Wer ihn sieht, denkt wohl eher nicht an Instagram oder TikTok – doch der 82-jährige Kölner Antiquariat Klaus Willbrand konnte sich innerhalb von wenigen Wochen einen Namen in den Sozialen Netzwerken machen.
Zahlen schießen in die HöheKölner (82) wird in kürzester Zeit zum Internet-Phänomen
Berühmt zu werden, ist heutzutage wohl so einfach wie selten zuvor: Im Internet spielen junge Menschen Videospiele, zeigen ihre Fitnessworkouts oder präsentieren ihren Followern die neueste Kreation in der Küche. Als Influencer identifizieren die meisten Leute wohl Menschen in ihren Zwanzigern, die durch ihre Inhalte eine große Zahl an Fans im Internet unterhalten.
Einer, der da auf den ersten Blick gar nicht reinpasst, ist der Kölner Klaus Willbrand (82). Der 82-Jährige betreibt seit mehr als 20 Jahren ein Antiquariat in Köln-Sülz – und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einer kleinen Internetberühmtheit. Und das völlig unerwartet, wie er gegenüber EXPRESS.de sagt.
82-jähriger Kölner ist selbst überrascht von seinem Erfolg
Seltene Erstausgaben, verwinkelte Ladenräume, eine Leiter, um auch an die oberen Regale heranzukommen – das Geschäft von Klaus Willbrand sieht genauso aus, wie man sich ein uriges Antiquariat vorstellt.
In den vergangenen Jahren hat der 82-Jährige geschäftlich allerdings schwere Zeiten durchlelebt. Die Verkaufszahlen gingen zurück, immer weniger Kundinnen und Kunden schauten bei Willbrand vorbei, durch die Pandemie kam ein noch größerer Knick dazu, das Interesse an der Literatur und den Büchern wurde allgemein immer rückläufiger – so zumindest der Befund vom 82-jährigen Kölner.
Doch er wollte sein Geschäft (noch) nicht aufgeben, sodass Klaus Willbrand zusammen mit seiner Bekannten Daria (32), die beruflich mit Social Media zu tun hat, das urige Antiquariat in die moderne Medienlandschaft brachte. Und zwar mit vollem Erfolg: Innerhalb von knapp vier Wochen sammelte Willbrand allein auf Instagram über 45.000 Follower, auf TikTok kommen noch einmal über 15.000 dazu.
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In den geposteten Videos sitzt der 82-Jährige in seinem Antiquariat und fachsimpelt über Werke, Autorinnen und Autoren, seinen Beruf als Antiquariat oder gibt Leseempfehlungen. Unter einem Video, in dem er Hermann Hesse als überschätzten Autoren bezeichnet und das bereits über 1,6 Millionen Mal angeklickt wurde, lautet der Top-Kommentar: „Der Mann sieht aus wie Literatur.“
Und genau das könnte das Erfolgsrezept sein. Mit seiner Erscheinung, seinem Fachwissen und der besonderen Atmosphäre in dem Kölner Antiquariat schafft es Klaus Willbrand, viele Menschen im Internet in seinen Bann zu ziehen.
Kölner Antiquariat bei Instagram: „Erfolg hat mich überrascht“
Aber sagt er selber zu seinem Erfolg? „Daria, meine jugendliche Freundin, hat mich bereits vor zwei Jahren versucht davon zu überzeugen, die sozialen Medien fürs Geschäft zu nutzen, aber ich – ‚verstaubter Antiquar‘ – war für diese modernen Medien nicht zu haben. Die wirtschaftliche Situation zwang mich aber, etwas zu unternehmen und so habe ich mich schließlich darauf eingelassen, dass wir gemeinsam als Team online gehen.“
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Dass dieser Plan so zündet und seine Kanäle in kürzester Zeit so durch die Decke gehen, habe er nicht für möglich gehalten. „Daria hatte allerdings ganz andere Erfahrung mit den Medien gemacht und war sehr viel zuversichtlicher als ich. Wie erfolgreich wir dann aber in kürzester Zeit waren, hat mich und sie aber gleichermaßen sehr überrascht“, sagt Klaus Willbrand gegenüber EXPRESS.de.
Und der 82-Jährige berichtet weiter, dass sich dieser Erfolg nicht nur auf die Online-Welt beschränkt. Innerhalb kürzester Zeit bemerkte er, dass er mit seinen Videos offenbar den Nerv der Zeit treffe: „Das alltägliche Geschäft hat sich maßgeblich verändert. Es laufen ständig Bestellungen ein, der Laden ist viel belebter und es vergeht kein einziger Tag, an dem nicht Kundschaft in den Laden kommt, die durch die sozialen Medien auf uns aufmerksam geworden ist.“
Für Willbrand mit das wichtigste Fazit des Ganzen: „Meine Vorstellung musste ich gründlich korrigieren – das Interesse an Büchern ist nach wie vor sehr groß.“
Blickt er nun, dank seines Durchbruchs in den Sozialen Netzwerken, nach den schwierigen vergangenen Jahren wieder etwas positiver in die Zukunft? „Die Strukturen des Buchhandels haben sich in den letzten Jahren radikal geändert. Einzelne Buchhandlungen existieren zwar immer noch – vor allem in den Vororten der Städte. Das eigentliche Buchhandelsgeschäft haben aber größere Filialunternehmen übernommen, die teilweise über Hunderte von Läden verfügen. Aber auch diese haben mittlerweile viele Standorte wieder geschlossen, weil sie sich aufgrund der horrenden Mieten der Innenstädte nicht rechnen und die Umsätze nicht so groß sind.“
Der 82-Jährige ergänzt: „. Der Buchhandel wird sicher mit gewissen Einschränkungen weiter existieren. Es ist heute ja so, dass die Produktion an Büchern nicht nachgelassen hat, sondern eher gestiegen ist, aber die Qualität ist verhältnismäßig gesunken und tendiert zur Unterhaltungsliteratur. Es gibt immer noch einige Buchhandlungen, die ausschließlich auf Qualität setzen, aber auch die werden immer weniger.“