Die Kölner Polizei ist entschlossen, den Mord an der im Jahr 1991 getöteten Seckin Caglar (†16) endlich aufzuklären. Am Freitag gab die Polizei einen Überblick über den Stand der Ermittlungen.
„Familie zerstört“Bruder von Kölnerin Seckin Caglar (†16) mit emotionalen Worten an den Mörder
Erst vor wenigen Tagen ist es der Kölner Polizei gelungen, den mutmaßlichen Mörder von Petra Nohl (†24) ausfindig zu machen, die am 14. Februar 1988 in der Innenstadt getötet wurde. Ein ähnliches Ergebnis erhoffen sich die Ermittlerinnen und Ermittler auch in einem weiteren Cold Case: beim Mordfall von Seckin Caglar (†16).
355 Männer werden in der kommenden Woche zum Speicheltest geladen – in der Hoffnung, mit neuen Analyse-Verfahren den Mord an der 1991 getöteten 16-Jährigen doch noch aufklären zu können.
Am Freitag (10. März 2023) hat die Kölner Polizei am Marktplatz an der Salmstraße im Stadtteil Poll zu einem Pressetermin eingeladen, um über den aktuellen Ermittlungsstand zu informieren.
Und es wurde emotional: Denn neben Polizeipräsident Falk Schnabel, Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer und dem Leiter der Ermittlungsgruppe Cold Case Markus Weber war auch Basri Caglar, der Bruder der getöteten Seckin, vor Ort.
Mord an Seckin Caglar (†16): Kölner Polizei über die aktuellen Ermittlungen
Die damals 16-jährige Seckin Caglar wurde am 16. Oktober 1991 in unmittelbarer Nähe zur KVB-Haltestelle „Poll-Autobahn“ – der heutigen Station „Baumschulenweg“ – vergewaltigt und ermordet. Die Tat ereignete sich an einem Mittwoch, vermutlich zwischen 18.40 Uhr und 19.30 Uhr – kurz vor dem EM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Wales. An der Haltestelle Salmstraße war sie nach ihrer Arbeit in einem Supermarkt eingestiegen, nur eine Station weiter wartete ihr Mörder auf sie.
Am Tatort wurden damals Blutspuren gefunden, die mutmaßlich von Seckins Mörder stammen. Mithilfe der neuesten DNA-Techniken, die es damals noch nicht gab, hoffen die Ermittlerinnen und Ermittler nun, den Täter auch knapp 32 Jahre später endlich schnappen zu können.
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Ganz bewusst wählte die Polizei und die Staatsanwaltschaft also den Marktplatz an der Salmstraße in Poll als Ort für die Pressekonferenz aus. Hier war Seckin im Oktober 1991 in die Bahn gestiegen – und kam dann nie zu Hause an.
Für Polizeipräsident Falk Schnabel war es ein ganz besonderer Termin: „Es ist heute ein sehr wichtiger Tag für die Polizei Köln. Wir möchten hiermit zum einen nochmal alle Zeuginnen und Zeugen aufrufen, die damals irgendetwas gesehen oder gehört haben, sich noch einmal intensiv mit diesem Tag auseinanderzusetzen und sich gegenbenfalls bei uns zu melden. Zum anderen appellieren wir an die Männer, die wir zur DNA-Reihenuntersuchung eingeladen haben, dieses Vorhaben zu unterstützen.“
Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer ergänzte: „Die Freiwilligkeit bei dieser Maßnahme wird vorausgesetzt. Die betroffenen 355 Männer sind erst einmal alle als Zeugen geladen, wir hoffen aber, dass sie den Termin allesamt wahrnehmen. Auch diejenigen, die sich weigern, sind dann nicht automatisch Tatverdächtige.“ Allerdings sei auch klar, dass diese Personen dann ermittlungstechnisch genauer angeschaut werden müssen, auch wenn sie nicht unter Generalverdacht stehen würden.
Markus Weber, Leiter der Cold-Case-Einheit bei der Polizei Köln, richtete sich bei seinem Statement direkt an den noch unbekannten Täter: „Er sieht, dass wir nicht untätig sind oder uns zurücklehnen. Wir erhöhen mit der DNA-Reihenuntersuchung gehörig den Druck und sind ihm auf den Fersen.“
Das Täterprofil in dem Mordfall von Seckin Caglar zu bestimmen, sei nicht einfach gewesen. Es handele sich weit gefasst jedoch vermutlich um eine damals jüngere Person – allerdings könnten die Ermittlerinnen und Ermittler dabei keine genaueren Festlegungen vornehmen.
Mord in Köln: Bruder von Seckin mit emotionalem Statement
Besonders emotional wurde es dann, als Basri Caglar, der damals achtjährige Bruder von Seckin, das Wort ergriff. Mit einem EXPRESS-Artikel vom 18. Oktober 1991 in der Hand schilderte der heute 39-Jährige die schlimme Zeit, die seine Familie nach dem Verlust seiner Schwester durchmachen musste: „Meine Eltern haben sich gegenseitig die Schuld gegeben, ich hatte niemanden mehr, mit dem ich sprechen konnte. Meine Kindheit endete damals an diesem Tag, obwohl ich erst acht Jahre alt war.“
Er habe ein tolles Verhältnis zu Seckin gehabt, mit ihr zusammen Hausaufgaben gemacht, mit ihr oftmals gespielt und sie häufig nach der Schule auf ihrer Arbeitsstelle besucht. Sie sei auch die einzige in der Familie gewesen, mit der Basri Caglar überwiegend Deutsch sprechen konnte.
Er sei froh, dass der Fall nun neu aufgerollt wurde und er damit nicht in Vergessenheit gerät. An die Einwohnerinnen und Einwohner im Kölner Veedel Poll richtete er einen emotionalen Appell: „Bitte brecht euer Schweigen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass niemand etwas gehört oder gesehen hat. Es war ruhig in der Gegend der Haltestelle, meine Schwester muss geschrien haben.“
Er habe lange gebraucht, um aus dem Loch herauszukommen, in welches ihn die Tat damals warf. Mittlerweile ist er selber Familienvater, hat einen Sohn und eine Tochter und wurde – wie Seckin es durch ihre Ausbildung auch wollte – Einzelhandelskaufmann. „Ich bin wahrscheinlich viel vorsichtiger als ein normaler Elternteil. Ich hole meine Kinder von der Schule ab, lasse sie ungerne alleine irgendwo hinfahren. Meine Vergangenheit hat mich in diesem Punkt halt einfach sehr geprägt“, sagt Basri Caglar.
An den Täter hat er eine Botschaft: „Er hat unsere Familie zerstört, mein Vater ist im vergangenen Jahr gestorben und kann leider nicht mehr mitbekommen, falls der Mörder seiner Tochter gefasst wird. Wir wollen endlich zur Ruhe kommen. Der Mann kam mir mein Leben lang wie ein Phantom vor, das plötzlich auftaucht, Seckin tötet und wieder verschwindet – aber er ist kein Phantom.“