Benno Fürmann spricht im Interview mit EXPRESS.de über seine Verbundenheit zur Natur, über die Schauspielerei und über ein lebensgefährliches Erlebnis beim Bergsteigen.
Schauspieler Benno FürmannHeftiges Erlebnis beim Bergsteigen: „Kompletter Irrsinn“
von Laura Schmidl
Schauspieler Benno Fürmann (52) ist einer von Deutschlands Großen im Film. Seine Ausbildung machte er am berühmten „Lee Strasberg Theatre Institute“ in New York. Sein Durchbruch gelang Fürmann 1998 mit seiner Hauptrolle in „Die Bubi Scholz Story“. Seither konnte er sich auch international behaupten, etwa in „Sin Eater“ an der Seite von Heath Ledger und mit Pierce Brosnan in „Survivor“. Seit 2017 ist er als Oberst Wendt in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ zu sehen. 2023 veröffentlichte er sein Buch „Unter Bäumen“ mit Erzählungen von Naturerlebnissen. Fürmann verlor schon als Kind beide Elternteile. Heute ist er Vater einer 21-jährigen Tochter.
Herr Fürmann, Sie spielen im nächsten Steirer-Krimi „Steirerschuld“ (24. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) einen undurchsichtigen Kunstmäzen. So richtig ist nicht klar, ob er etwas zu verbergen hat…
Fürmann: Ich mag es, dass Sie mir spiegeln, dass der Charakter nicht ganz greifbar ist. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Figuren plump sind. Wir sind als Menschen alle komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Wenn ein Mörder nach Jahren ins Gefängnis kommt, hört man von den Nachbarn oft: Er war so ein netter Mensch und hat immer gegrüßt. Das ist spannend. Welches Gesicht präsentiert man der Welt und was steckt dahinter? Wir alle sind mehr als das, was es auf den ersten Blick scheint.
Apropos Mörder. Spielen Sie lieber den Bösen oder den, der den Bösen schnappt?
Die private Stimme in mir möchte natürlich die Person sein, die den Bösen schnappt. Die schauspielerische Stimme weiß, dass das Böse, das Umtriebige, eine äußerst dankbare Energie hat. Schauspielerei hat mit klaren Zielen zu tun, die es zu erreichen gilt. Wenn Hindernisse dazu kommen, hat man die klassische Heldenreise, dann wird es spannend. Gleichwohl habe ich festgestellt, dass ich in den letzten Jahren deutlich mehr ‚Arschlöcher‘ angeboten bekommen habe als nette Menschen. (lacht). Das macht mich langsam ein wenig stutzig.
Ist aber sicherlich auch ein Kreislauf: Wenn man öfters das Arschloch spielt, wird man auch öfter dafür angefragt.
Genau so ist es. Man macht es ein, zwei Mal ganz gut und dann kann man davon ausgehen, dass aus dieser Richtung weitere Anfragen kommen. „Babylon Berlin“ und Oberst Wendt, den ich da spiele und der auch kein klassischer Sympathieträger ist, hat die Arschlochkategorie noch einmal befeuert.
Sie selbst sind Naturliebhaber, haben darüber auch ein Buch geschrieben. Was gibt Ihnen die Natur?
Die Natur erdet mich und die Natur ist ein Ort, an dem ich schneller als überall anders – außer vielleicht auf dem Meditationskissen – zu mir komme. Es ist die natürliche Umgebung, aus der wir entspringen. Ich kenne keinen Menschen, der gestresster aus dem Wald herauskommt, als er reingegangen ist.
Wann brauchen Sie so einen Ausflug besonders?
Wenn ich zum Beispiel viel arbeite und mein Kopf anfängt, sich zu drehen. Ein Filmset ist eine sehr artifizielle Umgebung, die versucht, möglichst natürlich zu sein. Energetisch ist das ein kompletter Wahnsinn. Während Dreharbeiten und Presse-Marathons oder wenn ich privat das Gefühl habe, ich bin am Anschlag, weil so viele Sachen gleichzeitig bearbeitet werden wollen, sind diese Momente, in denen man das Handy ausmacht und sich in den Wald oder auf den Berg begibt – in Ruhe, vielleicht sogar allein – für mich pures Gold.
