Droht das Projekt „Herbstresidenz“ zu scheitern? Bei allem Enthusiasmus haben Tim Mälzer und André Dietz einen wichtigen Faktor vergessen. Die Struktur im Pflegeheim ist dem Chaos gewichen – und das sorgt für Unzufriedenheit ...
Droht das Projekt zu scheitern?Rebellion in Mälzer-Show: „Da kippt gerade die Stimmung“

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Tim Mälzer hat den Fokus zu sehr auf das Wohl der Senioren gelegt und dabei die Pfleger vergessen. (Bild: RTL)
In nur einem Monat wurde die „Herbstresidenz“ in Bernkastel-Kues an der Mosel komplett umgekrempelt. Neue Einrichtung, neue Sitzordnung, neue Arbeitskleidung, mehr Aufgaben für die Senioren, mehr Lachen, mehr Freude – Projekt-Pate Tim Mälzer strahlt in Folge 3 der außergewöhnlichen VOX-Reihe: „Ich habe das Gefühl, wir haben das Leben da zurückgebracht.“
Jeden Tag kochen die Azubis mit den Senioren deren Lieblingsrezepte, was aufgrund von Demenz und anderen Einschränkungen oft im Chaos endet. Trotzdem findet Projekt-Pate André Dietz: „Alles ist besser, als einfach nur da rumzusitzen und in den Tag zu starren.“
Mehr Kraftanstrengung durch Doppelbelastung
Doch statt fester Strukturen herrscht jetzt teilweise völlige Anarchie. „Uns wird so langsam bewusst: Mit vielem, was wir da im Heim verändert haben, sind wir zugunsten der Senioren so eine Art Kuhhandel eingegangen“, spürt Dietz, wie sich Unzufriedenheit im Pflegepersonal breitmacht. Stationsleiterin Karo verrät Tim Mälzer: „Zwei, drei Mitarbeiter haben gesagt, dass sie es vorher besser fanden.“
Deren stille Rebellion: Sie verschmähen die neue Arbeitskleidung. „Da kippt gerade die Stimmung. Und eigentlich geht es um was ganz anderes als Klamotte tragen oder nicht“, spürt Dietz die negativen Schwingungen. „Wir merken das an vielen Stellen, dass das Personal nicht mehr mit dieser Anfangseuphorie mitzieht.“
Die Pflegekräfte nennen den Grund: „Wir haben recht schnell gemerkt, dass es doch mehr Kraftanstrengung ist wie das Alltagsgeschäft.“ Eine Aussprache soll die Fronten klären. „Warum haben wir es nicht geschafft, euch abzuholen?“, fragt Dietz in die Runde. Das Personal zählt Überforderung, zu viel Trubel, fehlende Kommunikation und die Doppelbelastung auf: „Man musste sich um die Bewohner kümmern, man musste sich um die Auszubildenden kümmern.“
Erster Ausflug nach fünf Jahren
Obendrein übernehmen die Azubis nun die schönen Unternehmungen mit den Senioren, für die sich das Pflegepersonal mehr Zeit gewünscht hätte. „Für viele hat sich das wahrscheinlich wie Rosinenpicken angefühlt“, versteht Dietz den Frust. Mälzer räumt ebenfalls ein: „Ich war motiviert, den Alten das Leben schöner zu machen. André war motiviert, diesem Ausbildungsaspekt der Menschen mit besonderen Bedürfnissen nachzugehen. Aber ich merke mehr und mehr, dass wir dadurch eigentlich die Pfleger vergessen haben, mit auf diese Reise zu nehmen.“ Also muss wieder mehr Struktur mit einer klaren Verteilung der Aufgaben her.
Derweil genießen die Seniorinnen und Senioren ihre neugewonnene Eigenständigkeit. Azubi Sarah motiviert alle zu mehr Aktivität: „Ich finde schon, dass die Leute auch mal rausgehen und auch mal was anderes erleben sollen, weil das wichtig ist.“ Stationsleiterin Karo findet ihre Offenheit toll: „Die sagt, was sie denkt.“ Dietz grinst: „Sarah ist vor allem eine, die ein 'Geht nicht' nicht akzeptiert.“
Der letzte Ausflug ist fünf Jahre her, das will Sarah dringend ändern. Doch Betreuerin Gabriele sieht überall mehr Probleme als Chancen. Außerdem muss die Aktion finanziell vom Chef genehmigt werden. Kein Problem für Sarah, denn die hat keine Hemmungen. „Die Gabi hat bisschen Angst zu fragen“, nimmt sie die Organisation eines Museumsbesuchs selbst in die Hand und bekommt vom Heimleiter doch glatt das Go. Tatsächlich läuft alles rund und die Senioren haben riesigen Spaß. Gabriele ist sprachlos, denn alle Sorgen waren unbegründet: „Wenn ich die Freude in den Augen der Bewohner sehe, das finde ich schön.“
Mälzer mit Demenz überfordert
Was die Pflegekräfte ebenfalls feststellen: Seit Beginn des Projekts brauchen die Heimbewohner kaum noch Tabletten. Pflegerin Carmen lacht: „Die haben ja gar keine Zeit mehr gehabt, um Schmerzen zu haben.“ Denn die gute Laune wirkt sich auf die gesamte Gesundheit aus. „Das ist richtig krass.“
Gegen Demenz helfen jedoch weder Tabletten noch die Veränderungen im Heim. „Bei aller Euphorie: Alle gesundheitlichen Entwicklungen können auch wir mit dem Projekt nicht aufhalten“, beobachtet André Dietz, wie sich der geistige Zustand einiger zunehmend verschlechtert.
Im Gespräch mit Frau Meyer bemerkt Tim Mälzer, dass sie in einer völlig eigenen Welt lebt. „Ich bin gerade innerlich einen Ticken überfordert, weil ich nicht weiß, was man machen sollte“, fühlt sich Mälzer hilflos. „Ich bin wirklich überfordert, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl habe, dass ich was falsch machen kann.“
Die demente Frau Lentes steht fragend vor ihrem eigenen Foto: „Ich kenne diese Dame nicht. Also ich bin es nicht.“ Gegen das Vergessen wollen die Azubis ein Video über ihr Leben aufnehmen, das sie sich immer wieder ansehen kann. Anhand der Bilder kehren Erinnerungen an die Kindheit zurück - zumindest kurzzeitig. (tsch)