Klatsche von Regierungspräsidentin WalskenDas hätte Kölns OB Reker nicht tun dürfen
Köln – Das Verfahren zur Wahl einer Schuldezernentin für die Stadt Köln hätte nicht aufgehoben werden dürfen. Das teilt Regierungspräsidentin Gisela Walsken (61, SPD) auf Anfrage des EXPRESS am Montagvormittag mit.
„Nach Prüfung kommt die Bezirksregierung Köln zu dem Ergebnis, dass die angeführten Gründe für den Abbruch des Verfahrens rechtlich nicht tragfähig sind. Der Beschluss des Rates der Stadt Köln vom 14. Februar 2019, das aufgrund des Ratsbeschlusses vom 27. September 2018 eingeleitete Verfahren zur Besetzung der Stelle der/des Beigeordneten für das Dezernat IV zu beenden, ist deshalb rechtswidrig.“
Kölner Schuldezernentin: Keine Voraussetzungen für Abbruch des Verfahrens
Eine Klatsche für Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (62, parteilos). Ein Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens könne nur rechtmäßig erfolgen, wenn es dafür einen sachlichen Grund gebe. Nach der Rechtsprechung sei dies insbesondere zu bejahen, wenn das Auswahlverfahren womöglich nicht (mehr) zu einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung führen kann. „Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor“, ergibt die Prüfung der Bezirksregierung.
Reker hatte dem Stadtrat vorgeschlagen, das Besetzungsverfahren aufzuheben und komplett neu zu starten, inklusive Ausschreibung und neuem Bewerbungsverfahren. Hintergrund war die Berichterstattung des EXPRESS vom 5. Februar 2019, dass eine neue Schuldezernentin für Köln „in Sicht“ sei. EXPRESS hatte geschrieben, dass die frühere Münchner Sozialreferentin und heutige Geschäftsführerin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Brigitte Meier (55, SPD), die „Favoritin der SPD-Fraktion“ sei.
Reker will darin eine Vorfestlegung erkannt haben, die andere Bewerber benachteilige. Es hätten ja noch nicht mal Bewerbungsgespräche bei ihr, der OB, stattgefunden. Aber offenbar hatte auch der von Reker eingesetzte Personalberater Meier auf Platz 1 eines Rankings gesetzt. Dennoch zog Reker ihre Linie durch, CDU, Grüne und FDP folgten der OB – und stoppten das Verfahren.
SPD-Fraktionschef „entsetzt und fassungslos“
SPD-Fraktionschef Christian Joisten zeigte sich „entsetzt und fassungslos“ und vermutete hinter dem Beschluss von Reker und Jamaika „persönlich-politische Motive“, in jedem Fall aber sei das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt „sauber gelaufen“.
Köln: Bewerbungsfrist für Posten war abgelaufen
Die Juristen der Bezirksregierung sehen das offenbar auch so: „Zum Zeitpunkt der Presseveröffentlichungen war die Bewerbungsfrist abgelaufen, sodass eine dadurch verursachte Verengung des Bewerberfeldes nicht zu befürchten war“, führt die Aufsichtsbehörde in ihrem Prüfergebnis aus.
Mit Indiskretionen könnte man jedes Verfahren stoppen
Dass sich die SPD-Fraktion tatsächlich auf eine Kandidatin festgelegt habe, werde in dem EXPRESS-Artikel und anderen Veröffentlichungen lediglich behauptet. Die SPD verfüge aber gar nicht über eine Mehrheit im Stadtrat.
„Wollte man Presseveröffentlichungen als einen ausreichenden Grund für einen Abbruch des Verfahrens ansehen, könnten zukünftig Wahlen von Beigeordneten durch Indiskretionen oder bloße Behauptungen verhindert werden“, schreibt Walsken auch in einem Brief an die OB. „Dementsprechend kann es in diesem Zusammenhang auch keine Rolle spielen, ob es vor der Presseveröffentlichung schon Vorstellungsgespräche gegeben hat oder nicht.“
Gisela Walsken könnte Henriette Reker anweisen, Beschluss zu beanstanden
Walsken teilt Reker mit, dass es im pflichtgemäßen Ermessen der Bezirksregierung liege, die Oberbürgermeisterin anzuweisen, rechtswidrige Beschlüsse des Stadtrates zu beanstanden. „Derzeit verzichtet die Bezirksregierung darauf“, weil die Wahl einer neuen Schuldezernentin in der Ratssitzung am 4. April erfolgen soll.
Falls es dazu wieder nicht kommt, könnte die RP durchgreifen.
So reagiert die Stadt auf die Klatsche der RP
Das sieht die Stadt allerdings komplett anders: „Es ist bemerkenswert, dass die Bezirksregierung ihre eigene Rechtsposition aus dem Jahr 2010 ohne erkennbaren Grund einkassiert“, teilt Stadtsprecher Alexander Vogel mit. „Dies trägt nicht zur Planungssicherheit von kommunalpolitischem Handeln bei, sondern sorgt im Gegenteil für Unsicherheit. Aus Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung, hätte sich die Stadt Köln eine tiefgründigere Auseinandersetzung mit der Rechtsposition der Stadt gewünscht. Die Stadt Köln vertritt weiterhin die Rechtsposition, die durch den Beschluss des Rates vom 14. Februar 2019 zum Ausdruck gebracht wurde.“
Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Verfahrens habe vorgelegen, da die von der Bezirksregierung vorgegebenen Grundsätze der Bestenauslese aufgrund des Eindrucks der Vorfestlegung nicht mehr hätten angewendet werden können.
Aus diesem Grund behalte sich die Stadt Köln vor, die Rechtsauffassung der Bezirksregierung überprüfen zu lassen.
Stadtsprecher irrt in entscheidendem Punkt
Vogel bezieht sich auf eine Entscheidung des damaligen Regierungspräsidenten Hans Pater Lindlar (CDU) aus dem Jahr 2010. Er hatte das Verfahren zur Besetzung des Kämmerei-Dezernats gestoppt, weil der Name von Gabriele C. Klug (Grüne) bereits im Vorfeld bekanntgeworden war. Tatsächlich aber irrt Stadtsprecher Vogel offenbar in einem ganz entscheidenden Punkt: Der Name von Gabriele C. Klug war bereits VOR Ende der Bewerbungsfrist bekannt geworden.
Das Verfahren wurde neu aufgesetzt, Klug hielt ihre Bewerbung aufrecht – und wurde schließlich vom Stadtrat gewählt.
Dem Vernehmen nach soll auch Meier bei ihrer Bewerbung bleiben. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es ausdrücklich nicht...