Schuldzuweisungen, selbst erklärte Unschuldslämmer - und „Rock'n'Roll“-Kanzler Olaf Scholz: Keine zwei Wochen vor der Bundestagswahl wagt Stephan Lambys ARD-Doku eine politische Bestandaufnahme. Besonders Ex-Finanzminister Christian Lindner und Olaf Scholz geraten einmal mehr aneinander.
„Wer kann Deutschland regieren?“Schonungslose ARD-Doku lässt Zuschauer ratlos zurück
![Zwischen Christian Lindner (links) und Olaf Scholz ist spätestens seit dem Aus der Ampel-Koalition im November 2024 das Tischtuch zerschnitten. (Bild: WDR/Christoph Soeder/dpa)](https://static.express.de/__images/2025/02/09/0ff526d8-23b4-4f42-bd81-e322408b969d.jpeg?q=75&q=70&w=2000&h=1250&fm=jpeg&s=794655ce58c8fdb7f931d4fc038bdb31)
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Zwischen Christian Lindner (links) und Olaf Scholz ist spätestens seit dem Aus der Ampel-Koalition im November 2024 das Tischtuch zerschnitten. (Bild: WDR/Christoph Soeder/dpa)
Mit akrobatischen Drehungen auf der Tanzfläche und einem überbordend energetischen Wesen mag man Olaf Scholz bislang nicht in Verbindung gebracht haben. Entsprechend ist seine Ankündigung in der TV-Doku „Die Vertrauensfrage - Wer kann Deutschland regieren?“ auch eher bildlich gemeint: „Wir sind ready for Rock'n'Roll.“
![CDU-Kandidat Friedrich Merz rechnet sich gute Chancen aufs Kanzleramt aus.
(Bild: WDR/ECO Media TV)](https://static.express.de/__images/2025/02/09/5ac5ac7f-2334-44c0-86b9-799f0a0243b3.jpeg?q=75&q=70&rect=0,151,1600,900&w=2000&h=1342&fm=jpeg&s=d2926dc56d3d93a0dd34dc9462d5bb01)
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CDU-Kandidat Friedrich Merz rechnet sich gute Chancen aufs Kanzleramt aus.
Sofern er bei der Bundestagswahl am 23. Februar nochmal gewählt werde - die Umfragen aktuell zeichnen ein anderes Bild -, gelte mit Blick auf Donald Trump und die Weltpolitik, „dass wir mit denen tanzen, die im Saal sind“.
Die einstündige Dokumentation der preisgekürten Filmemacher Christian Bock und Stephan Lamby (“Ernstfall - Regieren am Limit“) bewegt sich abseits eines kurzen Exkurses in die USA aber eher auf nationalem Parkett. Mehrere Monate begleiteten sie Deutschlands Spitzenpolitiker und arbeiten die einschneidenden Ereignisse dieser Zeit auf: Ampel-Aus, Regierungskrise, D-Day-Plan, die Attentate von Magdeburg und Aschaffenburg.
![Kanzler Olaf Scholz will sein Amt verteidigen - auch, wenn aktuelle Umfragen eher gegen eine erneute Wahl sprechen.](https://static.express.de/__images/2025/02/09/09de51db-57ca-47f1-8ab1-5e10e5e7f660.jpeg?q=75&q=70&rect=0,174,1600,900&w=2000&h=1342&fm=jpeg&s=3da08c805d28db2c273f57bc9ae8710d)
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Kanzler Olaf Scholz will sein Amt verteidigen - auch, wenn aktuelle Umfragen eher gegen eine erneute Wahl sprechen.
Einig sind sich die Kanzlerkandidaten und Spitzenpolitiker, die für die ARD-Doku vor die Kamera treten, vor allem in ihrer Uneinigkeit. Und in ihrer verbalen Schärfe gegenüber den jeweiligen politischen Opponenten. Eine „freie Erfindung“ sei Christian Lindners Vorwurf, Olaf Scholz habe nach einem „Drehbuch, in dem es nur Unterwerfung oder Ende gab“, das Ampel-Aus beschlossen, rechnet der noch amtierende Bundeskanzler mit seinem einstigen Finanzminister ab. Auch Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck will Lindners vermeintliche Unwissenheit über das unmittelbar bevorstehende Ampel-Aus nicht glauben: „Lindner wusste es auch.“
Lindner verteidigt sich wegen des Ampel-Aus, Scholz kontert: „Glaubt er ja wohl selber nicht“
![Auf Tour: Robert Habeck tritt für die Grünen als Kanzlerkandidat an.
