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„Wie Angela Merkel“Helmut Krumminga erklärt sein Aus bei Niedeckens BAP

Helmut Krumminga schaut am Brüsseler Platz in die Kamera.

Helmut Krumminga, hier am 4. August am Brüsseler Platz, gilt als einer der besten Rock-Gitarristen Kölns.

Helmut Krumminga zog vor mehr als 40 Jahren von Norddeutschland nach Köln, um sich einen Namen als Gitarrist zu machen. Und das gelang ihm eindrucksvoll. Im EXPRESS.de-Interview blickt er zurück.

von Christof Ernst  (che)

Köln. Der Kölner Band-Kosmos ist sein Zuhause: L.S.E., Tommy Engel-Band, BAP, Gerd Köster und Frank Hocker - mit ihnen hat Helmut Krumminga (59) schon gespielt. Gegenüber EXPRESS.de erklärt er sein Ende als BAP-Gitarrist, zudem lüftet Krumminga ein Geheimnis: Ausgerechnet der Top-Gitarrist tut sich schwer mit dem Notenlesen.

Helmut, bei Konzerten von Gerd Köster liefern Sie sich mit Frank Hocker wahre Gitarren-Duelle. Wie funktioniert das?

Krumminga: Wir nennen uns die „Siamesischen Drillinge“. Frank und ich wissen quasi schon eine halbe Stunde vorher, welches Solo der andere gleich spielen wird. Als Begleiter muss man darauf achten, wie der Gegenüber an dem Tag drauf ist. Ist er eher friedlich oder auf Krawall gebürstet. Wir spielen seit über 20 Jahren zusammen und kennen uns in- und auswendig. Das bestätigt mich als Verfechter der Band-Theorie.

Alles zum Thema Wolfgang Niedecken

Die wie lautet?

Krumminga: Dass man eine Weile braucht und zusammenspielen muss, um auch so richtig in die Tiefe zu gehen. Es geht immer darum, den einen wahren und echten Moment zu erzeugen. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit Tommy Engel, mit dem ich demnächst auf Tournee gehe.

Helmut Krumminga: Aufnahme an Musikhochschule Köln nicht geschafft

Sie sind als 21-Jähriger bei der Aufnahmeprüfung zur Musikhochschule Köln als Jazz-Gitarrist zweimal durchgefallen. Waren die Prüfer taub?

Krumminga: Nein, die hatten recht, weil ich nicht vom Blatt spielen kann, bis heute nicht. Du kriegst bei der Prüfung ein Blatt mit Noten und musst das dann spielen. Ich habe eine Weile draufgestarrt, aber irgendwann war tillt und Ende. Ich blieb also Autodidakt und übte weiter in meiner kleinen Dachwohnung in Longerich. Ich habe meistens fünf Stunden am Tag gespielt, bis ich eine Schleimbeutelentzündung an der Hand bekam. Heute habe ich das große Glück, dass mich Leute anfragen, die wollen, dass ich so spiele wie ich bin. Die sagen: „Helmut, mach mal“

Zum Beispiel L.S.E.

Krumminga: Genau, mit denen habe ich schon vor der Produktion des ersten Albums im Studio zusammengesessen und mitgemacht. Ich habe auch Songs mit entwickelt, zum Beispiel „Schläch Wedder“ oder „Loss mich nit ston im Rän“. Das singt Tommy Engel heute noch.

Helmut Krumminga über das Ende von L.S.E mit Tommy Engel und Co.

Haben Sie das Ende von L.S.E. bedauert?

Krumminga: Klar. Ein Album wie „Für et Hätz un jäjen dr Kopp“ ist ein kölscher Klassiker, ein makelloses Album. Aber am Ende ging das einfach nicht mehr. Denn Tommy Engel, Arno Steffen und Rolf Lammers sind im positiven Sinn drei Irre. Wenn die alle in einem Raum sind, dann kann das unglaublich toll werden, aber auch eher schleppend. Das sind drei wunderbare Individuen, von denen jeder seine Eigenarten hat.

