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Klartext von Kölner Top-ProduzentViele kölsche Bands gehören nicht auf die Bühne
Köln – Sein Reich sind Regler, Schieber und kleine leuchtende Lämpchen: Thomas „Tom“ Brück (67) ist der König des Mischpults. Er sorgte bei Elton John oder Céline Dion für den guten Ton und saß als Produzent in den letzten 40 Jahren mit fast der gesamten kölschen Musik-Szene im Studio.
Thomas Brück im EXPRESS-Interview
Musik-Produzent arbeitete mit den Höhnern
Bei Wolfgang Niedecken lag Brück falsch
Musik-Produzent Thomas Brück im Köln-Gespräch
So einer kann und darf sich durchaus kritisch mit den alten und neuen Bands auseinandersetzen. Das Gespräch fand an einem legendären Ort statt, den Dierks-Studios in Stommeln.
EXPRESS: Tom, vor Ihrer Karriere als Musikproduzent zupften Sie den Bass.
Thomas Brück: Ja, bei „Satin Whale“. Wir spielten ab 1971 auf Festivals, in Clubs und im Vorprogramm von „Barclay James Harvest“, „Manfred Mann“ oder „Sweet“. Ich habe mich da aber schon früh für die Studioarbeit interessiert. Hier im Dierks-Studio habe ich anfangs Nachwuchsbands produziert. Ich habe in diesen Räumen quasi gelebt und geschlafen, alles in mich aufgesogen und gelernt, mit Künstlern umzugehen.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Trude Herr?
Auf Umwegen. Ich hatte 1986 ein Stück im Fernsehen gesehen, da watschelte an Heiligabend diese dicke Frau in einem Taucherkostüm und mit Flossen über die Hohe Straße. Das fand ich so abartig, dass ich den Fernseher ausgemacht habe. Als ich aber erfuhr, dass Trude Herr auf internationale Hits neue kölsche Texte schrieb, fand ich das so interessant, dass ich mich mit ihr in ihrem Theater im Vringsveedel getroffen habe. Das Eis war sofort gebrochen, und daraus entstand dann die Zusammenarbeit zum Album „Ich sage, was ich meine“ mit dem heutigen Kult-Song „Niemals geht man so ganz“.
Bei dem auch Wolfgang Niedecken und Tommy Engel mitgesungen haben.
Was sich bei Wolfgang im Nachherein als schwierig herausstellte.
Wie das?
Einen Tag, bevor das Lied endgültig gemischt werden sollte, rief er an und meinte, er könne den hochdeutschen Text nicht mitsingen. Da klinge er ja wie ein Schlagersänger. Ich war stinksauer. Der Kompromiss bestand dann darin, dass er und Tommy die Strophen auf Kölsch und den Refrain mit Trude auf Hochdeutsch sangen.
Es war nicht das erste Problem, das Sie mit Niedecken hatten, oder?
Na ja, Problem … 1977 lud mich der Musiker Klaus Hogrefe zu einem Konzert von BAP ein. Er war Bassist in der ersten Formation. Ich also dahin und fand das so grauenhaft, dass ich danach zu Klaus gesagt habe: „Wenn du mich noch einmal für so einen Quatsch einlädst, dann sind wir die längste Zeit Freunde gewesen.“ Tja, und ein paar Jahre später ging „Verdamp lang her“ ab wie ein Zäpfchen. Ich hatte damals den falschen Riecher und nicht erkannt, was für ein genialer Texter und Künstler Wolfgang ist.
Den besseren Riecher hatten Sie bei den Höhnern, stimmt’s?
Ja. 1992 rief mich Hannes Schöner an und meinte, für die Platte „Aktuell“ würden sie einen neuen Produzenten suchen. Ich habe zugesagt. Auf der Scheibe war auch der Song „Hey, Kölle“, der erst später ein Riesenhit werden sollte. Für die nächste LP „Wartesaal der Träume“ habe ich meinen alten Freund Jürgen Fritz dazugeholt, um die Höhner-Musik qualitativ auf eine höhere Stufe zu heben. Das war auch nötig, denn ein Konzert im Millowitsch-Theater ließ uns fassungslos zurück. Das klang nicht gut und war schlecht gespielt. Von da an habe ich mich bei Live-Auftritten der Höhner ans Mischpult gestellt, und das ist bis heute so geblieben.
Seit Jahren hält sich das Gerücht: Die Höhner spielen Playback auf der Bühne. Stimmt’s?
Erstunken und erlogen! Es ist international üblich, dass Bands mit sogenannten „Zuspielern“ arbeiten: Ab und zu werden additiv Sounds zur Live Performance zugespielt, um ein größeres Klang-Volumen und mehr Tiefe zu erreichen. Genau das habe ich bei den Höhnern eingeführt. Aber die spielen und singen dennoch jeden Song live auf der Bühne.
Die „Ehe“ hält seit 30 Jahren.
Ja, aber diese Ehe hat sich auch ein bisschen abgenutzt. Ich mache nach wie vor sehr gerne den Live-Sound bei ihren Konzerten, aber ich habe mich aus dem Kreativen zurückgezogen. Die Band ist im Laufe der Zeit eine andere geworden, wir haben nicht mehr die gleiche musikalische und künstlerische Auffassung.
Thomas Brück: „Köln ist eine Klüngelstadt”
Hat die Band den Absprung verpasst?
Das möchte ich nicht beurteilen. Ich hätte mit offenem Visier das 50-Jahre-Jubiläum angepeilt, hätte Peter Werner, Janus Fröhlich und Hannes Schöner noch einmal für eine Abschiedstour dazu geholt, und dann Deckel drauf. Das wäre ein Abgang mit Würde gewesen.
Wie nett ist man in der Kölner Musikszene untereinander?
Zweischneidige Sache. Einerseits gibt es positive Beispiele wie die klasse Aktion „Nit allein“. Oder auch die Erfahrung, als ich Kölner Künstler bat, für das Album „Made in Kölle“ Texte für die Höhner zu schreiben. Alle machten mit, von Niedecken über Rich Schwab bis zu Gerd Köster. Aber an den großen Burgfrieden glaube ich nicht. Der Kuchen, von dem alle picken wollen, ist begrenzt, es gibt ein Hauen und Stechen. Wir haben in Köln gefühlte 180 Bands, davon gehören 100 nicht auf eine Bühne. Die können kein Kölsch, und bei denen reicht es auch musikalisch hinten und vorne nicht. Das liegt ein bisschen an unserer Zeit: Jeder, der unfallfrei ein Mikrofon oder eine Gitarre halten kann, gilt schon als Original.
Ihr Schlusswort zu Köln: Mehr Misstöne oder mehr Harmonie?
Köln ist eine Klüngelstadt und manchmal ganz schön selbstbesoffen. Dennoch: Ich bin in Köln geboren, aufgewachsen und verwurzelt. Ich bin glücklich hier. Denn ein Theken-Spruch wie „Prinzessin, wer hätt dich denn he hinjezaubert“ – den jitt et nur in Kölle!