Mitglieder der LGBTQI*-Community dürften nach der Bundestagswahl vor allem für eine mögliche Koalition Sympathien hegen. Zumindest diejenigen, die die Wahlprogramme der Parteien genauer studiert haben.
LGBTQI*Eine Koalition dürfte für Schwule und Lesben am attraktivsten sein
Köln/Berlin. Nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 ist die alles entscheidende Frage, die nun zu klären gilt: Wer koaliert mit wem? Aus Sicht der LGBTQI*-Community dürfte die Ampel-Koalition wohl die attraktivste Wahl sein.
Die SPD geht als Sieger aus der Bundestagswahl hervor (25,7 Prozent), CDU/CSU kamen auf 24,1, die Grünen auf 14,8 Prozent.
Die FDP liegt mit 11,5 Prozent vor AfD (10,3), Linke (4,9) und anderen Parteien (insgesamt 8,7 Prozent).
Die Wahlergebnisse ermöglichen drei verschiedene Koalitionen. Am wahrscheinlichsten ist ein Dreier-Bündnis.
- Ampel: Rot-Gelb-Grün (SPD, FDP, Grüne)
- Jamaika: Schwarz-Gelb-Grün (CDU/CSU, FDP, Grüne)
- Große Koalition: (CDU/CSU und SPD)
Die Grünen sowie die FDP tragen also maßgeblich dazu bei, welche Koalition die nächste Regierung der Bundesrepublik bilden wird. In Hinblick auf die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transsexuellen und anderen sexuellen Minderheiten würde die Ampel-Koalition voraussichtlich mehr bewirken als etwa eine Koalition mit CDU/CSU.
Wahlprogramm der CDU: Kein Wort über LGBTQI*-Community
Denn beim Blick in die Wahlprogramme der großen Parteien sucht man bei CDU/CSU vergeblich nach Schlagwörtern wie „LGBT“, „Schwule“, „Lesben“, „Adoption“ oder ähnliche Begriffe, die für queere Menschen von Bedeutung sind.
Lediglich in der Einleitung des CDU-Wahlprogramms wird auf gesellschaftliche Vielfalt hingewiesen: „[…] Respekt statt Bevormundung für Familien, christliches Menschenbild und gesellschaftliche Vielfalt statt vorgefertigter Lebensentwürfe für jeden Einzelnen. Wir spielen vermeintliche Gegensätze und unterschiedliche Gruppen nicht gegeneinander aus. Wir verbinden sie.“
Unter dem Punkt Familie spricht die CDU vom „christlichen Menschenbild“. Gehören für die Partei auch Mutter-Mutter-Kind oder Vater-Vater-Kind dazu? Das bleibt unklar.
SPD setzt sich für Gleichstellung von LGBTQI*-Personen ein
Die SPD macht in einem eigenen Punkt („Gesellschaft des Respekts“) klar: „Sie ist konsequent gegen jede Form von Diskriminierung, egal ob es um soziale Herkunft, Geschlecht, Migrationsbiografie, Religion, Behinderung oder sexuelle Orientierung geht.“
Die Partei verspricht, „vielfältige Familienmodelle rechtlich [abzusichern]“.
Weiter heißt es im Wahlprogramm der SPD: „Mit der Verantwortungsgemeinschaft unterstützen wir beispielsweise Regenbogenfamilien zusätzlich darin, füreinander Sorge zu tragen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sich mehrere Menschen mit oder anstelle der biologischen Eltern um Kinder kümmern. Wir schaffen ein modernes Abstammungsrecht. Wir setzen uns ein für gleiche Rechte von gleichgeschlechtlichen Partner*innen in der Ehe, insbesondere bei Adoptionen.“
Die SPD will zudem psychologische Gutachten zur Feststellung der Geschlechtsidentität abschaffen.
Mehrfach betont die Partei, sich für die Anerkennung und Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen sowie queeren Menschen (LSBTIQ*) einzusetzen.
- „Wir setzen uns die rechtliche Absicherung von LSBTIQ*-Familien und Trans* und Inter*Personen zum Ziel.“
- „Wir werden einen nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie und Gewalt gegen LSBTIQ* einführen und uns auf europäischer Ebene für die Ächtung solcher Diskriminierung einsetzen.“
- „Wir fördern den Kampf gegen Gewalt und Diskriminierung, die sich gegen queere Menschen richtet – in Deutschland und der Europäischen Union.“
- „Wir werden darauf hinwirken, dass die diskriminierende Richtlinie der Bundesärztekammer zur Blutspende abgeschafft wird.“
Grüne mit mehreren Punkten zum Thema LGBTQI* im Wahlprogramm
Auch bei den Grünen finden wir viele Absätze zum Thema LGBTQI*.
