Er ist recht umstritten, der ARD-Hauskabarettist Dieter Nuhr. Am Mittwochabend ist er Gast bei Sandra Maischberger im Ersten. Da soll er sich ein wenig über die Politik lustig machen. Macht er aber nicht. Stattdessen schockt er das Publikum mit einem „Schutzgeld“-Fall aus dem Bekanntenkreis.
Bei „Maischberger“Dieter Nuhr berichtet von Freund, der „Schutzgeld“ für sein Schulkind zahle

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Dieter Nuhr berichtete bei Sandra Maischberger von einem alarmierenden Fall aus dem Bekanntenkreis.
Ob's am Frühling liegt? Oder an der Einigung der Koalitionspartner? Dieter Nuhr ist in gelöster Stimmung. Der Hauskabarettist der ARD ist am Mittwochabend Gast bei Sandra Maischberger. Da soll er ein paar Witze machen, über die Bundesregierung, die Gesellschaft und auch sonst. Die bleiben aber dann aus. Fast.
Nuhr ist gerade auf Tournee. Da trifft er jede Menge Menschen. Trotzdem fühlt Nuhr sich gut. Oder deswegen. Man weiß das bei ihm nie so genau. Seine Analyse der aktuellen Situation in Deutschland und dem Rest der Welt fällt trotzdem durchwachsen aus. „Seit ich denken kann, geht die Welt unter“, erinnert er sich. „Mein ganzes Leben habe ich gedacht, es geht nicht mehr voran. Inzwischen habe ich gelernt, ernsthaft darüber zu lachen. Ich bin sehr viel optimistischer geworden“, sagt Nuhr.
Dieter Nuhr spricht über „Schutzgeld“-Situation
Die Menschen hierzulande seien irgendwie nicht so recht glücklich, erklärt Sandra Maischberger wortreich unter Zuhilfenahme einer Tabelle. Die zeigt, in welchen Ländern die Menschen am glücklichsten sind. Deutschland liegt auf Platz 22. „Was uns fehlt, ist, dass es ein halbes Jahr dunkel ist, ein Krieg und große Drogenkartelle. Zum Glück“, begründet der Kabarettist den Zustand der Deutschen.
In Deutschland seien die Menschen jedoch grundsätzlich nicht zufrieden. In Indien sei das anders gewesen, erzählt Nuhr, der in seinem neuen Buch „Wohin?“ unter anderem über seine Reisen berichtet. Dort und in Nepal besuchte er eine Totenverbrennungsanlage. Da, so Nuhr, lässt sich's gut rasten. „Das hat eine ganz schöne Stimmung, diese Zufriedenheit.“ Auch in Saudi-Arabien gebe es sehr zufriedene und optimistische Menschen. „Ich glaube, es kommt auch ein bisschen darauf an, in welche Richtung gerade die Geschichte geht. Wenn man das Gefühl hat, es geht aufwärts, fühlt man sich auch knietief in der Schei..e gut.“

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„Seit ich denken kann, geht die Welt unter“, sagte Dieter Nuhr im ARD-Talk „Maischberger“
Ob dieser Zustand auch auf die neue Bundesregierung zutrifft, lässt Nuhr offen. Wir befänden uns gerade an einem Wendepunkt, glaubt er, auch wenn er nicht genau weiß, wo der liegt. Den Koalitionsvertrag, den die neue Bundesregierung am Mittwochnachmittag vorgelegt hat, kann er jedenfalls nicht bewerten. Aber an eine echte Wende glaubt er nicht, im Gegenteil: „Ich glaube, dass keine Regierung das schaffen wird“, sagt er. Gerade bei der Bekämpfung der illegalen Migration.
So seien die südlichen Grenzen Europas schwer abzusichern. Außer, wenn sich die Führungsspitze der AfD in Lampedusa an den Strand stellte, mit einem Schild in der Hand, auf dem geschrieben stünde: „Wir sind da, wo ihr hinwollt“. Dann, so glaubt Nuhr, würden einige Migranten freiwillig wieder abdrehen.
Dennoch sei es richtig, dass die Bundesregierung jetzt handele. „Sonst haben wir in vier Jahren eine AfD-Mehrheit, und dann wird uns ein unprofessionelles Regime aufgenötigt, das mit diesen Fragen vielleicht nicht mehr rechtsstaatlich umgeht.“
Geht es um den vermutlich neuen Bundeskanzler Friedrich Merz, hat Nuhr nicht allzu viel Vertrauen, sagt er bei Maischberger. Merz habe seine Wahlversprechen zu schnell gebrochen. Möglicherweise fehle ihm das Vertrauen in die Wähler. „Das ist ein grundsätzliches Problem einer Demokratie: Wenn man den Wählern nicht zutraut, die Probleme beurteilen zu können, kann man die Demokratie gleich zumachen.“
Ein Fehler sei in den letzten Jahren gewesen, die Sorgen der Menschen nicht ernst genug zu nehmen. Nuhr berichtet von einem Freund, der Schutzgeld an die Eltern der ausländischen Klassenkameraden seines Sohnes bezahle, damit dieser den Schulweg unverletzt bewältigen kann. Und von der Tochter eines anderen Freundes, die nicht mehr in kurzen Röcken zur Schule gehe, um nicht als „Freiwild“ betrachtet zu werden.
Nuhr sieht in „Wokeness-Bewegung“ einen Grund für Erfolg rechter Parteien
Gleichzeitig gebe es die Mehrheit von Migranten, denen das Verhalten der wenigen gewaltbereiten Ausländer unangenehm sei. „Das ist ein sehr differenziertes Problem, und es wird nicht differenziert behandelt“, sagt Nuhr. Doch genau diese Erfahrungen der Bundesbürger seien Wasser auf die Mühlen der AfD, deren Führungspersonal im Wesentlichen aus „Psychopathen“ bestünde.
Ein weiterer Grund für den Erfolg rechter Parteien sei die „Wokeness-Bewegung“. In einer Redaktionssitzung habe er eine Diskussion darüber erlebt, ob man Menschen als „Herr“ oder „Frau“ bezeichnen solle. Das mache etwas mit den Emotionen von Menschen, und Emotionen seien oft wahlbestimmend.
Eins ist klar: Die neue Regierung biete viel Satirepotential. Darüber freut sich Dieter Nuhr. Und die Fans von Dieter Nuhr. Und so wird denn zumindest ein Teil der deutschen Bevölkerung wieder glücklich. Vielleicht nicht ganz so glücklich wie die Finnen. Das sind die glücklichsten Menschen der Welt. Aber vielleicht steigt Deutschland im nächsten Jahr in der Glückstabelle auf. Vom 22. Auf den 21. Platz. (tsch)