TraurigHistorische Skulptur für Kölner Heimkinder landete einfach auf dem Müll
Köln – Es ist eine wundersame Geschichte, traurig, aber doch mit einem glücklichen Ende...
Ohne, dass es die meisten Kölner mitbekommen konnten: Seit 1968 existierte in Köln eine Skulptur der berühmten Bremer Stadtmusikanten. Das zirka 1,5 Meter hohe Bronzewerk des Bildhauers Fritz Bernuth (1904-1979) wurde damals im Innengelände des Kinderheims in Sülz aufgestellt. Als Symbol für soziales Verhalten gemäß dem Spruch „Einigkeit macht stark“.
Das traurige: Als das ehemals größte Kinderheim Deutschlands geschlossen und abgerissen wurde, landeten die Musikanten zur Entsorgung einfach auf dem Müll. Monika Huth, von 1968 bis 1983 Bewohnerin des Heims, zu EXPRESS: „Die Skulptur wäre fast schon weggebracht worden, als sie von Anwohnern entdeckt wurde. Sie lag bereits im Müll."
Jetzt lagert sie in einer Garage der neuen Wohnsiedlung, die auf dem Gelände des Kinderheims entstand. Und vor allem: Die Skulptur soll, dann für alle Bürger sichtbar, wieder aufgestellt werden. Und zwar zwischen der Waisenhauskirche und dem Sülzgürtel.
Das ist ein weiteres Detail in der teilweise mühsamen, aber auch erfolgreichen Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit für das ehemalige Kinderheim.
Neue Wendung im Streit um „Platz der Kinderrechte“
Eine neue Wendung gibt es auch in der Auseinandersetzung zwischen Ehemaligen des Heims und der Politik um die richtige Widmung des ehemaligen Heimgeländes.
Die Arbeiten für die Erinnerungsstätte für die 22500 Kinder, die Bewohner der Einrichtung waren (hier mehr lesen) sind im Gang. Der für Herbst vorgesehene Eröffnungstermin wurde auf Frühjahr 2020 verschoben
Ehemalige Kölner Heimkinder führen parallel seit 2015 eine Initiative an, die das Ziel hat, an dem Ort einen zentralen „Platz der Kinderrechte“ zu etablieren. Dabei geht es um das 2011 nach dem ehemaligen Kölner Amtsgerichtspräsidenten und Oberstadtdirektor Heinz Mohnen benannte große Areal an der Kirche zur Heiligen Familie.
Bewegende Inschriften: Neue Details zur Erinnerungsstätte
Ein zentraler Bestandteil der geplanten Erinnerungsstätte sind drei große Findlinge, die auf dem Platz verteilt sind. Die Inschriften, die bald angebracht werden, wurden nun festgelegt. Sie lauten:
- Für alle Kinder, die früher hier lebten
- Für alle Kinder, die heute hier leben
- Für alle Kinder, die in Zukunft hier leben werden
Der Wunsch der Ehemaligen ist es, dass der Platz auch und gerade durch die Namensgebung keine statische, sondern lebendige Wirkung hat und von ihm ein starker Impuls in die Stadtgesellschaft ausgeht. Die allen Kölnern bekannte „Kirche zur Heiligen Familie" wird das Zentrum der Erinnerungsstätte werden. In ein angrenzendes Gebäude will zudem das vor fünf Jahren in Köln gegründete „Kinderrechteforum" seinen Hauptsitz etablieren (zur Zeit noch im Mediapark).
Ehemalige des Kinderheims kritisieren „Trostpflaster“
Nach Druck der Ehemaligen war mit einem Beschluss aus dem vergangenen Jahr ein abseits gelegener, kleiner Teil des „Heinz-Mohnen-Platzes“ in Platz der Kinderrechte umbenannt worden. Neben den ehemaligen Heimkindern empfinden dies auch andere Kritiker angesichts der Bedeutung des Kinderheimareals als unangemessen. Eine Umbenennung des gesamten Platzes lehnte die Politik bislang ab.
Jetzt aber gibt es in der Kontroverse ein Treffen von großer Bedeutung. Am 22. Mai kommen im Lindenthaler Rathaus erstmals Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker (CDU), verschiedene Fraktionschefs der BV Lindenthal, Vertreter der Ehemaligen des Kinderheims, der neuen Anwohner sowie die einzige direkte Nachfahrin der Eheleute Mohnen, die 1942 geborene Tochter, zusammen. Es geht um die Frage, ob es eine versöhnliche Lösung für alle Beteiligten geben kann.
Der Wunsch der Ehemaligen
Die ehemaligen Kinderheimbewohner fordern, dass das alte Heimgelände all den Kindern gewidmet werden sollte, die dort zwischen 1917-2010 einen Teil ihres Lebens verbracht haben. Ihr Ziel ist die Benennung des Platzes in „Platz der Kinderrechte“.