(Bild: WDR/ECO Media TV)](https://static.express.de/__images/2025/02/09/e90a21ed-63f3-4f99-879c-3e190368985c.jpeg?q=75&q=70&rect=8,0,1584,891&w=2000&h=1114&fm=jpeg&s=3a7bc7c18218cd5bea8e111833f3fe66)
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Auf Tour: Robert Habeck tritt für die Grünen als Kanzlerkandidat an.
„Woher diese Indiskretion kommt, wird man wohl nie aufklären können“, bleibt der FDP-Chef derweil vor den TV-Kameras dabei, nichts mit den „Bild“-Enthüllungen aus den letzten Ampel-Sitzungen zu tun zu haben. „Das glaubt er ja wohl selber nicht“, kontert Olaf Scholz. Wirklich ärgern könne er sich über derlei Unterstellungen seitens des Kanzlers nicht mehr, so Lindner: „Ich habe mich mit den Herabwürdigungen von Herrn Scholz abgefunden.“ Eine Spitze kann er sich trotzdem nicht verkneifen, gibt er Scholz doch den Seitenhieb mit: „In höchsten Staatsämter gibt es Anforderungen, wie man öffentlich sprechen soll.“
Gerade in puncto Wortwahl - Stichworte: FDP, offene Feldschlacht und D-Day - übt auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz scharfe Kritik an der FDP. „Martialische Formulierungen“, wie die Partei sie in ihrem „Drehbuch“ zum Ende der Ampel-Koalition formuliert habe, seien den CDU-Chef „persönlich fremd“. Auch räumt Merz beim Waldspaziergang mit Filmemacher Lamby ein, wegen Olaf Scholz' „Unnahbarkeit und Unlesbarkeit“ das Gefühl zu haben, „den Mann immer noch nicht zu kennen“.
„Einmal 33 reicht in der deutschen Geschichte“: Merz verurteilt AfD-Sprech
![Im Wahlkampf begleitet wurde auch AfD-Kandidatin Alice Weidel. (Bild: WDR/ECO Media TV)](https://static.express.de/__images/2025/02/09/234b45a2-5b5f-40a2-b80e-c878c42a7783.jpeg?q=75&q=70&rect=0,87,1600,900&w=2000&h=1342&fm=jpeg&s=e1427677ae98e314e642fbff80e44f2d)
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Im Wahlkampf begleitet wurde auch AfD-Kandidatin Alice Weidel.
Deutlich schärfer in der Rhetorik wird Merz, als der ARD-Film in der Chronologie der Ereignisse beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg angelangt. „Niederträchtig und schäbig“ sei es, dass die AfD den Anschlag für ihre politische Agenda missbrauche und den Attentäter fälschlicherweise als Islamisten darstelle. „Die AfD presst alles in das Narrativ rein, das sie brauchen“, verurteilt auch Robert Habeck diese Instrumentalisierung. „Das kann man mit Vernunft nicht mehr erfassen. Das ist nur noch Ideologie.“
Alice Weidel, die im 60-Minüter als Kanzlerkandidatin ebenfalls zu Wort kommt, beharrt indes auf ihrer Darstellung. Deren Rede auf dem Parteitag im sächsischen Riesa Mitte Januar, die unter anderem die geplante „Remigration“ Asylsuchender thematisierte, lässt derweil bei Friedrich Merz „Erinnerung an das Wort Deportation wachwerden“. Der „aggressive, menschenverachtende“ Ton missfalle ihm, verdeutlicht der 69-Jährige und kommentiert mit Blick auf die übernächste Bundestagswahl 2033: „Einmal 33 reicht in der deutschen Geschichte.“ Eines ausführlicheren Kommentars verweigert sich Weidel, sondern sagt nur so viel: „Das sagt deutlich mehr über Friedrich Merz aus, was er für einen Bildungsstand hat, als über die AfD.“
Zwischen gegenseitigen Schuldzuweisungen und kaum inhaltlichen Ansätzen einer besseren, zukunftsgewandten Politik verästelt sich „Die Vetrauensfrage - Wer kann Deutschland regieren?“ in persönlichen Antipathien von Deutschlands Spitzenpolitikern und wenig zielführenden Retrospektiven. Wer davon am Ende profitiert und welche Mehrheiten für eine künftige, tragfähige Regierung gefunden werden, entscheidet sich bei der Bundestagswahl am 23. Februar.
„Die Vetrauensfrage - Wer kann Deutschland regieren?“ zeigt Das Erste am Montag, 10. Februar, 20.15 Uhr. (tsch)