Alle sollen glücklich sein. Das sieht der Koalitionsvertrag vor, den Union und SPD am Mittwochnachmittag vorgestellt haben. Am Mittwochabend diskutieren die beiden Politiker Jens Spahn (CDU) und Katharina Dröge (Die Grünen) bei Sandra Maischberger im Ersten darüber.
„Maischberger“Spahn lobt Koalitionspapier als „Gesamtkunstwerk“ – für Kölner Grünen-Frau „wurstelig“

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Bei Sandra Maischberger (rechts) stritten Katharina Dröge und Jens Spahn über den schwarz-roten Koalitionsvertrag.
CSU-Chef Markus Söder ist glücklich. Man habe einen „Bestseller“ verfasst, sagt der bayerische Ministerpräsident am Mittwochnachmittag. Was er meint, ist der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, den Union und SPD vorgestellt haben.
Jens Spahn will nicht so weit gehen. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef spricht lieber von einem „Gesamtkunstwerk“, als er am Mittwochabend bei Sandra Maischberger mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge, die für die Kölner Grünen antritt, über das Regierungsprogramm diskutiert. Immerhin: Alle sollen glücklich sein, denn jedem wird irgendwie irgendwas geschenkt. Vorausgesetzt, das Geld ist da. Eine Billion Euro gibt es schon. Das Geld soll in die Infrastruktur und die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands fließen.
Jens Spahn bei Maischberger: „Das sind die Hauptthemen, und für die haben wir eine Antwort“
Was die Bundesregierung noch alles erreichen will, zählt Spahn in dem Gespräch auf: „Wir senken die Steuern. Wir schaffen Bürokratie ab, wie selten eine Regierung zuvor. Wir schaffen Beauftragte ab, wir werden das deutsche Lieferkettengesetz aufheben, die Bon-Pflicht fällt weg, das Heizungsgesetz schaffen wir ab, wir werden die Energiekosten runterbringen und das Energieangebot ausweiten. Es gibt Schulden für die Investition in Infrastruktur. Aber wir haben immer gesagt: Es muss kommen mit Wettbewerbsfähigkeit, mit strukturellen Reformen.“ Das alles komme der Wirtschaft zugute.
Die Gewerkschaften und die SPD arbeiteten mit der Union zusammen, wenn es darum gehe, dass Deutschland Industrieland bleibe. Das sei der Unterschied zu der früheren grünen Wirtschaftspolitik. Die neue Regierung wolle Jobs schaffen, die illegale Migration begrenzen und die Gesellschaft stabilisieren. „Das sind die Hauptthemen, und für die haben wir eine Antwort.“

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Katharina Dröge hätte sich vom Koalitionsvertrag „ein bisschen mehr Mut zur Zukunft, ein bisschen mehr Aufbruch, ein bisschen mehr Verantwortung für dieses Land gewünscht“.
Katharina Dröge hat indes einiges zu kritisieren. Das ist ihre Aufgabe, denn die Grünen sind an der neuen Bundesregierung nicht beteiligt. Der Klimaschutz zum Beispiel komme in dem Vertragswerk zu kurz, sagt sie. „Sie sagen den jungen Leuten: Eure Zukunft ist uns komplett egal.“
Und: „Ich hätte mir ein bisschen mehr Mut zur Zukunft, ein bisschen mehr Aufbruch, ein bisschen mehr Verantwortung für dieses Land gewünscht. Wenigstens am Anfang mal zu versuchen, den Blick ein bisschen mehr nach vorne zu richten, wäre schon der Job gewesen. Die beste Entscheidung, die sie getroffen haben, liegt schon hinter ihnen. Das war die Grundgesetzänderung, das war die Reform der Schuldenbremse. Und was jetzt kommt, ist an vielen Stellen nur ein Verwalten des Status Quo oder ein Rückschritt.“

