Seit 50 Jahren wird hier den Menschen aus Köln, besonders aus Ehrenfeld, geholfen. Im Erik-Wickberg-Haus wird Ende August 50. Geburtstag gefeiert.
„Sind nach und nach weggestorben“Auch die Haie unterstützen: Kölner Institution feiert großes Jubiläum
Am Freitag (30. August 2024) wird an einem Ort gefeiert, an dem eigentlich in erster Linie Personen zusammenkommen, die schwere Schicksale verbindet – und das seit mittlerweile 50 Jahren. Die Heilsarmee in Köln-Ehrenfeld feiert großes Jubiläum – und lädt nicht nur zu diesem Anlass ins Erik-Wickberg-Haus ein.
Wenn die Feierlichkeiten mit einem bunten Programm durchgeführt werden, steht Thomas Donadt in der ersten Reise. Immerhin ist er, das sagt er stolz, aber auch mit einer Portion Zurückhaltung „Teil der Geschichte dieses Hauses“.
Erik-Wickberg-Haus in Ehrenfeld feiert 50. Geburtstag – er ist Mister Heilsarmee in Köln
Donadts Geschichte ist eine spezielle, die im September 1997 beginnt. Das Erik-Wickberg-Haus nimmt auch mehr als ein Vierteljahrhundert später in erster Linie Männer auf, die mit drei Problemen zu kämpfen haben.
„Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit, Suchtproblematik – oft bedingt das eine das andere“, erklärt der 57-Jährige. In den 1990er-Jahren war der Alkohol ein Problem in Donadts Leben. Seine Zeit als Bewohner endete im Dezember 1998 – in den vergangenen über 25 Jahren ist er der Heilsarmee aber erhalten geblieben. Seitdem arbeitet er als Pförtner vor Ort und gilt als gute Seele des Hauses, das als stationäre Unterkunft für hilfsbedürftigen Wohnungslosen fungiert.
EXPRESS.de traf Donadt in Rahmen der Jubiläums-Feierlichkeiten zum Gespräch. Der Kölner fasst zusammen, was das Problem für die Männer in Notlagen sind, die sich an die Heilsarmee wegen: „Ohne postalische Erreichbarkeit bekommst du keinen Job, ohne Postanschrift bekommst du kein Bankkonto. Die Suchtproblematik hat häufig zur Folge, dass darauf der Verlust der Wohnung oder des Jobs folgt.“
Es ist ein Teufelskreis – aus dem wahrlich nicht jeder herauskommt. Donadt blickt selbst auf den September-Tag vor mittlerweile 27 Jahren zurück: „Wenn ich an den Tag meines Einzugs denke, da wusste ich überhaupt nicht, ob ich hier hereinwill. Ich bin fünf Minuten noch am Zaun auf und ab gelaufen. Es war ein schwieriger Schritt zu sagen, dass ich Hilfe brauche.“
Er nahm die Hilfe an und seitdem prägt er die Heilsarmee und das Erik-Wickberg-Haus sein Leben. Das beinhaltet auch Gespräche, die weit über seinen eigentlichen Job als Pförtner hinausgeht. Ein stetiger Begleiter, der über dem Geschehen vor Ort schwebt, ist der Alkohol. Da muss sich Donadt Bewohner auch mal zur Seite nehmen, Sätze wie „Jung, hör mal, die Flasche Schnaps kannst du nicht mit hereinbringen“ fallen.
Wie hat sich die Situation in den vergangenen über 25 Jahren verändert? „Früher war es häufiger der Alkohol, heute sind es mehr die Mehrfachabhängigkeiten – ich sag’ mal Alkohol, Cannabis und harte Drogen. Das hat sich schon verändert“, erklärt der Pförtner. Früher seien „typische Säufer zwischen 40 und 50“ vor Ort untergekommen. „Heute haben wir eine Bandbreite. Der jüngste ist 21, der älteste 70.“
Längst ist das Erik-Wickberg-Haus eine Institution in Köln – und eine wichtige Anlaufstelle für Menschen in Not. Das erkennen auch Schwergewichte der Domstadt an.
