“, sagt Krott.
Mit den Jahren hat sich sein Sortiment so verändert. Kaufen kann man bei ihm nun zum Beispiel auch viele Süßigkeiten, die halal sind – also nach islamischen Vorschriften hergestellt. Auf der Verpackung Marshmallows steht etwa: „Es sind keine Erzeugnisse von Schwein, Blut oder Alkohol enthalten“. Krotts neues Thema ist Nachhaltigkeit. Grob gesagt: Kamelle, die Ressourcen schonen.
Damit in der als fanatisch traditionsbewusst verschrienen Karnevalsszene aufzuschlagen, stellt man sich gar nicht mal so leicht vor. „Im Markt gibt es eigentlich keinen großen Wunsch nach Veränderung“, sagt auch Krott. „Aber ich habe da meine Lebensgefährtin im Nacken.“ Die sei Schuldirektorin in Köln-Mülheim. „Die sieht die Kinder, woher die kommen und wie die ticken.“ Und die sage zu ihm: An die müsse man denken. „Die sind die Zukunft des Karnevals.“
Der Zeitgeist inkarniert sich dabei nicht nur beim Inhalt, sondern auch auf der Verpackung. Es gibt etwa Chipstüten, auf denen eine Kartoffel in Cowboy-Kostüm abgebildet ist („Billy the Chip“). In einer früheren Version hatte die Western-Knolle noch eine Pistole am Gürtel. Die ist nun weg. „Weil manche Eltern es eben nicht gut finden, wenn ihre Kinder etwas fangen, auf dem eine Waffe zu sehen ist“, erläutert Krott.
Besonders stolz ist er auf eine neue Errungenschaft – eine nachhaltige Waffel, wie er sagt. „Die Verpackung ist aus Papier, nicht mehr aus Plastik. Dennoch ist sie wasserabweisend“, erklärt er. „Und die Füllung der Waffel schmeckt wie Schokolade, ist aber keine Schokolade.“ Statt Kakao steckten Zutaten drin, die regional anbaubar seien – etwa Hafer. „Der CO2-Abdruck ist viel kleiner“, sagt Krott. Nachhaltigkeit werde „das Riesenthema der nächsten Jahre“.
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Bei seiner Kundschaft geht es allerdings noch oft um zeitgenössische Themen. „Preise!“, sagt Heike Moes, wenn man sie in der Lagerhalle fragt, worauf sie gerade beim Einkauf achte. „Wir wollen ja viel haben für wenig Geld“, erklärt sie. Zudem sollte es nicht zu viel Gewicht haben. Sie kaufe das Material für die Schießfrauen Langenfeld-Mehlbruch-Gieslenberg ein - ein Name, der bereits wie ein dreifach donnernder Narren-Ruf klingt.
Auf dem Parkplatz draußen erzählt Wilfried Krüger, dass seine Karnevalsgesellschaft, die Kleffbotze Friesdorf, für fast 6000 Euro bei Krott eingekauft habe. Ihm wiederum ist wichtig, dass das Material „keine scharfen Kanten“ hat und gut zu handhaben ist.
Krott sagt, dass seine Kundschaft mit sehr unterschiedlichem Vorwissen zu ihm komme. Es gebe Vollprofi-Karnevalisten, aber auch Leute, die „manchmal einen Bierdeckel unterschrieben“ hätten, sagte er. Und dann seien sie plötzlich Prinzenpaar irgendwo auf dem Land. Die muss man natürlich anders betreuen.
Getestet werden die Flugfähigkeiten der Süßigkeiten am besten direkt – manchmal noch im Büro, oft auf dem Parkplatz. „Kamelle-Werfen muss auch geübt werden“, stellt Krott klar. Auch da hat er über die Jahre ein paar Erfahrungen gesammelt.
„Eine Frau wirft eher in die erste Reihe, weil sie dort Kinder und Kostüme sieht“, erklärt er. „Die nehmen daher gerne eher leichtere Artikel.“ Männer dagegen kauften eher schwerer Sachen. „Weil sie gerne Fenster bewerfen wollen.“ (dpa)