Was ist der Kern des Problems?
Nach dem Abriss eines großes Teils des Kinderheims und der Entstehung einer neuen, hochwertigen Wohnsiedlung wurde das Areal nach Heinz Mohnen (1914-2005) benannt. Der von der Bezirksvertretung Lindenthal am 31. Januar 2011 gefasste Beschluss müsste zugunsten des Platzes der Kinderrechte revidiert werden.
Kann es eine Lösung geben?
Vielleicht. Gesucht wird der Königsweg. Teils bereits angedachte Varianten: Der Heinz-Mohnen-Platz bleibt postalisch erhalten, wird aber per Straßenschild symbolisch zum Platz der Kinderrechte deklariert. Oder: Der Heinz-Mohnen-Platz und der Platz der Kinderrechte werden getauscht. Oder: Der gesamte Platz wird zum Platz der Kinderrechte, parallel gebührt dem Oberstadtdirektor eine andere Straße oder ein anderer Platz in Köln.
Wie fiel die Entscheidung für Heinz Mohnen?
Dies geschah auf Antrag der stärksten Fraktion der BV Lindenthal, der CDU. Laut Sitzungsprotokoll hatte Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker erklärt, dass im Bezirk eine interne Prioritätenliste für künftige Straßenbenennungen existiere und dass „danach vordringlich Herrn Mohnen … eine repräsentative Straße oder ein entsprechender Platz vorbehalten sein sollte“. Die Familie von Heinz Mohnen hatte sich nach dessen Tod für eine Ehrung des Ehemanns und Vaters, ehemaligen Chef der Kölner Verwaltung sowie früheren Amtsgerichtspräsidenten eingesetzt.
Fiel der Beschluss einstimmig?
Nein. Die Grünen stimmten gegen die Benennung. Ein Linker enthielt sich. Eine Mehrheit aus CDU, SPD, FDP und Pro Köln stimmte für den Heinz-Mohnen-Platz.
Gab es auch andere Vorschläge?
Ja. Die Stadtverwaltung hatte der Bezirksvertretung zwei Namensvorschläge eingereicht, die einen Zusammenhang zur Kinderthematik herstellten: Hermann Gmeiner, Gründer der SOS Kinderdörfer oder die Kölnerin Käthe Flöck, Gründerin einer Stiftung für Kinder. Diese Vorschläge wurden nicht angenommen.
Was macht den Fall so bewegend?
Das Areal steht für das Schicksal von Kindern, die im Waisenhaus Schutz und Trost fanden – aber auch zu Opfern von Gewalt und Missbrauch wurden. Ehemalige Heimbewohner und auch -Pädagogen, die Nachfolgeeinrichtung des Kinderheims (Kids), der Sohn des ehemaligen Heimdirektors, die Architekten der Erinnerungsstätte und auch interessierte Sülzer Bürger halten daher die Entscheidung, diesen historischen Ort nach einem Politiker zu benennen, für nicht richtig.
Zudem existiert ein behördlicher Brief des Oberstadtdirektors Heinz Mohnen aus dem Jahr 1966, in dem er eine Beschwerde über Prügel und Demütigungen im Heim, die es nachweislich gab, unter anderem mit der Bemerkung abgewiesen hat, „daß der Wert von Kinderaussagen grundsätzlich sehr zweifelhaft ist“.
Dieser Fakt ist auf einer bereits jetzt existierenden, noch provisorischen Gedenktafel an der Kirche benannt. Heinz Mohnen hatte die Verfasserin des Briefes, Mutter eines Heimkindes, aufgefordert, sich bei der Nonne für die „haltlosen Anschuldigungen“ zu entschuldigen.
Wie kam der Kontakt zu Heinz Mohnens Tochter zustande?
Die Ehemaligen nahmen Kontakt auf zu der in Köln lebenden ehemaligen Juristin, mit der Überlegung, ob die Entwicklung einer gemeinsamen Sichtweise zum Thema möglich sein könnte. Es gab schließlich die Zusage zu einem Treffen.
Bereits am 3. April hatten sich Ehemalige des Heims sowie Anwohner mit Bürgermeisterin Blömer-Frerker und weiteren Spitzen der Fraktion im Rathaus zu einem zweistündigen Meinungsaustausch getroffen. Hinterher sprachen die Teilnehmer von einem guten, sachlichen und freundlichen Gespräch.
Gipfel kinderfreundlicher Kommunen in Köln
Köln richtet dieses Jahr den „Gipfel kinderfreundlicher Kommunen“ aus, der am 15. Oktober eröffnet wird. 500 Teilnehmer aus 40 Ländern werden in Köln erwartet. Zu diesem Anlass einen würdigen „Platz der Kinderrechte“ zu haben, erachten die Ehemaligen des Kinderheims für erstrebenswert.