Jetzt lesen: Karnevals-Teams zeigen ihre Oldtimer – Stadt Köln sorgt vor Rallye für Ärger
„Die Kölner Haie stellen schon mal Karten für Eishockey-Spiele“, berichtet Donadt und ergänzt schmunzelnd: „Beim FC ist es noch ausbaufähig. Aber es gibt Leute, die dem Haus gegenüber wohlwollend sind.“
Donadt kann sich schon rund zehn Jahre vor Eintritt ins Rentenalter vorstellen, dem Haus darüber hinaus erhalten zu bleiben. Zu viel verbindet Arbeitgeber und Arbeitnehmer längst.
Das Spezielle für den 57-Jährigen: „Im Grunde ist das Haus hier ein Spiegel der Gesellschaft – mit allen Vor- und Nachteilen.“ Allerdings hat die Heilsarmee auch mit einigen Entwicklungen der vergangenen Jahre zu kämpfen.
Hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teilnehmen:
Zum einen liegt das Haus mitten in Ehrenfeld auf der Marienstraße – ein Veedel, das sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert hat. „Ehrenfeld muss man sich leisten können“, erklärt Donadt. „Es sind viele Eigentumswohnungen dazugekommen, die sich keiner der Jungs hier je wird leisten können – ich als Mitarbeiter vermutlich auch nicht.“
Ehrenfeld ist und bleibt sehr attraktiv für potente Zugezogene, eine Entwicklung, die laut Donadt Folgen hat: „Was Ehrenfeld über die Jahrzehnte sicherlich verloren hat, ist dieser Charme des Arbeiterviertels. Es war immer ein Industrie-Standort, davon ist nicht viel übrig geblieben.“
Darüber hinaus macht Donadt keinen Hehl daraus, dass die Verknüpfung des Hauses und seiner Bewohner ins Ehrenfelder Stadtleben gelitten hat – auch durch die Corona-Zeit mit stark eingeschränktem persönlichen Kontakt. Ihm ist es wichtig, zu betonen: „Unsere Tür ist offen, hier ist jeder willkommen“ – ungeachtet von Geschlecht oder Religion.
Unter anderem besteht die Möglichkeit, einen Mittagstisch in der Kantine der Heilsarmee zu bekommen – oder das Café zu nutzen. Beides ist frei zugänglich, nicht nur für Personen, die das Angebot im Erik-Wickberg-Haus in Anspruch nehmen.
Jetzt lesen: Kölns jeckster Chor freut sich auf Party mit ernstem Hintergrund
„Mir ist wichtig, dass die Leute wissen, wenn sie Hunger haben, können sie zur Heilsarmee gehen – und für 50 Cent eine Suppe haben. Das sollte in diesem Viertel bekannt sein. Ich habe nicht das Gefühl, dass das in vielen Teilen Ehrenfelds angekommen ist“, erklärt Donadt und schwelgt in Erinnerung an eine noch andere Situation in seinen ersten Jahren in Ehrenfeld.
„Wir hatten in den 90er- und 00er-Jahren einen Seniorenclub, zu dem die Personen aus den umliegenden Straßen kamen. Es gab Kaffee und Kuchen, es wurde gespielt“. beschreibt Donadt. „Aber irgendwann fehlte der Nachwuchs. Die Senioren sind nach und nach weggestorben. Irgendwann kamen dann nur noch vier, drei Personen – nicht mehr 30,40. Da hat sich was verändert.“
Längst geht es nicht nur darum, den Menschen in einer akuten Notlage aufgrund Wohnungslosigkeit oder Suchtproblemen zu helfen. Auch Personen, die sich mehr sozialen Kontakt oder eine warme Mahlzeit wünschen – und etwa gegen Einsamkeit ankämpfen wollen – sollen angesprochen werden. Das ist auch Donadts Wunsch für die Zeit nach dem 50-jährigen Jubiläum auf der Marienstraße.