Haben Sie als Gitarrist musikalische Vorbilder?

Krumminga: Natürlich, eine ganze Menge. Es sind hauptsächlich die englischen Musiker. Der Hero meiner Kindheit war Ritchie Blackmore von Deep Purple, dann natürlich Jimmy Page von Led Zeppelin und Keith Richards von den Stones. Der war und ist mein absoluter Chef als Rhythmus-Gitarrist. Zusammen mit Pete Townshend. Die waren alle und sind nicht nur tolle Musiker, sondern auch Visionäre, die etwas ganz Eigenes geschaffen haben.

Nach 40 Jahren in Köln, hat man da das Kölsch-Gen im Blut?

Krumminga: Ich habe mich in der Zeit ganz sicher verändert. Ich war schon sehr norddeutsch, als ich nach Köln kam, also eher wortkarg und emotional eher steif. Aber das wurde mir nach und nach ausgetrieben.

Wie haben Sie vor 40 Jahren als Musiker Fuß gefasst?

Krumminga: Ich habe damals zum Beispiel beim „Fachblatt“ angerufen und gesagt: „Guten Tag, ich bin neu in dieser Stadt und suche eine Band.“ Ich war sogar so dreist und habe Wolf Maahn aus einer alten gelben, stinkenden Telefonzelle angerufen – morgens um 11 Uhr.

Was ist daran so schlimm?

Krumminga: Ich hatte nicht geschnallt, dass man Musiker nicht so früh anrufen sollte. Wolf kam auch ziemlich verpennt ans Telefon, war aber total freundlich und meinte, er hätte keinen Job für mich, aber ich solle doch in die Musikclubs gehen, die Bands anschauen und ansprechen. Das habe ich dann auch gemacht.

Später haben Sie nicht nur mit Maahn, sondern auch in vielen Kölner Bands gespielt. Ist Köln eine musikalische Stadt?

Krumminga: Auf jeden Fall. Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Bands es gibt, die kölsche Lieder spielen – vom kleinsten Club bis zur LanxessArena – das gibt es in keiner anderen Stadt. Ein ganz wichtiger Faktor ist natürlich der Karneval. Denn der sorgt bei vielen Bands für ein festes Einkommen. Und nicht zu vergessen: Der Karneval hat Brings gerettet. Ohne „Superjeilezick“ hätten die sich aufgelöst.

Helmut Krumminga und Wolfgang Niedecken spielen auf der Bühne Gitarre

Helmut Krumminga, hier 2012 an der Seite von Wolfgang Niedecken im Kölner Palladium, war 14 Jahre bei BAP.

Wir müssen über BAP reden.

Krumminga: Klar, wenn man wie ich 14 Jahre Leadgitarrist der Band war.

Warum haben Sie 2014 bei Niedecken & Co. aufgehört? Normaler Verschleiß?

Krumminga: Das ist gar kein schlechter Ausdruck. Ich war fast so lange in Amt und Ehren wie Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Die ersten fünf Jahre waren sensationell, ein Traum, in so einer Band zu spielen. Auf dem „Aff un zo“-Album von 2001 habe ich für neun Songs die Musik geschrieben. Die nächsten fünf Jahre waren immer noch sehr gut. Und dann hätte ich vielleicht schon früher meinen Hut nehmen sollen. Aber ganz ehrlich: Wenn man so eine top Einnahmequelle hat, gibt man das gerade als freier Musiker nicht so leicht auf.

Wie war das Ende?

Krumminga: Miteinander Musik zu machen ist mit das Intimste, das man sich vorstellen kann. Und das funktioniert nur, wenn man mit der Person, mit der man künstlerisch arbeitet, auch wirklich einverstanden ist. Und das war bei Wolfgang und mir gegenseitig irgendwann nicht mehr der Fall.

Wenn Wolfgang Niedecken jetzt anruft und Sie zu einem Kölsch einlädt, sagen Sie zu?

Krumminga: Das muss nicht unbedingt sein. Außerdem trinkt Wolfgang ja keinen Alkohol mehr . . .