Viele Menschen in Köln laden Sachen, die sie nicht mehr benötigen einfach am Straßenrand ab. Die neue Kultur des „Verschenkens“ kommt nicht bei allen gut an.
„Zu verschenken...“ auf GehwegenIst das die neue Kölner Wegwerf-Mentalität?
von Béla Csányi (bc)
Köln – Wer sich in der Nachbarschaft ein wenig umschaut, dem dürfte in den letzten Jahren ein neues Phänomen im Stadtbild aufgefallen sein: Die ungewohnte Großzügigkeit der Leute. Oder ist es Faulheit?
An vielen Ecken findet man immer wieder Kisten mit allerlei Kram, dekoriert mit einem Schild oder der Aufschrift „zu verschenken.“
„Zu verschenken“: Ärger über Kisten in der Nachbarschaft
Was zunächst wohl mit einer fixen Idee anfing, ist inzwischen ein regelrechter Trend geworden. Hintergrund ist oft aber nicht kölscher Altruismus, sondern schlichtweg Bequemlichkeit.
Das stört auch René Kohlenberg (37) aus Sülz, der seinem Ärger nach einer weiteren prall gefüllten „zu verschenken“-Kiste in seiner Nachbarschaft über Facebook Luft machte.
„Am Anfang waren es Bücherkisten, dann ist es immer weiter weiter ausgeartet“, berichtet der Familienvater. In den letzten Monaten habe das Ausmaß gefühlt noch einmal zugenommen.
Kohlenberg wohnt in einer kleinen Straße mit wenigen Passanten. Während auf belebten Straßen viele Leute zugreifen, bleiben die Kisten bei ihm in der Nachbarschaft oft lange liegen.
Und manchmal wird es sogar noch schlimmer: „Leider wird oft aus einem kleinen Karton mit nützlichen Dingen ein Sperrmüllhaufen.“
René Kohlenberg nimmt „zu verschenken“-Kisten auf die Schippe
Kohlenberg nimmt die immer häufiger auftauchenden und auf den ersten Blick gut gemeinten Kisten in seinem Facebook-Beitrag ironisch auf die Schippe. „Jesus hat uns gelehrt: ‚Geben ist seliger denn Nehmen.‘"
Und hinter allerlei alten Büchern, Decken, Tellern oder Stereoanlagen steckt in den allermeisten Fällen etwas anderes: „Eure vermeintliche Großzügigkeit ist nichts anderes als Faulheit“, bringt Kohlenberg seine Bedenken auf den Punkt.
Stadt Köln und AWB zeigen Alternativen auf
Diese Entwicklung beobachten auch die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln (AWB), aufgrund zahlreicher Alternativen lasse sich das allerdings vermeiden. „Wer erahnen kann, dass wohl eher keiner die Sachen nehmen will, sollte vielleicht doch direkt den Sperrmüll rufen.“
Auch hierfür fallen schließlich keinerlei Kosten an. Außerdem betreibt das Unternehmen eine kostenlose Online-Tauschbörse, auf der sich alte Sachen tauschen oder verschenken lassen, ohne sie vorher auf den Gehweg stellen zu müssen.
Wenn in der Nachbarschaft aber doch einmal zu viel Müll auf der Straße liegt, kann dieser über die Service-App der Stadt oder die AWB-App gemeldet werden. Ein Foto und eine kurze Standort-Angabe reichen schon.
Statt „verschenken“: Alte Sachen an der richtigen Stelle entsorgen
Darüber hinaus gibt es für alles gut Erhaltene, egal ob Klamotten, Elektronik oder Bücher, eine besser geeignete Anlaufstelle als den Gehweg vor dem eigenen Haus.
Kohlenberg zeigt sie ebenfalls auf: Die vielen Container der Altkleidersammlung, der Kölner „Umsonstladen“, Online-Marktplätze oder, wenn nichts mehr zu machen ist, die AWB.
Er selbst bietet sogar an, mit anzupacken: „Ich würde mich riesig freuen, wenn die Leute mir schreiben, falls sie in Sülz eine Kiste sehen, in der tatsächlich nur noch Müll ist. Ich bin bereit, diese wegzuräumen. Und vielleicht mögen sich ja ein paar Leute an der Aufräumaktion beteiligen.“
Ernster Hintergrund hinter ironischem Facebook-Statement
Bei allem Ärger vergisst Kohlenberg ganz offensichtlich nicht, auf den wirklich wichtigen Hintergrund seiner Gedanken hinzuweisen. „Es gibt viele Hilfsbedürftige in Köln und ein großes Angebot an Sammelstellen für Dinge aller Art.“ Sein Aufruf an alle Kölner ist deutlich: „Wir sollten unser Veedel sauber halten – Et es dat Schönste, wat mer han schon all die lange Johr.“