Hochansteckende Virusvariante XECMüssen wir jetzt wieder Angst vor Corona haben?

Ein Mitarbeiter eines mobilen Impfteams vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) zieht eine Spritze mit einem Impfstoff gegen das Corona-Virus (SARS-CoV-2) auf.

Die neue Corona-Variante XEC ist ansteckender als ihre Vorgänger.

Das Rheinland hustet und kränkelt – eine neue Virusvariante ist auf dem Vormarsch. Sie ist hochansteckend. EXPRESS fragte Experten: Müssen wir schon wieder Corona-Angst haben?

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Die Bonnerin Elisabeth K. (49, Name geändert) kommt mit ihrem Rollator nur langsam voran. Immer wieder muss sie nach Atem ringen. Sie hatte sich so schlimm mit dem neuen Corona-Virus infiziert, dass nur ein Luftröhrenschnitt ihr Leben retten konnte.

Jetzt befindet sie sich in der Reha. Sicherlich ein Einzelfall, der EXPRESS geschildert wurde. Aber er zeigt: Corona ist nicht aus der Welt. Experten ordnen die Lage ein, beantworten die wichtigsten Fragen und geben Tipps.

Corona-Variante XEC: Symptome von Migräne bis Durchfall

Welche Symptome zeigt die neue Variante XEC? „Diese Mutation bindet sich noch schneller an Zellen, ist somit noch ansteckender“, erklärt Lungenspezialist Dr. Heinz-Wilhelm Esser, Leiter der Pneumologie der Sana-Klinik in Remscheid. „Und auch die Symptome gehen über die oberen Atemwege, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen hinaus: Dazu kommen Migräne oder Magen-Darm-Varianten mit Völlegefühl und Aufstoßen.“ Bislang gebe es aber keine Hinweise darauf, dass diese Variante gefährlicher sei als Vorgänger. Der Verlauf sei oft milde.

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Sind die aktuellen Zahlen besorgniserregend? „Die Zahl der Hospitalisierungen mit einer Covid-19-Erkrankung ist in den vergangenen Wochen bereits wieder gestiegen“, erklärt das Bundesgesundheitsministerium auf EXPRESS-Anfrage. „Dies betrifft vor allem Ältere.“

Das aktuelle Abwassermonitoring ist vermutlich noch interessanter als alle RKI-Zahlen. In München haben die Corona-Messwerte im Wasser sich nach dem Oktoberfest mehr als verdoppelt. Das Monitoring zeigt auch in NRW, dass gerade in Düsseldorf, Köln, Bonn und Aachen die Viruslast im Wasser kräftig in den vergangenen Wochen gestiegen ist. Und der 11.11. steht erst noch vor der Tür ...

Trotzdem gebe es weniger Grund zur Besorgnis als zu Beginn der Pandemie, so das Gesundheitsministerium NRW – es verweist auf die breite Immunisierung der Bevölkerung. Heißt: Eine Basis-Immunität besteht, wenn man dreimal Kontakt mit dem Virus hatte, entweder infiziert oder geimpft oder in Kombi.

Corona in NRW: Machen Tests momentan Sinn?

Besteht eigentlich noch eine Meldepflicht? Ja, gemäß § 7 des Infektionsschutzgesetzes muss eine Infektionskrankheit innerhalb von 24 Stunden an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden. Dafür müsste man allerdings wissen, ob man infiziert ist.

Macht das Testen noch Sinn? Wer in Apotheken einen Coronatest kaufen will, muss häufig unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Selbsttests findet man eher noch in Drogeriemärkten. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann empfiehlt den Test bei Erkältungssymptomen.

Doc Esser beim WDR Talk Kölner Treff am 13.03.2020 in Köln.

„Doc Esser“ ist Lungen-Spezialist und bekannt durchs TV. Das Foto zeigt ihn im März 2020.

Doch Lungenspezialist Esser gibt zu bedenken: „Es gibt über 200 unterschiedliche Viren, die eine Erkältung verursachen können. Nur bei Corona haben wir einzigartig die Möglichkeit, uns zu testen. Aber eigentlich sollte doch bei allen Erkältungskrankheiten die Devise gelten: Wer rotzt und hustet, sollte der Fairness halber zum Schutz der anderen zu Hause bleiben.“

Tragen bald alle wieder Maske? Die Wiedereinführung einer Maskenpflicht sei nicht geplant, bestätigt das Bundesgesundheitsministerium dem EXPRESS und fordert stattdessen jeden Einzelnen auf, vorsichtig zu sein: Abstandhalten, regelmäßiges Lüften, die Händehygiene befolgen .... Aber wer tut das eigentlich noch? Doc Esser bringt es gewohnt drastisch auf den Punkt: „Ich finde es schade, dass die Husten- und Niesetikette den Bach runtergeht. Da schnäuzen sich alle wieder schön in die Hände statt in den Ellbogen und reichen einem nachher die Hand.“

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Wer sollte sich impfen lassen? Die drei Experten folgen da einhellig der Empfehlung der Stiko: Impfen, wenn man über 60 ist oder zu einer Risikogruppe zählt.

Warum? Bundesgesundheitsminister Lauterbach erinnert an das Long-Covid-Risiko. Außerdem sei es so, dass die Krankheit zu bleibenden Schäden führen könne, wenn man sie häufiger habe, warnt der Minister. „Als 65-Jähriger zu sagen, es ist für mich kein Problem, wenn ich ein oder zweimal pro Jahr Covid bekomme, das ist absolut keine so schlaue Idee.“

Und Doc Esser fügt ein weiteres Impfargument hinzu: „Wenn der Körper geschwächt ist, ist das ein Freiweg für Bakterien. Eine bakterielle Superinfektion ist keine Seltenheit.“ Man kann sich heute übrigens ganz niedrigschwellig in Apotheken impfen lassen. Geht auch: Links in den Arm eine Dosis gegen Covid, rechts eine gegen Influenza. Zwei kleine Piekse, große Wirkung. Der Arzt gibt allerdings auch zu bedenken: Jeder Impfstoff habe Nebenwirkungen, die könnten so heftig wie ein grippaler Infekt ausfallen. Deshalb sei es richtig, dass die Stiko nicht jedem die Impfung ans Herz lege.

Kann man auch Long-Covid-Symptome haben, wenn der Corona-Test negativ war? Ja, auch dazu gibt es eine neue Studie. Ein Forschungsteam der Mary Universität in London untersuchte nicht nur Menschen, die coronapositiv waren, sondern auch welche, die sich mit einer anderen Krankheit angesteckt hatten. Sie stießen auch bei der zweiten Gruppe auf langanhaltende Symptome wie Husten, Bauchschmerzen oder Durchfall. Man spricht in diesem Fall von „Long Colds“ (lange Erkältungen) oder „Long Flu“ (lange Grippe).