Stichwort Berg. Sie sind Bergsteiger. Das kann gefährlich werden. Ihr heftigstes Erlebnis?
Ich bin eher Höhenwanderer in den letzten Jahren. Ich bin selten mit Seil unterwegs. Die wirklich schwierigen Touren habe ich nie alleine gemacht. Eine sehr anstrengende Tour war sicherlich Patagonien, wo ich mit 30 Kilo auf dem Rücken um Gletscherspalten herumgetänzelt bin. Da mussten wir jeden Schritt sehr präzise setzen, damit wir nicht abschmieren. Wir haben Flüsse mit eisigem Wasser durchquert, barfuß versucht, Griff und Halt zu finden, um auf der anderen Seite den Aufstieg zu machen. Das war eindrucksvoll. Die allerhärteste Tour war in Nepal die Khumbu-Durchquerung, wo ich mit 41 Grad Fieber auf einer Höhe von 5.500 Metern einen Gletscher überqueren musste und acht Stunden Marsch vor mir hatte. Kompletter Irrsinn.
Sind Sie nach dem Dreh von „Steirerschuld“, der ja in der Steiermark spielt, dort in die Berge?
Ja – ich liebe Österreich. Allerdings habe ich dort nicht die ganz schönen Orte gefunden. Dort, wo ich war, war ich nur umgeben von Fichten-Monokultur. Da hätte ich auch in Brandenburg bleiben können. Ich finde Monokulturen einfach trist. In Deutschland sind knapp 50 Prozent des Baumbestandes Fichten und Kiefern. So ein Mischwald ist viel schöner, sinnlicher, abwechslungsreicher und fürs Klima besser.
Der Film spielt in einem Kloster. In einem Interview sagten Sie einmal, dass Sie nicht getauft sind, aber an Gott glauben. Sind Sie religiös?
Ich würde sagen, ich bin spirituell. Das Wort „spirituell“ ist aber so besetzt, genauso wie „Gott“: Da stellt man sich direkt den Typen mit dem langen weißen Rauschebart vor. Daran glaube ich natürlich nicht. Aber mir ist Ethik wichtig, mir ist eine innere Verbindung zu dem wichtig, was die Quelle unseres Lebens ist. Und um mich davor zu verneigen und mich damit zu verbinden, fange ich den Tag idealerweise damit an, dass ich still auf meinem Meditationskissen sitze und dem lausche, was tiefergeht als das, was die Melodien unseres Alltags ausmacht. Da sind wir auch wieder bei den Naturerlebnissen. Es hat etwas mit Einkehr zu tun.
Sie sind außerdem mit Lesungen auf Tour. Welche drei Bücher sollte jeder Mensch mal gelesen haben?
Das „Daodejing“ von Lao Tse (das wichtigste Buch des Taoismus, einer chinesischen Philosophie, Anm.d.Red.) ist ein an Weisheit unübertroffenes Buch. Was ich sehr essentiell fand, war „Die Straße“ von Cormack McCarthy. Und ich habe wahrscheinlich bei keinem Buch so gelacht wie bei „Grün ist die Hoffnung“ von T.C. Boyle.
Sie wollten schon früh Schauspieler werden. Jetzt zählen Sie zu Deutschlands Top-Schauspielern – wie fühlt es sich an, wenn sich ein Traum erfüllt?
Ich weiß gar nicht, ob der Traum erfüllt ist. Das ist ja, wenn auf einmal etwas anders ist als vorher und dann hat man seinen Traum erfüllt. Bei mir ist es ein schleichender Prozess gewesen. Ich bin einfach sehr dankbar dafür, dass ich mich seit 30 Jahren als freischaffender „Künstler“ ernähren kann.