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Unter anderem in der Migrationspolitik fanden Katharina Dröge und Jens Spahn bei „Maischberger“ keinen gemeinsamen Nenner.
Eigentlich duzen sich die beiden Politiker. An diesem Abend nicht. Man ist ja politisch Gegner. Da passt das nicht. Obwohl Dröge auch Positives in dem Vertragswerk sieht. Die Vorschläge, die Noch-Wirtschaftsminister Habeck zuletzt gemacht habe, seien in den Koalitionsvertrag hineingeflossen, das sei gut, so die Grünen-Politikerin. Aber sonst?
Das wichtige Thema Rente, an dem zuletzt auch die Ampelkoalition gescheitert war, sei an eine Kommission weitergegeben worden. Man habe sich bei den Verhandlungen auf die dringend anstehenden Probleme konzentriert, verteidigt Spahn die schwarz-rote Politik. Man habe sich zunächst über die innere und äußere Sicherheit, die Verteidigungsfähigkeit und die Begrenzung illegaler Migration verständigt. Das gefällt Dröge nicht, die den Koalitionsvertrag „wurstelig“ nennt.
So bezweifelt die Grünen-Politikerin den Regierungswillen zum Bürokratieabbau. Immerhin solle es ein neues Ministerium geben, das sich unter anderem mit Weltraumforschung befasse. Das ist ein Wunschtraum von Markus Söder. Der CSU-Chef hatte schon vor knapp zehn Jahren von einer Weltraumbasis in Bayern gesprochen, und mit „Isar Aerospace“ gibt es ein Start-up in Ottobrunn bei München, das schon mal versucht hat, eine Weltraumrakete zu starten. Das war Ende März. Zumindest der Absturz der Rakete war beeindruckend.
„Ein Land sollte wissen, wer warum die Staatsgrenzen übertritt“
Es werde einen Politikwechsel geben, verspricht Spahn bei Maschberger. Der Politiker weiß, dass Friedrich Merz als neuer Bundeskanzler erst einmal jede Menge Vertrauen wiedergewinnen muss. Zu viele Wahlversprechen kann der wahrscheinlich neue Bundeskanzler nicht einlösen. Die geplante Schließung der Grenzen zum Beispiel, die er ursprünglich noch am ersten Tag seiner Kanzlerschaft durchsetzen wollte. Daraus wird nichts, obwohl Deutschland wieder einmal einen Innenminister aus der CSU bekommen wird. Noch-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wird für den Posten gehandelt.
Die Grenzen wolle die Regierung nicht schließen, erklärt Spahn im ARD-Talk. Aber: „Ein Land sollte wissen, wer warum die Staatsgrenzen übertritt. Und deswegen werden wir illegale Migration beenden. Wir werden wieder Kontrolle haben. Wir wollen Menschen an den Grenzen zurückweisen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben.“ Deutschland könne nicht alle Probleme lösen, indem alle Asylbewerber in dieses Land kämen, nur weil Deutschland im Zentrum Europas liege. „Wir werden eine Migrationswende machen, ja, eine andere Politik.“ Das habe die Union mit der SPD vereinbart. Immerhin gehe es um die Existenz beider Parteien, denn ungelöste Probleme in der Migrationspolitik würden die AfD stärken.
„Lassen Sie uns doch erst mal anfangen“
Die Migrationspolitik sei eine Mischung aus sinnlosen Härten und Maßnahmen, die der Wirtschaft schade, findet Dröge. So wolle Schwarz-Rot die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erschweren. Außerdem: „In einer Zeit, in der Donald Trump die Welt mit einem Handelskrieg überzieht, ist jetzt die Idee einer neuen Regierung, ausgerechnet den europäischen Binnenmarkt kaputt zu machen, indem man die deutschen Grenzen zu unseren Nachbarn schließt, die Lkws und die Pendler in die Staus schickt. Das ist wirtschaftspolitische Unvernunft“, moniert die Grünen-Politikerin.
Falsch sei, die Regierung schon jetzt zu kritisieren, findet Spahn. Sie werde besser sein als die Ampelkoalition, die schlechteste Bundesregierung, die Deutschland je gehabt habe. „Lassen Sie uns doch erst mal anfangen“, bittet der CDU-Politiker. Darauf werden die Bürger noch ein wenig warten müssen. Zunächst müssen die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen, die CDU regelt das auf einem kleinen Parteitag, bei der bayerischen CSU macht das der Parteivorstand. Dann gibt es noch ein paar Feiertage. Aber dann kommt der Mai. Da schlagen nicht nur die Bäume aus. Da schwingt auch das Pendel des Erfolges wieder in Richtung Friedrich Merz. Da ist Spahn sicher. (tsch)