Einige Auszüge:
- „Die bestehenden Lücken beim Verbot sogenannter ‚Konversionstherapien‘ werden wir schließen.“
- „Es braucht Bildungsprogramme zu Antidiskriminierung, Diversität, LSBTIQ* und Demokratieverständnis.“
- „Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen sollen selbstbestimmt und diskriminierungsfrei ihr Leben leben können. Dafür und gegen gesetzliche Diskriminierungen sowie Benachteiligungen und Anfeindungen im Alltag werden wir ein starkes Signal setzen und den Schutz von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität durch die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes sicherstellen.“
- „Das diskriminierende Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer sowie transgeschlechtliche Personen wollen wir aufheben.“
Wie die SPD, wollen auch die Grünen dafür sorgen, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens auf Antrag der betroffenen Person möglich ist, ohne dass dafür psychologische Zwangsgutachten notwendig sind.
„Mit einem Selbstbestimmungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass das überholte Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird“, heißt es im Wahlprogramm. Zudem wolle die Partei den Anspruch auf medizinische Körper-angleichende Maßnahmen gesetzlich verankern und die Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem ermöglichen.
Für Regenbogenfamilien besonders wichtig ist der folgende Absatz:
„Zwei-Mütter-Familien sollen nicht mehr durch das Stiefkindadoptionsverfahren müssen, darum streben wir an, das Abstammungsrecht zu reformieren, sodass die Co-Mutter analog zu Vätern in Ehen zwischen einem Mann und einer Frau automatisch als zweites rechtliches Elternteil gilt. (...) Bei Kinderwunsch sollen alle Paare und alleinstehende Frauen die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die künstliche Befruchtung erhalten.“
LGBTQI*: Auch Linke und FDP für Gleichstellung
Liberale und Linke setzen sich ebenso für die Gleichstellung homosexueller Menschen sowie anderer sexueller Minderheiten ein.
Was FDP und Linke mit den Grünen und SPD gemein haben: Alle vier Parteien wollen die Blutspenderichtlinie für schwule Männer abschaffen, psychologische Gutachten zur Feststellung der Geschlechtsidentität abschaffen und Artikel 3 des Grundgesetzes um ein Diskriminierungsverbot wegen der geschlechtlichen oder sexuellen Identität erweitern. Zudem wollen alle vier Parteien die Erfassung queerfeindlicher Straftaten verbessern und einen nationalen Aktionsplan gegen Diskriminierung auf den Weg bringen.
SPD, Grüne, Linke sowie FDP sind sich einig, dass verschiedene Formen der Ehe rechtlich mit der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt werden sollen, insbesondere bei Adoptionen.
Grüne, FDP und Linke wollen außerdem Konversionstherapien verbieten. Co-Elternschaft soll automatisch rechtlich anerkannt werden. Für Schulen planen diese drei Parteien Bildungsprogramme zu Diversität.
Eine Besonderheit bei der FDP: „Auf Ebene der Vereinten Nationen fordern wir eine Konvention für LSBTI-Rechte nach dem Vorbild der Frauenrechtskonvention.“
Familie besteht für AfD aus Mann, Frau und Kind
Weniger überraschend ist der Blick ins Wahlprogramm der AfD. Die Partei macht unmissverständlich klar: In ihrem Weltbild besteht eine Familie aus: Vater, Mutter, Kind.
Alle steuerlichen Erleichterungen und Zuschüsse für Familien, die die AfD im weiteren Verlauf des Programms plant, würden damit nicht für Regenbogenfamilien gelten.
Im Wahlprogramm der AfD heißt es außerdem: „Kinder sollen frei von Indoktrination aufwachsen, (...). Ideologen verschiedener Richtungen versuchen aber, Kinder möglichst früh zu beeinflussen. Das wurde bereits im Dritten Reich und in der DDR in großem Stil praktiziert. Politische Ideologien, wie z. B. Genderwahn und Klimahysterie, werden den Kindern heute schon im Vorschulalter nähergebracht.“
Zudem hat das Wahlprogramm der AfD einen eigenen Punkt, der lautet: „Das Geschlecht ist eine biologische Tatsache.“ Die AfD unterstützt folglich keine Geschlechtsangleichungen. (jba, lwe)
* Das Kürzel LGBTQI kommt aus dem Englischen und steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer und intersexuell.